Anstoss 47/19
Kreative Entwicklung
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Es knallte ordentlich. Ein handfester Konflikt in der Ur-Kirche zwischen den Hellenisten und den Hebräern um die Versorgung der Witwen. Die Zwölf riefen die ganze Schar der Jünger – Frauen und Männer – zusammen.
Sie hatten die Idee, Personen „von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit“ durch die Jünger wählen zu lassen. Ein neuer Dienst wurde geschaffen: Die Diakone. Der Vorschlag gefiel der ganzen Gemeinde. Der Konflikt wurde kreativ zu einem Fortschritt gedreht. Gewonnen wurden Persönlichkeiten, die mehr als nur ihren Job machten. Von Diakon Stephanus wird berichtet, dass er Wunder und große Zeichen unter dem Volk wirkte – voll Gnade und Kraft! Klar, dass die Mitgliederzahl wuchs. Und „das Wort Gottes breitete sich aus“.
Na, geht doch! In der Ur-Kirche wurde Mitbestimmung und Beteiligung zum Türöffner. Dass die ganze Gemeinde gehört wurde; dass sie sich korrigieren ließ; dass sie unbedingt die Kooperation mit dem Heiligen Geist suchte. Es bedarf zwecks Prüfung natürlich der Gabe der Unterscheidung. Inspirierend kann ein Blick über den Tellerrand sein. Das Bistum Basel beispielsweise ermöglicht Laien, Frauen und Männern, das Sakrament der Taufe zu spenden. Ihr Bischof Felix Gmür will die „Schockstarre der Angst“ in der Kirche überwinden. Statt auf Groß-Pfarreien zu setzen sprechen sich zunehmend Theologen dafür aus, Gemeinden neu zu gründen. Die Bewegung „Church planting“ beispielsweise will neue christliche Gemeinden gründen. Und ja, es bedarf auch den Mut zur Konfrontation, um in bitterer Kirchenkrise die Erneuerung vom Heiligen Geist zuzulassen. Mich erschüttert beim Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt, wenn Entschädigungen aus Kirchsteuermitteln gezahlt werden sollen. Da werden die Laien in Kollektivhaftung genommen, die so gut wie keinen Anteil daran haben, wer zum Priester geweiht wird und ein Bistum leitet. Welchen Beitrag leisten lebende Täter? Verantwortliche, die vertuscht haben? „Als die Nachricht um die Erde lief, Gott sei aus der Kirche ausgetreten, wollten viele das nicht glauben.“ So beginnt ein Gedicht von Hanns Dieter Hüsch. Je nachdem, wie wir die Aufarbeitung betreiben, scheint mir das logisch konsequent. Darum lasst uns das Wort Gottes sich ausbreiten, das eine klare Sprache zu Umkehr und Erneuerung, Gemeindebildung und Wachstum spricht.
Lissy Eichert, Berlin