Franziskaner geben Kloster in Halberstadt auf

Impuls, sich neu zu orientieren

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Die Franziskaner geben mit Halberstadt eines ihrer ältesten Klöster in Deutschland auf. Pater Ubald Hausdorf entdeckt darin auch Chancen.

Bruder Michael Seidl, Pater Ubald Hausdorf und Pater Alfons Nillies verlassen als letzte Franziskaner das Kloster in Halberstadt (von links).    Foto: Eckhard Pohl

 

Die Franziskaner verlassen Halberstadt. Sie werden am 12. Juli in einer Eucharistiefeier mit Bischof Gerhard Feige in St. Andreas verabschiedet. Weil sie kaum jüngere Mitbrüder haben, geben die Ordensleute damit die neben Würzburg älteste Niederlassung in Deutschland auf. Franziskaner kamen bereits 1223 zu Lebzeiten des heiligen Franziskus an den Bischofssitz nördlich des Harzes. Guardian Pater Ubald Hausdorf (85) und Bruder Michael Seidl (81) wechseln in die Niederlassung in Halle-Dreieinigkeit. Pater Alfons Nillies (78) kehrt in seine Heimat Paderborn zurück.

Es gab immer Veränderungen
„Es hat mich schon sehr beschäftigt, dass wir Halberstadt aufgeben. Aber ich sehe darin auch den Impuls, sich neu zu orientieren“, sagt Guardian Pater Ubald, der seit 2000 Hausoberer in Halberstadt war. „Schließlich wird in der Kirchen- und Ordensgeschichte immer wieder von radikalen Veränderungen und Neuanfängen berichtet. Das waren und sind wichtige und notwendige Anstöße, über Sendung und Berufung in Kirche und Welt neu nachzudenken, um zeitgemäße Antworten zu finden. Auf diesem Hintergund müssen wir auch über unseren Weggang nachdenken. Gott hat uns in diese Situation geführt und wir haben nun die Pflicht zu klären, was er von uns will.“
„Ich muss als Franziskaner nicht unbedingt bei der Neuorganisation leitender Pfarrer in einem Pfarrverbund sein, schon gar nicht Pfarr-Herr, wie das früher auch mal vorkam“, so Pater Ubald. „Es ist eine durchaus gute Aufgabe, in einem Team mitzuwirken, Brücken zwischen Gemeinden zu bauen, um das Zusammenwachsen zu fördern. Wenn wir das tun, kann diese Krisenzeit eine Gnadenzeit sein.“
Im westfälischen Sauerland, in Attendorn, hätten sich nach dem Weggang der Franzikaner Familien zusammengetan, um aus ihrer inneren Verbundenheit mit der franziskanischen Tradition die Spiritualität des Ordens vor Ort bewusst zu leben, erzählt Ubald. Bis heute seien diese Familien tätig in Kirche und Gesellschaft für alle Menschen. „Sie sind anerkannt, sie sind ein Segen. Sie erinnern – ohne Anbiederung – an das Zusammensein mit den Franziskanern.“
Dass er und sein Mitbruder Michael nach Halle wechseln, verstehe er als Zeichen, dass die Franziskaner nicht aus den kleinen Verhältnissen des Bistums Magdeburg fliehen, zumal die Ortskirche mit dem Orden immer sehr freundlich und fair umgegangen sei. Dass es in Deutschland kaum noch junge Franziskaner gebe, habe neben der konkreten Situation von Kirche und Glaube auch mit der völlig anderen Struktur der Familien zu tun, die keine acht oder zehn Kinder mehr haben, wie das war, als es mehr Ordensnachwuchs gab. In Ländern wie etwa Vietnam sei es heute attraktiv, bei den Franziskanern einzutreten.
Zu DDR-Zeiten seien zwischen fünf oder sieben, zeitweise auch nur drei Franziskaner in Halberstadt gewesen, erinnert sich Gemeindereferentin i.R. Gertrud Rennwanz, die seit 1977 Seelsorgehelferin in Halberstadt war. Sie hätten die Pfarrseelsorge in St. Andreas übernommen und dabei auch an zahlreichen Außenstationen Gottesdienste gehalten, Auch der Provinzobere für das Gebiet der DDR habe seinen Sitz in Halberstadt gehabt.
Pater Ubald und seine Mitbrüder haben zuletzt in der Seelsorge der 2009 gegründeten Pfarrei St. Burchard mitgearbeitet, Exerzitien angeboten, andere Ordensleute geistlich begleitet. Zeitweise war in den 2000er Jahren auch ein Mitbruder in der Gefängnisseelsorge tätig. Pater Ubald selbst begleitet noch immer die Mitglieder der Franziskanischen Gemeinschaft in Leipzig, in Dresden und im Eichsfeld.

Wärmestube als bleibende Aufgabe
Fast 25 Jahre gibt es auf dem Gelände des Franziskanerklosters eine gut frequentierte Wärmestube für Bedürftige. Zunächst wurde sie von zwei Mauritzer Franziskanerinnnen geführt, seit 2007 ist der Caritasverband verantwortlich. „,Mitarbeitende Goldstücke‘ seien immer wieder sehr engagierte, den Bedürftigen zugewandte junge Leute im Zivildienst gewesen“, erinnert sich Pater Ubald gern. „Die Pfarrgemeinde sollte das Angebot der Wärmestube weiter unterstützen und wohlwollend begleiten.“ Das stehe einer Gemeinde gut an. Glücklicherweise gebe es immer noch – auch über das Bistum hinaus – einen Kreis von Wohltätern für die Einrichtung.

Zur Sache: Historische Schlaglichter
  • 1223 kommen Minderbrüder nach Halberstadt
  • um 1300 Bau der St.-Andreas-Kirche
  • über die Reformationszeit bleibt das Kloster bestehen
  • Kloster ist Zentrum geistlichen Lebens, Studienhaus für die Ordensprovinz und Stützpunkt für die „Sachsen-Missionare“, die die wenigen Katholiken in Sachsen und Anhalt sowie einige Frauenklöster betreuen
  • Brüder unterhalten eine Volksschule, arme Kinder erhalten Mahlzeit. Sie sind auch bei Protestanten beliebt.
  • 1803 gibt es 21 Patres, fünf Brüder, die Theologie studieren, neun Laienbrüder. Elf Patres auf Außenposten gehören zum Kloster.
  • 1814 müssen sie in Folge der Säkularisation Halberstadt verlassen, St. Andreas bleibt Pfarrkirche.
  • 1920 kehren die Franziskaner zurück.
  • 1945 Kloster und Kirche durch Bomben zerstört
  • 1952 beginnt Wiederaufbau, 1982 Weihe der wieder aufgebauten St.-Andreas-Kirche
  • 1996 Errichtung einer Wärmestube für Bedürftige, von Mauritzer Franziskanerinnen geführt. Seit 2007 ist die Caritas Trägerin.
 
Von Eckhard Pohl