Gedankenaustausch über grenzüberschreitende Aktivitäten

Im Einsatz für Europa

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Christen aus Deutschland, Polen und Tschechien haben sich in Görlitz zu einem Gedankenaustausch über ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten im vereinten Europa getroffen.

Bischof Ipolt war Gastgeber eines Treffens von Christen aus Deutschland, Polen und Tschechien, die sich für grenzüberschreitendes Miteinander in Europa engagieren.    Fotos: Matthias Holluba

 

Europa braucht die Stimme der Christen. Und: Christen haben auch eine Chance, mit ihrem spezifischen Beitrag Europa mitzugestalten. Darin waren sich die Teilnehmer eines trinationalen Dialogtreffens einig. Zugleich machte das Treffen deutlich, dass über die nationalen Grenzen hinweg weiter ein großer Informationsbedarf über entsprechende Aktivitäten besteht.
Der deutsch-polnisch-tschechische Christendialog fand Anfang November in Görlitz statt. Daran nahmen rund 30 Frauen und Männer teil, die sich in den drei Ländern für ein grenzüberschreitendes Miteinander einsetzen. Eingeladen hatte die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Verbände Mittel- und Osteuropas (AKVMOE) in Kooperation mit dem Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt und dem Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke, der als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge an dem Treffen teilnahm. Themen der Tagung waren der Umgang mit den Wunden der Vergangenheit, das Christsein in einer säkularen Welt sowie das Engagement der Christen für Europa.
Das Wachhalten der Erinnerung an die Wunden der Vergangenheit – insbesondere in der Folge des Zweiten Weltkrieges – bezeichnete Weihbischof Hauke als einen Dienst an Europa: Die Christen seien gefordert, das, was passiert ist, auch an die nachwachsende Generation zu vermitteln mit dem Anliegen, dass so etwas nie wieder passieren darf.
Christen hätten in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wichtig Impulse gegen Hass und Vergeltung und für Versöhnung gesetzt, erinnerte Rainer Bendel, Bundessprecher der AKVMOE. Die Erinnerung daran bezeichnete er als eine wichtige Aufgabe der Gegenwart. Auch wenn die Nachkriegszeit inzwischen Jahrzehnte zurück liegt, wirken die Wunden bis heute, unterstricht Jörg Lüer, Geschäftsführer von Justitia et Pax. Angesichts dessen sei eine falsche Harmonie „Gift für die Versöhnung“.
Dass die tschechische Gesellschaft sich seit Ende des Kommunismus bemüht, die Wunden der Vergangenheit zum Beispiel  mit Blick auf die Vertreibung der Sudetendeutschen, aber auch im Verhältnis von Tschechen und Slowaken aufzuarbeiten, erläuterte Jan Heinzl, Direktor der Bildungsstätte Hejnice (Haindorf). Zugleich sprach er von neuen Verwundungen etwa in der aktuellen Auseinandersetzung im Dreiländereck um den Braunkohletagebau bei Bogatynia. Die Beschäftigung der Tschechen mit dem Schicksal der Sudetendeutschen sei für die Tschechen selbst wichtig, sagte Matthias Dörr von der Ackermann-Gemeinde. Gut sei es allerdings, wenn diese Aufarbeitung gemeinsam geschehe.
Die Grenznähe erleichtere Begegnung und Austausch, berichtete der Bautzner Kaplan Markus Ruhs. Zugleich stellte er fest, dass die Kirchen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit noch Nachholebedarf hätten. Statt großer Aufrufe solle es dabei mehr persönliche Begegnungen und einfach Gesten geben, appellierte Pfarrer Krystian Burczek aus Cottbus.
Als gutes Beispiel für grenzüberschreitendes Miteinander nannte der Bischof von Legnica (Liegnitz), Andrzej Siemieniewski, das Maximilian-Kolbe-Gedenken. „Schritt für Schritt wird mit solchen Aktivitäten eine neue Wirklichkeit geschaffen.“ Bischof Ipolt betonte in diesem Zusammenhang, dass „der Schatz des gemeinsamen Glaubens noch mehr gehoben“ werden müsse.

Die Teilnehmer des trinationalen Dialogtreffens in Görlitz.


Vor welcher Herausforderung christliches Engagement in einer säkularen Welt steht, diskutierten die Teilnehmer am Beispiel von Tschechien und Deutschland. Die Christen sollten sich in den gesellschaftlichen Dialog so einbringen, wie alle anderen Bürger auch, appelliert Francesca Šimuniová, Äbtissin des Klosters Weißer Berg in Prag. Die Kirche müsse vor allem bei den Themen glaubwürdig auftreten, bei denen es um den Schutz der Schwachen geht. Dass Kirche sich zum Anwalt der Menschen machen müsse, die von Unrecht betroffen sind, forderte auch der Direktor der Katholischen Akademie Dresden, Thomas Arnold. Er kritisierte, dass die Kirche es bisher ungenügend verstehe, auf die Sehnsüchte der Menschen zu antworten. Das zeige sich daran, dass sie bei den mit Corona verbundenen existenziellen Themen als Gesprächspartner kaum gefragt sei. Die Vorsitzende des Diözesanrates im Erzbistum Berlin, Karlies Abmaier, forderte von den Christen, sich in die gesellschaftlichen Sachdebatten wie Flüchtlingsfrage oder Klimaschutz einzubringen. Mit ihrer Forderung nach einer schnellstmöglichen humanitären Lösung für die Flüchtlinge an der belarussisch-polnischen Grenze setzten die Teilnehmer der Tagung ein konkretes Zeichen.

Von Matthias Holluba