Kloster Lüne

Lange gegen die Reformation gewehrt

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Vor 850 Jahren wurde das Kloster Lüne für katholische Nonnen gegründet. Nach der Reformation wurde es evangelisch, auch wenn sich die Klosterdamen der neuen Lehre lange widersetzten. Bis heute lebt in dem Kloster eine Gemeinschaft von Frauen.


Konventualin Charlotte Pattenden
wohnt seit 2014 in dem Kloster,
das in diesem Jahr sein 850. Jubiläum
feiert.

Charlotte Pattenden geht flotten Schrittes den langen Kreuzgang im Kloster Lüne bei Lüneburg entlang. „Im Kloster muss man beinig sein“, sagt sie und lacht: gut zu Fuß, für die Führungen durch den ausgestreckten mittelalterlichen Bau. Die 65-Jährige wohnt seit 2014 in dem Kloster, das in diesem Jahr sein 850. Jubiläum feiert. „Im Sommer summt das Kloster im Rhythmus der Führungen“, sagt sie. Besucherinnen und Besuchern die Kunstschätze des mittelalterlichen Baus nahezubringen, ist eine der Hauptaufgaben der acht heute evangelischen Frauen, die derzeit hinter den Mauern leben. Gemälde, Wandteppiche, Schnitzereien, alles zeugt hier vom christlichen Glauben, den sie dabei den Menschen vermitteln wollen.

Urkundlich belegt ist, dass das Kloster Lüne im Jahr 1172 für katholische Benediktinerinnen gegründet wurde. Mit der Reformation verlor es zwar seine ursprüngliche Bedeutung. Doch in Niedersachsen hat sich eine deutschlandweit besondere Tradition erhalten. In 15 Frauenklöstern und Damenstiften, darunter auch den sechs Lüneburger Klöstern, blieben über den Konfessionswechsel hinweg Gemeinschaften von Klosterdamen bestehen. Sie müssen alleinstehend, evangelisch und bei Eintritt möglichst unter 65 Jahre alt sein.
Warum geht jemand ins Kloster? Wo sind die Nonnen? Es sind immer wieder dieselben Fragen, die den Frauen gestellt werden. Dabei müssten sie mit manchem Vorurteil aufräumen, sagt Äbtissin Reinhild von der Goltz (73), während sie in ihrem sonnendurchfluteten Wohnzimmer Tee serviert. Als sie sich vor fast 15 Jahren nach dem Tod ihres Mannes auf die Leitungsstelle im Kloster bewarb, war ihr Schwiegersohn voller Mitleid, berichtet sie. „Dabei ist es eine attraktive und sinnstiftende Aufgabe.“

Im Kloster konnten sich Frauen bilden

Im Mittelalter bot das Kloster unverheirateten Frauen die einzige Möglichkeit, sich zu bilden. „Sie mussten nicht beim Bruder auf der Bettkante sitzen“, sagt die Äbtissin. „Sie konnten sogar Karriere machen.“ Mit einem Anteil an Salzpfannen war Lüne in der durch Salinen reich gewordenen Stadt Lüneburg ebenfalls vermögend. Äbtissinnen und Dominas waren Frauen mit Macht. Es waren selbstbewusste Frauen, die im Kloster lebten. Davon zeugen auch bis heute erhaltene Briefe aus dem 15. Jahrhundert, die sie mal in Niederdeutsch, mal in Latein geschrieben haben.

Umso erbitterter wehrten sich die Nonnen gegen die Reformation, die Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg ab 1527 in seinem Fürstentum durchsetzen wollte. Die Lehren Martin Luthers, nach denen es im christlichen Glauben keine herausgehobene Position gibt, rüttelten an ihrem Lebensmodell. Auf dem Nonnenchor mit Blick in die Kirche sollen die Frauen sogar Filzlappen angezündet haben. „Sie haben versucht, die ketzerischen Prediger, die vom Herzog geschickt wurden, aus der Kirche zu treiben“, erzählt Äbtissin von der Goltz.

Der Herzog verleibte sich auch den Besitz der Klöster ein, doch verpflichtete er sich dazu, sie zu erhalten. Eine Aufgabe, die später vom Land Niedersachsen als Rechtsnachfolger an die Klosterkammer Hannover übertragen wurde. So pflegen bis heute Frauen die Tradition – im Geist der jeweiligen Zeit. Lüne bot gegen Zahlung von Geld nach der Reformation zunächst unverheirateten adligen Töchtern ein Zuhause, wie Pattenden berichtet. Sie öffnet eine der noch erhaltenen Zellen. Im 18. Jahrhundert ist der Raum reich ausgestaltet worden. „Bestimmt wurde ein Lebenstraum an die Wand gemalt.“ Doch die Zelle misst nur acht Quadratmeter.

Viele Konventualinnen haben Kinder

Längst leben die Klosterdamen in je eigenen Zwei-Zimmer-Wohnungen. Dennoch pflegen sie unter anderem mit Konvents-Treffen und bei Andachten ihre Gemeinschaft. „Heute muss man sich nicht mehr einkaufen, aber man muss sich einbringen“, betont die 65-Jährige. „Alle Frauen, die hier sind, haben eine Berufsbiografie hinter sich, viele haben auch Kinder“, erläutert die Priorin, die selbst vierfache Mutter und noch als freiberufliche Übersetzerin tätig ist. Es seien starke Charaktere. Sie deutet auf die Malerei an der Decke der Zelle, die ein Lamm zeigt und die Aufschrift „Patience“. Früher wie heute ein passendes Motto, sagt sie schmunzelnd: „Im Kloster braucht man zuweilen auch Geduld.“

Karen Miether