„Schulische Notfälle“ als Schwerpunktthema
Kinder und Katastrophen
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„Schulische Notfälle“ waren das Schwerpunktthema des Bundeskongresses der Notfallseelsorge. Tagungsort war Erfurt, wo vor 17 Jahren am Gutenberg-Gymnasium ein Amokläufer 16 Menschen und sich selbst tötete.
Deutschlandweit stehen 7500 kirchliche Notfallseelsorger und andere Kriseninterventionskräfte bei Unglücks- und Katastrophenfällen als Helfer bereit. | Foto: epd / Simone Viere |
Für Eltern ist es ein Albtraum: Dass ihrem Kind an der Schule Leid widerfährt. In Erfurt wurde der Horror vor 17 Jahren Realität. Ein ehemaliger Schüler erschoss am Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen und sich selbst. Hunderte Schüler, Lehrkräfte, Polizisten und weitere Einsatzkräfte erlebten die Tat oder ihre Folgen vor Ort mit.
Es ist ein Grund, dass der 19. Bundeskongress Notfallseelsorge und Krisenintervention der beiden großen Kirchen in diesem Jahr in Thüringens Landeshauptstadt stattfand und „Schulische Notfälle“ zum Schwerpunkt hatte. Dabei ging es nicht nur um Amokläufe. Sie sind die seltene Ausnahme unter den 164 Unglücksfällen seit 2010, bei denen mindestens zehn Schüler verletzt oder 20 Augenzeugen waren.
87 schwerwiegende Schulbusunfälle
Auch die 87 „schwerwiegenden Schulbusunfälle“, die der Hamburger Professor für Notfall- und Rettungsmanagement, Harald Karutz, ermittelt hat, belasten nach seinen Erkenntnissen die Betroffenen oft viel schwerer und länger als vermutet. „Katastrophen erschüttern das ganze Weltbild kleiner Menschen“, zitierte er einen Helfer.
Der Diplom-Pädagoge drang deshalb darauf, die psychosoziale Notfallversorgung für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Dies ist ein Ergebnis des Forschungsprojekts zu dem Thema, das er im Auftrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in diesem Jahr abschließt. Dabei stellte er fest, dass die medizinische Hilfe in Notfällen zwar „akribisch“ geregelt, die psychosoziale Betreuung durch die bundesweit rund 7500 kirchlichen Notfallseelsorger und anderen Kriseninterventionskräfte bei den staatlichen Akteuren jedoch „eher oberflächlich und nebenher“ im Blick ist.
Ein eigenständiges neues Hilfesystem hält Karutz zwar nicht für erforderlich, hat aber durchaus konkrete Verbesserungsvorschläge. So empfiehlt er in solchen Notfällen Helfer als Ansprechpartner für betroffene Eltern abzustellen, wenn diese oft panikartig zum Ort des Geschehens kommen. Eltern wiederum bräuchten Angebote zum Beispiel von Familienbildungsstätten, wie sie mit Fragen ihrer Kinder etwa nach dem Unfalltod oder der Selbsttötung eines Schülers oder Lehrers umgehen sollten.
In den vergangenen Jahren haben die Bundesländer eine Reihe von Regelungen erlassen, wie Schulen bei Amokläufen zu reagieren haben. In der Praxis gibt es aus Sicht von Ralf Radix dennoch schwerwiegende Defizite. Der oberste Notfallseelsorger der Evangelischen Kirche in Deutschland verweist auf die Äußerung eines Schulleiters, dass man sich auf solche Krisen sowieso nicht vorbereiten könne.
Oft haben die Notfallseelsorger dann nur einen beratenden Einfluss und können nur auf Entscheidungen anderer reagieren, wie Radix kritisiert. Als Beispiel nennt er das Flugzeug-Unglück von 2015, bei dem 16 Schüler und zwei Lehrkräfte des Joseph-König-Gymnasiums von Haltern am See starben. So habe die Schule am Tag nach dem Absturz spontan die betroffenen Eltern eingeladen, die Notfallseelsorger aber erst eine halbe Stunde vor dem Termin informiert. Als weiteres Problem nannte Radix die Folgen, wenn sich nach Katastrophen an Schulen „politische Prominenz“ ansagt. „Dann kann es geschehen, dass weinende Schüler mit Sicherheitskräften zusammentreffen, die vor dem hohen Besuch die Lage vor Ort sondieren.“
Auch die 87 „schwerwiegenden Schulbusunfälle“, die der Hamburger Professor für Notfall- und Rettungsmanagement, Harald Karutz, ermittelt hat, belasten nach seinen Erkenntnissen die Betroffenen oft viel schwerer und länger als vermutet. „Katastrophen erschüttern das ganze Weltbild kleiner Menschen“, zitierte er einen Helfer.
Der Diplom-Pädagoge drang deshalb darauf, die psychosoziale Notfallversorgung für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Dies ist ein Ergebnis des Forschungsprojekts zu dem Thema, das er im Auftrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in diesem Jahr abschließt. Dabei stellte er fest, dass die medizinische Hilfe in Notfällen zwar „akribisch“ geregelt, die psychosoziale Betreuung durch die bundesweit rund 7500 kirchlichen Notfallseelsorger und anderen Kriseninterventionskräfte bei den staatlichen Akteuren jedoch „eher oberflächlich und nebenher“ im Blick ist.
Ein eigenständiges neues Hilfesystem hält Karutz zwar nicht für erforderlich, hat aber durchaus konkrete Verbesserungsvorschläge. So empfiehlt er in solchen Notfällen Helfer als Ansprechpartner für betroffene Eltern abzustellen, wenn diese oft panikartig zum Ort des Geschehens kommen. Eltern wiederum bräuchten Angebote zum Beispiel von Familienbildungsstätten, wie sie mit Fragen ihrer Kinder etwa nach dem Unfalltod oder der Selbsttötung eines Schülers oder Lehrers umgehen sollten.
In den vergangenen Jahren haben die Bundesländer eine Reihe von Regelungen erlassen, wie Schulen bei Amokläufen zu reagieren haben. In der Praxis gibt es aus Sicht von Ralf Radix dennoch schwerwiegende Defizite. Der oberste Notfallseelsorger der Evangelischen Kirche in Deutschland verweist auf die Äußerung eines Schulleiters, dass man sich auf solche Krisen sowieso nicht vorbereiten könne.
Oft haben die Notfallseelsorger dann nur einen beratenden Einfluss und können nur auf Entscheidungen anderer reagieren, wie Radix kritisiert. Als Beispiel nennt er das Flugzeug-Unglück von 2015, bei dem 16 Schüler und zwei Lehrkräfte des Joseph-König-Gymnasiums von Haltern am See starben. So habe die Schule am Tag nach dem Absturz spontan die betroffenen Eltern eingeladen, die Notfallseelsorger aber erst eine halbe Stunde vor dem Termin informiert. Als weiteres Problem nannte Radix die Folgen, wenn sich nach Katastrophen an Schulen „politische Prominenz“ ansagt. „Dann kann es geschehen, dass weinende Schüler mit Sicherheitskräften zusammentreffen, die vor dem hohen Besuch die Lage vor Ort sondieren.“
Sommeruniversität alle zwei Jahre in Erfurt
In Edgar Franke, dem neuen Beauftragten der Bundesregierung für Terroropfer, haben die Anliegen der Notfallseelsorger und Kriseninterventionskräfte indes einen wichtigen Unterstützer. „Sie gehören zu den ganz wichtigen Akteuren im Anschlagsfall“, hatte er ihnen beim Auftakt des Kongresses versichert.
Organisiert wurde der Kongress von der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen, gemeinsam mit den Trägern der Tagung, der Evangelischen Notfallseelsorge und der Bundeskonferenz Katholische Notfallseelsorge, im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz. Die Tagung soll künftig alle zwei Jahre in Form einer Sommeruniversität in Erfurt stattfinden, hieß es.
In Edgar Franke, dem neuen Beauftragten der Bundesregierung für Terroropfer, haben die Anliegen der Notfallseelsorger und Kriseninterventionskräfte indes einen wichtigen Unterstützer. „Sie gehören zu den ganz wichtigen Akteuren im Anschlagsfall“, hatte er ihnen beim Auftakt des Kongresses versichert.
Organisiert wurde der Kongress von der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen, gemeinsam mit den Trägern der Tagung, der Evangelischen Notfallseelsorge und der Bundeskonferenz Katholische Notfallseelsorge, im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz. Die Tagung soll künftig alle zwei Jahre in Form einer Sommeruniversität in Erfurt stattfinden, hieß es.
Von Gregor Krumpholz