Universalkirche des Reiches Gottes in Berlin-Wedding
Heilung und Zerstörung
Auf den ersten Blick heißt die Universalkirche des Reiches Gottes im Berliner Wedding jeden willkommen. Fotos: Gunnar Lammert-Türk |
Der Pastor der Universalkirche des Reiches Gottes predigte an einem Mittwoch im Juni über den Vers „Naht euch zu Gott, dann naht er sich zu euch“ aus dem Jakobusbrief. Akkurat gekleidet in blauer Hose, blauem Jackett, Hemd und Schlips, lief er in der Neuen Nazarethkirche auf und ab, theatralisch gestikulierend, beschwörend, mahnend. Zwölf Gläubige hörten ergeben zu, mit Blick auf den Altarraum, an dessen weiß getünchter Wand ein Kreuz hängt und der lichtverstärkte Schriftzug „Jesus Christus ist der Herr“ zu lesen ist.
Der Pastor hob hervor, wie viele einst abgestürzte Existenzen – Prostituierte, Rauschgiftsüchtige, Kriminelle, ... – in seiner Kirche gerettet worden seien und drängte auf Bewährung der Gläubigen in diesem Leben. Dafür sei es dringend erforderlich, sich ehrlich und täglich Gott zu opfern, um dem Teufel zu widerstehen. Gott würde im Gegenzug Glück, Zufriedenheit und Gesundheit geben. Für das Verhältnis zwischen den Gläubigen und Gott gebrauchte er das Bild des Supermarktes: Die Menschen geben Geld und erhalten eine Ware.
Spenden zeigen die Qualität des Glaubens
Eines der Hauptmerkmale der Universalkirche war mit der Rede vom Opfer der Gläubigen und dem Bild vom Supermarkt angesprochen worden. Was sich daraus ergibt, beschreibt João Carlos Schmidt, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Karlsruhe, der im Mai 2010 einen Gottesdienst der Universalkirche in Berlin besuchte, als sie noch nicht Mieter der Neuen Nazarethkirche war. Er schreibt: „Viel Zeit in der knapp einstündigen Versammlung nimmt die Abgabe des Zehnten und anderer Spenden in Anspruch. Diejenigen, die sich verpflichtet haben, den Zehnten regelmäßig zu geben, werden aufgefordert, einen entsprechenden Umschlag nach vorne zu bringen. Anschließend hält der Pastor eine Ansprache über die Bedeutung des Zehnten. Dann spricht er ein Gebet für diejenigen, die den Zehnten geben. Nun werden alle, die eine ‚Spende der Dankbarkeit‘ geben wollen, eingeladen, nach vorne zu kommen.“
Geld – Glaube – Gott: Sie gehen bei der Universalkirche eine eigentümliche, um nicht zu sagen, höchst bedenkliche Verbindung ein. Den Zehnten zu geben, ist Pflicht. Gern darf noch mehr gespendet werden. Das Geld ist dabei Ausdruck der „Qualität“ des Glaubens, der nur wirkt, wenn er durch Opfergaben seine Ernsthaftigkeit beweist. Im Gegenzug gibt Gott Wohlstand und Wohlergehen, worauf der Mensch, weil Gott es ihm zugesagt hat, Anspruch hat. Im Umkehrschluss und so ist es durchaus gemeint, glauben unglückliche, kranke und arme Menschen nicht in rechter Weise. Ihr Glaube zeigt nicht genug Opferbereitschaft: Sie geben zu wenig Geld.
Gründung und Ausbreitung |
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Edir Macedo, ehemals Lotterieangestellter, gründete die Universalkirche des Reiches Gottes 1977 in Rio de Janeiro und hat ein riesiges Medienimperium aufgebaut und gehört mittlerweile zu den reichsten Unternehmern Brasiliens. |
In Deutschland bezeichnet sich die Universalkirche des Reiches Gottes nicht offiziell als Kirche, sondern als „Hilfszentrum Universal“. Laut ihrer Website hat die Universalkirche Standorte in Dortmund, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Nürnberg, Stuttgart, Aschaffenburg, Bremen, Karlsruhe und Berlin, dem nationalen Hauptsitz. Ansonsten ist sie in zahlreichen Ländern weltweit vertreten. |
Geld, oder in diesem Fall der Mangel daran, war wohl ausschlaggebend dafür, dass die Neue Nazarethkirche am Leopoldplatz an die Universalkirche geriet. Für die evangelische Landeskirche eine nicht mehr genutzte Last, wurde sie entwidmet und an den Stadtbezirk gegeben, der sie 1993 an die Freikirche „Gemeinde Gottes Deutschland“ verkaufte. Die wiederum war mit dem Erhalt des großen neogotischen Gotteshauses, das dringend saniert werden muss, überfordert, vermietete es daher an zahlreiche afrikanische Gemeinden und seit 2016 ausschließlich an die zahlungskräftige Universalkirche, die nun anstrebt, das Gebäude zu kaufen.
Geld hätte sie genug. Wegen des Geldes geriet sie auch immer wieder in die Schlagzeilen. Es gab Prozesse wegen Veruntreuung von Steuergeldern, Geldwäsche und Gründung einer kriminellen Vereinigung.
Dennoch wäre es zu einfach, zu sagen, der Gründer Edir Macedo und seine Mitstreiter benutzten die Religion, um halb- bis illegal zu wirtschaftlicher Macht und Reichtum zu gelangen. Dafür sind die Dinge zu verwoben. Freilich löst es mehr als Befremden aus, wenn Macedo in seinem 2019 auch auf Deutsch erschienenen Buch „Auf den Spuren von Jesus“ schreibt: „Das Geld ist der Grundstein im Werk Gottes“, „Gott wünscht sich, unser Geschäftspartner und Mitinhaber zu sein“ und durch Spenden werde der Gläubige „Teilhaber von allem, was Gott gehört“. Daneben aber teilt die Universalkirche Ansichten und Praktiken anderer pfingstlerischer Kirchen, so den unkritischen bis manipulativen Umgang mit Geistheilungen. Sie sieht sich auf einem weltweiten Feldzug für Gott gegen den Teufel – ein Feldzug, den der ehemalige Katholik Macedo und seine Mitstreiter mit aggressiver Verunglimpfung der katholischen Kirche und einem verächtlichen Blick auf die von ihnen als „schwache Kirchen“ angesehenen protestantischen Kirchen verbinden. Auf diesem Feldzug spielen vor allem Exorzismen eine große Rolle.
Pfarrer João Carlos Schmidt hat diese im Februar 2007 bei einem Gottesdienst der Universalkirche in einem Hotel in Stuttgart erlebt. Er berichtet: „Die Versammlung fing mit exorzistischen Gebeten und einer Ansprache über Lukas 8, 26-31 („Die Heilung des besessenen Geraseners“) an. In der ersten Reihe begann eine Frau zu weinen und zu schreien, was von den Pastoren als Zeichen von dämonischer Besessenheit gedeutet wurde und sie dazu veranlasste, bei besagter Frau eine Dämonenaustreibung zu vollziehen. Diese übernahm der Hilfspastor. Mit seinen Händen auf dem Kopf der Frau sagte er ihr Befehle ins Ohr wie ‚Geh raus, du Dämon‘. Dem Hilfspastor ist der Exorzismus jedoch nicht so richtig gelungen. Die Frau lag während der gesamten Versammlung ‚besessen‘ auf dem Boden, weinte, führte Gespräche mit dem ‚Dämon‘ und klammerte sich ab und zu an den Füßen des Pastors fest.“
Ein Gottesdienst für jede Lebenslage
Wie in solchen, jeweils am Dienstag stattfindenden Gottesdiensten für Heilung und Gesundheit stehen auch die übrigen, ebenfalls thematisch ausgerichtet, unter enormem Druck, weil sie wesentlich zur Lösung von Problemen durchgeführt werden. So dient etwa der Gottesdienst am Montag dem Wohlstand, der am Donnerstag der Besserung des Ehe- und Familienlebens, der am Freitag der Befreiung von dämonischen Mächten, der am Samstag für Singles veranstaltete der „Liebestherapie“. In all diesen Fällen wird das Gebet wie eine Art Suggestion praktiziert und der Glaube erscheint als angestrengtes positives Denken, das, in Verbindung mit dem Geldopfer, nahezu magisch, Erfolg bringen muss, weil er sonst keinen Wert hat. Eine Mischung, bei der Heilung und Zerstörung eng beieinander liegen, wenn nicht die Zerstörung überwiegt.
Dem Bezirk Mitte ist die Universalkirche inzwischen unheimlich. Er würde deshalb die Neue Nazarethkirche gern zurückkaufen und dort ein soziokulturelles Zentrum einrichten. Es ist ungewiss, ob das gelingen kann.