Das österliche Halleluja ist prägend für die Osterzeit
Grund zur Hoffnung
Das österliche Halleluja ist prägend für die Osterzeit – besonders für die Auferstehungsfeier am Ostersonntag. Doch wenn man einmal genauer hinschaut, dann ist Ostern nicht nur ein Freudenfest. Es ist auch ein Tag der Krisen, der Irritationen und des Zweifelns.
Während meines Studiums in Rom war es jedes Jahr wieder ein Erlebnis am Ostergottesdienst mit dem Papst auf dem Petersplatz teilzunehmen: Unzählige Menschen, der Altar geschmückt mit einem Meer von bunten Blumen und die ganze Pracht katholischer Liturgie. Eindrucksvoller kann man die Osterbotschaft, dass Jesus auferstanden ist, er da ist und auch heute seine Kirche führt, nicht in Szene setzen. Ostern inszeniert als ein großes triumphales Fest der Hoffnung und der Zuversicht in einer Atmosphäre von Fröhlichkeit und Jubel.
Doch vielen fällt es schwer in solchen Osterjubel einzustimmen. In Gesprächen höre ich immer wieder, wie Menschen oft auch angesichts mancher Schicksalsschläge mit der Frage ringen: Ist er wirklich da? Geht er wirklich mit? Auch in Anbetracht der Situation unserer Kirche, die viele als eher trostlos empfinden, stellt sich nicht wenigen in unseren Gemeinden die Frage, ob er wirklich noch mit seiner Kirche auf dem Weg ist.
Angesichts solcher Fragen und für alle Menschen, die sich mit dem Osterglauben schwer tun, gibt es in den Berichten von der Auferstehung einen Aspekt, der oft in allem Osterjubel untergeht und der ein Zugang für alle Suchenden und Fragenden sein kann. Denn in den Evangelien von Lukas, Matthäus und Markus gehört zur Botschaft des Engels „Der Herr ist auferstanden“, auch eine zweite „Er ist nicht hier.“
Matthäus: „Ihr sucht Jesus den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. (28,5f.)
Markus: „Ihr sucht Jesus den Gekreuzigten. Er ist auferstanden. Er ist nicht hier.“ (16,6b)
Lukas: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten, er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ (24,5f.)
So ist in den Auferstehungsberichten nicht nur von großer Freude die Rede, sondern auch von der Irritation, dass der Auferstandene irgendwie entzogen ist und den Jüngern fremd bleibt, sodass sie ihn zunächst nicht erkennen.
Ostern ist nicht nur Freude und Jubel
Zur Ostererfahrung gehört offensichtlich nicht nur die Freude und der Jubel darüber, dass Jesus lebt und er weiter seine Kirche führt. Vielmehr ist er nach seiner Auferstehung auch der Entrückte, der Fremde, der sich nicht halten lässt und sich den Vorstellungen der Jünger entzieht. Die Ostererfahrung kennzeichnet das Paradox, dass die Jünger die Anwesenheit und Gegenwart Jesu erfahren und zugleich auch seine Abwesenheit und Entzogenheit.
In den letzten Jahren sind im deutschen Sprachraum zahlreiche Bücher des tschechischen Theologen Tomáš Halík erschienen. Darin plädiert er leidenschaftlich für einen – wie er es nennt – kleinen Glauben. Darunter versteht er einen Glauben, der den Mut hat, Paradoxe auszuhalten und der durch das Feuer der Krise gegangen ist. Es geht ihm um einen Glauben, der von falscher Selbstsicherheit befreit, allen Versuchen von religiöser Vereinfachung, gefallsüchtiger Anbiederung und billigem Trost widersteht. Der kleine Glaube nimmt ernst, dass Gott oft auch als der Fremde in unser Leben tritt und sich unseren Bildern und Vorstellungen von ihm entzieht. Gerade diesem kleinen Glauben, der aus einem Ringen mit Gott erwächst, traut Halík zu, dass er uns ermöglicht, den oft so verborgenen Gott in unserem Leben zu erkennen.
Der Osterglaube ist ein solcher kleiner Glaube, der aus der tiefen Krise der Jünger nach dem Tod Jesu am Kreuz erwachsen ist. Er ist die Frucht eines ernsten Rinegens der frühen Kirche mit ganz ambivalenten und widersprüchlichen Erfahrungen.
Grund zur Hoffnung in aussichtsloser Lage
Vor einigen Jahren habe ich einen beeindruckenden Zeugen eines kleinen Glaubens erlebt. Es ist der ehemalige polnische Außenminister Wladislaw Bartoszewski, der mittlerweile verstorben ist. In einem Vortrag berichtete er, wie er als junger polnischer Intellektueller in Auschwitz interniert wurde. Durch glückliche Umstände kam er wieder frei und kämpfte dann im Untergrund gegen Nazideutschland. Auch während der sozialistischen Diktatur war er wegen seines christlichen Engagements immer wieder schärfsten Repressalien ausgesetzt. Dieser Mann sagte einen Satz, der mich angesichts seiner Biografie tief bewegt hat: „Wenn er eines in seinem Leben gelernt habe, dann dies: Die hoffnungslosen Situationen sind immer vielversprechend.“ Ein Mann, der Auschwitz erlebt hat, kann so etwas unmöglich leichtfertig sagen. Vielmehr war in der Weise, wie er das sagte, anzumerken, aus welchem Ringen mit ganz anderen Erfahrungen dieses Bekenntnis zur Hoffnung erwachsen ist.
Wir feiern an Ostern, dass Jesus Christus nach seinem Tod am Kreuz von den Toten auferstanden ist. In aussichtsloser Lage gibt es Grund zur Hoffnung. Diesen Osterglauben gibt es nicht als billigen Trost und ohne das Ringen mit Fragen und Zweifeln. Gerade als kleiner Glaube kann er uns wirklich Mut machen und Hoffnung schenken.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Osterfest!
Martin Marahrens