Anstoß 3/20
Innere Leere
Eigentlich ist alles top. So beginnt die 40-Jährige unser Gespräch. Der neue Job ist ihr Ding, sogar mit mehr Geld. Die Wohnung ist fast fertig renoviert. Außerdem gibt es eine neue Beziehung, mit der sie nicht gerechnet hatte. Äußerlich läuft alles super.
Warum nur fühlt sie sich traurig? Wie ausgebrannt. Alles erscheine so sinnlos. Nichts mache mehr Spaß. Trotz beruflichen Wechsels empfinde sie Langeweile. Noch schafft sie die Anforderungen im Alltag. Muss ja irgendwie, meint sie und reißt sich zusammen.
Wenn jemand sich in diesem Stadium befindet, braucht es mehr als ein Alltags-Fitness-Programm mit Bewegung, Schlaf, menschlicher Nähe und gesunder Ernährung. Viele Menschen, auch Kirchenchristen leiden unter innerer Leere, die zu einer Form von Depression führen kann. Betroffene brauchen Hilfe von außen! Als Seelsorgerin kann ich psychosoziale Kompetenz und fachärztliche Angebote vermitteln.
Kann Gott helfen? Wir kennen die billige Antwort: „Da musst du halt beten“ – und es bringt nichts. In unseren Gemeinderäumen treffen sich wöchentlich sechs Selbsthilfegruppen, insgesamt 100 Personen, die nach dem weisen „Zwölf-Schritte-Programm“ arbeiten. Mich fasziniert an diesen nichtkirchlichen Gruppen, dass sie auch beten. Im Programm gibt es den Schritt, sich täglich mit einer Kraft zu verbinden, die größer ist. Manche nennen sie „Gott“. Die Mitglieder haben ihre innere Leere mit übermäßigem Essen oder Trinken zu kompensieren versucht; durch Klammern an Menschen oder gar die Einnahme von Drogen. Jetzt müssen sie eine Entscheidung treffen: laut und deutlich zugeben, das Problem nicht alleine bewältigen zu können. Wer das tut, kapituliert vor sich, vor anderen - und vor Gott, so, wie sie Gott verstehen. Der Tiefpunkt wird so zum Wendepunkt. Erstes Aufatmen: ich muss mich nicht mehr verstecken. Ich lasse Hilfe zu, unbedingt auch von der größeren Kraft Gottes. Wer sich einlässt, lernt persönliches Beten und offene Aussprache. In der Gruppe werden Texte gelesen, um Kopf und Herz mit bewährten Impulsen neu zu füllen. Das wirkt!