Blutzeuge Pfarrer Alfons Maria Wachsmann.

Hoffnung und Verlorensein

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Er gilt als Blutzeuge Christi, ist ins Martyrologium des 20. Jahrhunderts mit aufgenommen und doch steht die theologische Auseinandersetzung mit ihm erst am Anfang: Greifswald gedenkt seines Pfarrers Alfons Maria Wachsmann.

„Gott hat mich nicht verlassen“: Pfarrer Alfons Maria Wachsmann. | Foto: Archiv St. Joseph Greifswald

„Vertrau auf Gott! Er hat mich nicht verlassen. Die acht Monate meiner Vorbereitung auf die Ewigkeit waren schwer, aber doch sehr schön“, schrieb Pfarrer Alfons Maria Joseph Wachsmann am 21. Februar 1944 an seine Schwester Maria. Es war sein letzter Brief aus dem Gefängnis Brandenburg-Görden, wo er vor 75 Jahren durch das Fallbeil von den Nazis ermordet wurde.

 
„Eine schillernde Persönlichkeit“
Alfons Maria Wachsmann war von 1929 bis 1943 Priester in Greifswald. Hierhin wurde er durch den Breslauer Kardinal Bertram am 8. Januar 1929 geschickt. Der Geistliche, der zuvor in Görlitz und in Berlin-Prenzlauer Berg unter Carl Sonnenschein als Kaplan tätig war, veränderte die Gemeinde in der Hansestadt nachhaltig. Er sah für sich selbst als Priester in der Diaspora drei Aufgaben: Zum einen sollte die katholische Gemeinde aus ihrer Isolierung geführt, zum anderen durch religiöse Vertiefung gestärkt werden. Darüber hinaus war ihm die Betreuung der Studenten ein besonderes Anliegen. „Er war eine schillernde Persönlichkeit“, wie der evangelische Theologe Thomas K. Kuhn auf der Fachtagung zu Pfarrer Alfons Maria Wachsmann im Januar in Greifswald (TAG DES HERRN berichtete) zu erzählen wusste. Ohne Zweifel prägten ihn seine Berliner Zeit und Priester wie Carl Sonnenschein oder auch dessen Nachfolger Johannes Pinsk und Theologen wie Romano Guardini, die ab 1930 zu Vorträgen nach Greifswald kamen.
1896 in Berlin geboren, verbrachte er seine Kindheit im schlesischen Breslau. Hierhin zog seine Mutter nach dem frühen Tod des Vaters zusammen mit ihm und seiner Schwester Maria. Zum Ersten Weltkrieg meldete sich der junge Mann im August 1914 freiwillig. 1917 erkrankte er schwer an Malaria, wurde aber erst 1919 als Unteroffizier aus der Armee entlassen. Die Eindrücke des Krieges waren nachhaltig, so dass er sich dem Friedensbund Deutscher Katholiken anschloss. Schon 1915 nahm Alfons Maria Wachsmann ein Theologiestudium auf, das er 1920 beendete. Laut dem Greifswalder Theologen Thomas K. Kuhn bestanden auch enge Verbindungen zum Benediktinerkloster in Maria Laach, wo er sich 1929 der Gemeinschaft der Benediktiner-Oblaten anschloss.
Durch seine Verbindungen zu Romano Guardini gehörte Wachsmann auch dem Quickborn-Arbeitskreis an, dessen Theologie prägte: So führte er in Greifswald die Wandlung während der Messe in der Kapelle des Pfarrhauses den dortigen Schwestern zugewandt hinter dem Altar stehend durch, wie seine damalige Seelsorgehelferin Amata Kandel später zu berichten wusste. Wachsmann lebte in Greifswald das, was heute eine „aufsuchende Pastoral“ genannt werden würde. Er hatte keine Scheu auf andere zuzugehen, sei es auf Soldaten – er war in der Stadt auch Militärpfarrer –, polnische Arbeiter, Studenten, Professoren oder Handwerker. Dennoch wollte er am liebsten wieder weg. Sein Versetzungsgesuch wurde jedoch abgelehnt.
Am 1. März 1935 promovierte er mit einer religionspsychologischen Dissertation zum „Dr. phil.“ an der Greifswalder Universität. Bis 1938 ging er auf Vortragsreisen durch ganz Deutschland. Im Juli 1931 veröffentlichte die Predigerzeitschrift „Chrysologus“ die Einführungspredigt Wachsmanns. Insgesamt 27 seiner Ansprachen wurden bis 1943 abgedruckt. Für eine Teilnahme am Eucharistischen Kongress in Budapest wurde ihm jedoch 1938 der Reisepass entzogen. Auch wenn er nie direkt in seinen Predigten Stellung bezog, so wurde er doch von da an bespitzelt.
 
Den Machthabern ein Dorn im Auge
Mitunter war Wachsmann unvorsichtig oder unterschätzte das NS-Regime. So hörte er oft Feindsender bei offenem Fenster, ließ seine Kapläne und Studenten mithören oder unterließ bei Begrüßungen in der Öffentlichkeit den Hitlergruß. Seine für mittwochs organisierten Vorträge waren den Machthabern schnell ein Dorn im Auge, waren sie doch oft besser besucht als zur gleichen Zeit stattfindende NSDAP-Versammlungen. Am 23. Juni 1943 wurde der Greifswalder Priester im Zinnowitzer St. Otto-Heim im Zuge des Falls Stettin festgenommen und wegen „Wehrkraftzersetzung“ durch das Hören feindlicher Radiosender am 3. Dezember 1943 zum Tode verurteilt. Es folgten Gefängnisaufenthalte in Stettin, Berlin und Brandenburg-Görden. Seine erhaltenen Briefe an seine Schwester zeugen von einem inneren Kampf, von Hoffnung und Verlorensein und schlussendlich der Hingabe an Gott.
 
Von Anja Goritzka