Corona und das kirchliche Leben
„Ich blühe richtig auf“
Corona hat das kirchliche Leben über Monate lahmgelegt. Stück für Stück kehrt wieder Normalität ein. Wie haben die Menschen die Zeit erlebt und wie sehen sie jetzt den Neuanfang? Vier Erfahrungsberichte aus vier Orten des Bistums.
Kein Gottesdienst, keine Begegnungen nach der Kirche oder bei Treffen, auch kein meditativer Tanz: „Natürlich war ich vorsichtig“, sagt Monika Kulle. Die 64-Jährige gehört zur Pfarrei Heilig Geist in Hannover-Bothfeld und ist dort auf verschiedene Weise aktiv. Normalerweise. Aber das Virus ließ sie auch Abstand halten zu ihrer Kirche. Für ihre Vorsicht gab es zwei entscheidende Gründe: „Zum einen pflege ich meinen Vater, zum anderen haben wir in der Zeit zweimal die Woche unser Enkelkind betreut.“
Die für die gelernte Bauzeichnerin schlimmste Zeit war das Osterfest letzten Jahres. Nur im Hildesheimer Dom wurde ein Auferstehungsgottesdienst gefeiert, nirgends sonst im Bistum: „Da hat mir wirklich was gefehlt.“ Zwar hat Monika Kulle die Übertragung verfolgt, für sich eine Kerze angezündet und mitgesungen: „Aber das gleiche war es nicht.“
„Eine Zeitlang war ich wirklich ganz ruhig und lange nur mit meinem Mann zu Hause“, erzählt Monika Kulle. Es ist zu spüren, dass ihr das schwergefallen ist. Immer wieder habe sie sich gesagt: „Du begibst dich nicht in Gefahr und du schadest auch keinem anderen.“ Aber die Feier der Liturgie und die Begegnungen haben ihr mehr und mehr gefehlt. Radiogottesdienst? „Da bin ich zu schnell abgelenkt“, gibt die Mutter dreier Kinder zu. Kontakt zur Seniorengemeinschaft der Gemeinde, für die sie sich engagiert? „Wir haben viel telefoniert, manche haben auch WhatsApp.“ Aber alles nur Behelfsmittel.
Monika Kulle freut sich, dass sich das Leben wieder normalisiert. Gottesdienst feiern, dabei auch ein bisschen singen – und bald wieder der erste Kaffee mit der Seniorengemeinschaft. Da ist die Freude richtig groß: „Ich blühe dabei richtig auf.“ Doch in die Freude mischen sich Befürchtungen: „Die Zahlen steigen ja wieder“, meint Monika Kulle, die selbst zweimal gegen das Corona-Virus geimpft ist: „Das macht mir schon ein wenig Angst.“
Noch nicht wieder im alten Sonntagsrhytmus
Die Rückkehr zur Normalität ist ein langer Weg. Auch, wenn etwa der Gemeindegesang langsam und wie in Bremerhaven durch zum Teil draußen gesungene Schlusslieder in die Gottesdienste zurückkehrt, Thomas Hollands ist trotzdem noch nicht wieder in seinem „alten“ Sonntagsrhythmus. Vor Corona war der 40-Jährige fast jeden Sonntag zur Heiligen Messe, oft begleitet von seiner Tochter Annkathrin (4). Durch die lange Corona-Pause, in der die Plätze begrenzt und die Hygienebedingungen streng waren, wurden seine Besuche aber seltener. „Zum Teil wollte ich niemandem den Platz wegnehmen und außerdem fühlte es sich gerade anfangs komisch an, auf der einen Seite soziale Kontakte zu reduzieren und dennoch zum Gottesdienst zu gehen“, sagt er. Vor allen Dingen dann, wenn er selbst als Lektor Dienst am Altar hatte oder als Firmkatechet im Einsatz war, besuchte er die Messe aber dennoch „in echt“.
Als Alternative nahm er dafür Video-Übertragungen der Gottesdienste wahr oder feierte 2021 die Osternacht als Zoom-Konferenz mit einem kleineren Kreis Gläubiger. „Dabei kam schon Gemeinschaftsgefühl auf“, sagt er. Entstanden ist in der Corona-Zeit auch eine Gruppe, die sich regelmäßig online zum Bibelteilen per Video-Konferenz trifft. Dennoch: Das normale Gemeindeleben können sie nicht ersetzen. „Ich freue mich drauf, wenn wieder mehr Leben am Altar und in der Kirche ist“, betont der Bremerhavener. Immer wieder gibt es dazu mit Open-Air-Angeboten wie Gottesdiensten im Pfarrgarten einen Vorgeschmack darauf. Und die lassen sich weder Thomas Hollands noch seine Tochter entgehen.
„Es war sehr einsam ohne Gottesdienst“
Peter Peiner ist Messdienerleiter in der Dominikanerpfarrei St. Albertus Magnus in Braunschweig. Sonntags in die Kirche zu gehen, ist für den Jugendlichen ein wichtiger Startpunkt der Woche. „Tatsächlich habe ich das sehr vermisst“, berichtet der 17-Jährige über seine Erfahrungen im Lockdown. „Es war schon sehr einsam ohne Gottesdienst“, findet er. Damit war für ihn ja noch mehr verbunden: Keine Treffen mit Gleichaltrigen im Kloster und auch keine Messdienergruppenstunden. In dieser Zeit hat er immer gerne in den Podcast reingehört, den Messdienerkollegen von ihm mit den Patres bis heute gemeinsam gestalten. „Sonntagsabends war das ein schöner Ausklang, auch an Ostern, da hat man ein bisschen Osterstimmung bekommen.“ Peter ist sehr froh, dass wieder Messen in Präsenz gefeiert werden. Schnell hat er sich auch an die besonderen Corona-Regeln gewöhnt. Natürlich gibt es auch Rituale, die ihm fehlen. „Ganz besonders vermisse ich, zum Friedensgruß vom Altarraum in die Gemeinde runterzuzugehen oder beim Vaterunser einen großen Kreis zu bilden“, sagt er.
Hoffen auf Gottesdienste ohne Anmeldung
Michaela Leitner-Höpker aus Göttingen gehört zu denjenigen, die auch während aller coronabedingten Einschränkungen möglichst viele Gottesdienste in den Kirchen mitgefeiert hat. „Ein paar Mal habe ich Fernsehgottesdienste und Livestreams wahrgenommen“, sagt die 63-Jährige. Aber das sei nicht vergleichbar.
Besonders beklemmend habe sie immer noch Palmsonntag 2020 in Erinnerung, als die TV-Übertragung aus Wien gesendet wurde und Kardinal Christoph Schönborn „muterseelenallein mit einem riesigen Palmbuschen“ im Stephansdom gestanden habe.
Während der Gottesdienste in Präsenz hat Leitner-Höpker den Gesang vermisst. „Dass man nicht singen durfte, ist traurig gewesen. Zum Mitfeiern gehört auch Mitsingen“, sagt sie. Ohne eigenen Gesang seien Gottesdienste „nur eingeschränkt tröstlich“. Auch mit der zeitlichen Beschränkung auf 60 Minuten sei besonders an Weihnachten und Ostern „viel auf der Strecke“ geblieben. Sie hofft, dass es zunehmend mehr Gottesdienste ohne Anmeldepflicht gibt, damit spontane Besuche zu den Messzeiten in den Kirchen wieder möglich werden.
(wal/mha/sam/jb)