Liederserie

Ich bin gehalten!

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Fotos: picture-alliance/dpa; Katrin Kolkmeyer

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Dietrich Bonhoeffer schrieb das Gedicht „Von guten Mächten“. Im Gotteslob stehen gleich zwei Vertonungen: im Stammteil die von Kurt Grahl, in vielen Bistumsanhängen die von Siegfried Fietz.

„Den Segen vom Himmel holen“ – das wollte Siegfried Fietz, als er das berühmteste Gedicht von Dietrich Bonhoeffer vertonte: Von guten Mächten wunderbar geborgen

Auch wer den Namen Siegfried Fietz noch nie gehört hat: Mit seiner Vertonung des Gedichts „Von guten Mächten“ hat er eine Melodie geschaffen, zu der unzählige Menschen in schweren Stunden Trost und Zuversicht finden. Der Text ist der letzte Gruß, den der evangelische Theologe an Weihnachten 1944/45 aus der Gestapo-Haft an seine Familie verschickte. 

Dort saß er als prominenter Regimegegner ein, weil er am Attentat des 20. Juli 1944 beteiligt war. Am 9. April 1945 wurde er im KZ Flossenbürg hingerichtet. Als Siegfried Fietz die erste Vertonung von 1959 hörte, fiel ihm auf: „Das klingt so depressiv, dabei steckt in diesem Text so viel Positives drin!“ Zuversicht und Trost sind für ihn die bestimmenden Motive – „und danach muss es auch klingen“, sagt er im Gespräch.

 Das Lied soll zum Geschenk werden

Wenn Fietz komponiert, sieht er sich als „Spediteur“, der dem Text helfen will, „dass er möglichst gut ans Ziel kommt, und für die Leute, die das Lied hören, zum Geschenk wird“. Also tastete er sich langsam an den Inhalt heran. Keine leichte Aufgabe, denn „es stand Geschichte dahinter“, sagt Fietz. 

Geschichte, die ihn selbst sehr geprägt hat, denn seine Eltern mussten im Krieg aus Ostpreußen flüchten. Im Teenageralter begann Fietz, sich für die Geschichte zu interessieren: Was war los in Deutschland? Er begriff schnell, „was für ein Unheil da in die Welt getragen wurde“. Umso mehr bewunderte er Dietrich Bonhoeffer für seinen Mut, „gegen das Unrecht anzutreten“. Deshalb wollte Fietz seine Botschaften in die Welt tragen und hat noch zahlreiche andere seiner Werke vertont.

Als „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ zum ersten Mal mit der Melodie von Siegfried Fietz veröffentlicht wurde, hat das nicht allen gefallen. In einem Artikel hieß es damals: „Er bringt uns Dachau in die Wohnstube.“ Die Aufarbeitung der Gräueltaten des Nationalsozialismus sei damals noch nicht so populär gewesen, sagt Fietz. Bis heute hätten wir als Gesellschaft diesbezüglich zwar viel erreicht, seien aber auch ein ganzes Stück zurückgefallen. Er macht das beispielsweise daran fest, dass seine Version des Lieds immer wieder von selbsternannten Querdenkern missbraucht und auf ihren Demonstrationen gesungen wird. 

Fietz ist sicher: Das hat Dietrich Bonhoeffer damals ganz sicher nicht gemeint. Bonhoeffer wollte trösten und zeigen: Egal, wie sehr uns das Leben gerade plagen mag, da ist einer, der uns immer hält. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Es ist eine Zuversicht, „die wir ganz dringend brauchen“, sagt Fietz. Es freut ihn deshalb umso mehr, dass sein Lied in nun über 50 Jahren zu einem sehr beliebten Gesang geworden ist. 

Aktuell, so sagt der Komponist, ist es besonders in Südkorea sehr populär. Denn: Sich „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ fühlen, das wollen Menschen weltweit. Bei Geburtstagen, Hochzeiten und ganz besonders in Trauer und Todesangst. Kein Wunder also, dass Bonhoeffers Text in diesen Momenten besonders tröstend ist. Immer wieder erzählen die Leute Fietz über sein Lied: „Das hat sich meine Mutter noch beim Sterben gewünscht“ oder „Das haben wir noch in der Todesstunde gesungen“. „Sich gehalten zu wissen, auch in diesem schwersten Moment des Abschieds“ – das, sagt Siegfried Fietz, ist für ihn der tiefe Sinn von Bonhoeffers Versen. Er hat sie zu Musik gemacht.

Theresa Brandl