Künstlerin Sylvia Vandermeer legt Debütroman vor
Kirchenwissen im Krimi verpackt
Sylvia Vandermeer mit ihrem Erstlingsroman am Rügener Strand. Foto: Privat |
In ihrem 2020 erschienenen historischen Krimi erzählt Sylvia Vandermeer von der spannenden Jagd nach einem magischen Stein, den der heilige Franziskus in Ägypten einst von Sultan al-Malik al-Kāmil geschenkt bekommen haben soll.
Zusammen mit Co-Autor Frank Meierewert, ihrem Ehemann, lässt sie in der erfundenen Geschichte vieles aus dem eigenen Leben anklingen: Die Schauplätze des Romans kennt die in Meuselwitz bei Zeitz geborene Künstlerin und Wissenschaftlerin aus eigener Anschauung, sie kennen Straßenzüge mit vielen Details, haben den Dialekt der Bewohner im Ohr und wissen, wie es in bestimmten Stadtteilen riecht: in Wien hat sie Betriebswissenschaft und Biologie studiert und später als Professorin gelehrt, Venedig war der Ort ihrer Malereistudien. Die Ethnologie, der sich einer der beiden Helden des Romans verschrieben hat, ist das Fachgebiet ihres Mannes. Der Franziskanerorden, dem das Ehepaar durch Freundschaft mit einigen Ordensbrüdern verbunden ist, hat in der Geschichte ebenso seinen Niederschlag gefunden wie der Computerfreak und die ukrainischen Zuwanderer aus ihrem Wiener Bekanntenkreis. Auf unterhaltsame Weise erhalten die Leser, fast beiläufig, detailreiche historische Kenntnis über Kunst, die Ukraine nach dem Krieg, die Templer, das unterirdische Wien und verschiedenste religiöse Zusammenhänge, angefangen bei biblischer Zahlensymbolik bis hin zu Zitaten aus dem Hebräerbrief.
Wo Dichtung beginnt und bis wohin historische Wahrheit reicht, ist ohne die entsprechende Vorbildung so ohne weiteres zumeist nicht zu erkennen. Wer sich näher interessiert, muss sich selbst auf die Spur machen und wird dann zum Beispiel herausfinden, dass Franz von Assisi vom Sultan im Jahr 1219 tatsächlich ein Elfenbeinhorn und einen Brief erhiel, der ihm erlaubte, die historischen Stätten Jesu in Jerusalem zu besuchen, nicht aber einen magischen Stein.
Helden des Romans suchen nach Lebenssinn
„Wir haben beide keine theologische Ausbildung. Es hat uns einfach Freude gemacht, in spielerischer Weise all das einfließen zu lassen, was unser Leben ausmacht“, erzählt Sylvia Vandermeer.
Sie und ihr Ehemann sind katholische Christen und gehören seit mehr als zehn Jahren zur Gottesdienstgemeinde in Binz auf Rügen. Für die dortige Kirche Stella Maris hat die Malerin den Kreuzweg gestaltet. Gemeinsam mit dem Benediktiner Anselm Grün hat sie den Bildband „Die Betenden“ erstellt, in dem sie unter anderem einen Mann aus ihrer Gemeinde porträtiert hat, der mit 48 Jahren an einem tödlichen Krebs erkrankt ist. Diese Arbeiten haben sie in besonderer Weise berührt und in ihrem Leben Spuren hinterlassen. „Ohne dass ich mir das bewusst vorgenommen hatte, brachten die damit verbundenden Begegnungen mich dazu, meinen eigenen Glauben sehr intensiv zu reflektieren“, erinnert sich die Künstlerin.
Nachdem sie die Kirche in Wien, Passau oder Venedig in ihrer Größe und ihrem kulturellen Reichtum erlebt hatte, lernte sie unter den Rügener Katholiken etwas kennen und schätzen, das sie mit dem Stichwort „Glaube im Wohnzimmer“ auf den Punkt bringt. „Wir sind hier sofort mit großer Herzlichkeit aufgenommen und eingeladen worden“, erzählt sie. Die katholische Gemeinde sei eine „kleine verschworene Gemeinschaft, aber wegen der vielen Touristen zugleich sehr offen“. Zu den lebendigen Traditionen gehöre in der Adventszeit die „Herbergssuche“, bei der ein religiöses Bild von Haus zu Haus wandert und Familien sich zu Hausgottesdiensten in ihren Wohnzimmern treffen.
Missionarische Absichten verfolgt sie mit „Janusblut“ nicht. Dass Leser sich durch die Geschichte zum Nachdenken darüber anregen lassen, was sie selbst in ihrem Leben trägt, wäre aber durchaus in ihrem Sinn. Auch bei Daniel Kremser und Kim Winter, den beiden Protagonisten des Romans, blitzen zwischen den erkennbaren Brüchen und Narben ihres Lebens Fragen nach dem Wozu und Wohin auf. Schnelle Antworten gibt es für sie nicht, aber – und das ist Sylvia Vandermeer wichtig – es gibt immer eine Hoffnung.
Als zweiter Band folgt „Genesiskomplott“
Hoffnung gibt es auch für Leser, die am „Janusblut“ Geschmack gefunden haben. Sylvia Vandermeer und Frank Meierewert haben Ideen für fünf Folgen im Kopf. Gegenwärtig arbeiten sie an Band zwei, dem „Genesiskomplott“, der in Wien und Monaco angesiedelt ist. Als positiven Nebeneffekt ihrer Arbeit am Roman sieht die Autorin die Gedankenflüge, mit denen sie im Dauer-Lockdown drohendem Lagerkoller entfliehen kann. Wenn ein grauer, stürmischer Tag auf der Insel Rügen ihr aufs Gemüt zu schlagen beginnt, nimmt sie sich einfach ein romantische Tanzszene im hochsommerlichen Süden vor.
Von Dorothee Wanzek