Impuls zur Sonntagslesung vom 23.03.2025

"Handeln hat Folgen"

Feuer

Foto: imago/NurPhoto

Brände, Fluten, Dürren: Auch unser Umwelthandeln bleibt nicht folgenlos.

Lesung und Evangelium schildern in drastischen Worten, was passiert, wenn der Ruf zur Umkehr einfach verhallt: „… vielmehr werdet ihr alle umkommen!“ Wie passt diese Drohung zur Frohen Botschaft? Fragen an die Bibelwissenschaftlerin Hildegard Scherer.

Frau Professorin Scherer, reden wir zu lieb vom „Lieben Gott“?

Wir reden von einem Gott, der eine Position vertritt; dem nicht alles egal ist, sondern der für Werte steht. Die Bibel zeigt ihn von verschiedenen Seiten. Und manchmal tritt eine Seite besonders hervor und eine andere wird eher gemieden. Ich denke, es ist wichtig, beides wahrzunehmen und sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Das Unbequeme auszublenden, wäre nicht richtig. 

Wie kann das gelingen?

Man kann sich fragen: In welchem Zusammenhang wird es genannt? In welcher historischen Situation spielt es? Welche literarische Gattung hat die Geschichte? Und vor allem: Was steht da sonst noch? Und gerade die Auswahl der Lesung aus dem Korintherbrief zeichnet meiner Meinung nach das Bild hier viel negativer, als es die Bibel insgesamt darstellt. 

Hildegard Scherer
Hildegard Scherer. Foto: privat

Wie meinen Sie das?

Das kommt durch die Auslassung von Versen zustande; durch Übersetzungen aus dem Griechischen ins Deutsche, die Interpretationen sind; und auch durch das Ende der Textauswahl der Lesung. Etwa geht es nach der Mahnung für die vermeintlich Standfesten, achtzugeben, dass man nicht fällt, im folgenden Vers weiter mit: „Noch ist keine Versuchung über euch gekommen, die den Menschen überfordert. Gott ist treu; er wird nicht zulassen, dass ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet.“ Und: „Er wird euch mit der Versuchung auch einen Ausweg schaffen, sodass ihr sie bestehen könnt.“ Das hört man in der Lesung aber nicht mehr. So klingt es strenger, als es im Ganzen gelesen aussehen würde. 

Warum wird das im Gottesdienst weggelassen?

Über die Gründe kann ich als Bibelwissenschaftlerin nur spekulieren. Das Ende der Lesung wirkt dramaturgisch zumindest so, dass das, was im Evangelium als Zusage Gottes gesagt wird, deutlicher werden kann. Da ist ja am Ende des Gleichnisses mit dem Feigenbaum davon die Rede, dass Gott Geduld mit den Menschen hat und die Chance lässt, umzukehren, im übertragenen Sinn doch noch Frucht hervorzubringen. Das passiert aber nicht automatisch; das erfordert schon auch das Handeln des Menschen: das Nachdenken und eben die Umkehr.

Was bedeutet das für die Predigt?

Es kommt für die Menschen, die predigen, darauf an, dass sie sich gut vorbereiten, indem sie für sich auch das lesen, was davor und danach steht, was ausgelassen wurde. Und dass sie das dann auch auslegen und in den Zusammenhang stellen.

Und für die Gottesdienstbesucher?

Jeder muss wissen, dass das, was vorgelesen wird im Gottesdienst, nur ein Ausschnitt ist. Da ist der Predigende in der Verantwortung. Aber ich rate auch allen, selbst die Bibel zur Hand zu nehmen und ein paar Sätze davor und danach im Zusammenhang zu lesen. Das kann etwa auch in Bibelkreisen geschehen, dass man sich gemeinsam mit dem Text in seinem Zusammenhang beschäftigt und so die Aussage klarer wird. Die biblische Theologie greift menschliche Erfahrungen auf, deutet sie aus der Rückschau und prognostiziert sie für die Zukunft. Hier ist es der Tun-Ergehen-Zusammenhang: Handeln hat Folgen. Das gilt auch heute noch.

Haben Sie da ein Beispiel?

Etwa beim Klimawandel sehen wir ja sehr deutlich, welche Folgen es hat, wenn und wie Menschen handeln – oder auch nicht handeln. Die Frage ist, wie man das theologisch einordnet. Aus der biblisch-jüdischen Tradition und Schöpfungstheologie sehen wir: Gott bietet die lebensförderliche Ordnung an. Der Mensch hat aber auch die Freiheit, daraus auszusteigen. Dann hat das für ihn negative Konsequenzen; aber nicht, weil Gott ihn straft, sondern weil er sich damit selbst zugrunde richtet. An anderer Stelle in der Bibel heißt es: „Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben.“ (Deuteronomium 30,19)

Hat Gott, wie es in der Lesung heißt, „an den meisten keinen Gefallen“? Das klingt wie eine harte Drohung.

Zunächst ist ja die Aussage, dass alle dieselben Möglichkeiten hatten. Aber sie haben sich trotzdem eigenmächtig entschieden, aus der Gnade Gottes auszusteigen. Daran hat Gott keinen Gefallen. Es ist also eine Verantwortung für den Menschen, in dieser Gnade Gottes zu bleiben.

Was heißt das für heute?

Das warnende Beispiel ist ja dafür gewählt, dass es eben nicht mehr passiert. Das ist das Ermutigende für heute, es anders zu tun. Es gibt den Appell, aber es gibt auch den Trost. Beides kann nicht ohne das andere sein. Das sehen wir auch in diesem Evangelium zum 3. Fastensonntag: Es ist ernst. Es gibt eine strenge Seite Gottes, die Gerechtigkeit einfordert. Und es gibt die Seite der Geduld und großzügigen Vergebungsbereitschaft Gottes. Selbst der reuige Schächer am Kreuz erfährt in der letzten Minute noch die Zusage Jesu: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Es gibt also Hoffnung – trotz der harten Worte?

Ja, denn der Ruf nach Umkehr bedeutet, die Schuld für das eigene Schicksal nicht bei anderen zu suchen, sondern vor der eigenen Haustür zu kehren. Das Interesse Gottes ist nicht, die Menschen laufen zu lassen und dann abzuurteilen, sondern sie stark zu machen, sich für ihn zu entscheiden, in seiner Liebe zu bleiben. Das meint auch das Wort vom „düngen“ im Evangelium. Gott tut alles, dass es gut werden kann. Der Mensch muss sich aber darauf einlassen und so gut es geht noch seinen Teil dazu beitragen.

Interview: Michael Kinnen

Zur Person
Hildegard Scherer (49) ist Professorin für Biblische Theologie und ihre Didaktik mit dem Schwerpunkt Neues Testament an der Universität Duisburg-Essen.