Impuls zum Sonntagsevangelium am 15.10.2023

Leben im Auf und Ab

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Eine geschwungene Treppe, auf der Menschen gehen, im Hintergrund geht die Sonne unter
Nachweis

imago/Zoonar

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Auf und Ab: beim Erlebnisspaziergang ein Spaß

Das Leben ist nicht immer gleich gut oder schlecht. Er kenne „Sattsein und Hungern, Überfluss und Entbehrung“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Philippi. Und meint damit wohl nicht nur den Zustand seines Magens.

Als Paulus diesen Brief schreibt – vermutlich im Jahr 54 oder 55 nach Christus –, sitzt er im Gefängnis, wahrscheinlich in Ephesus. Was ihm vorgeworfen wird, ist nicht ganz klar, aber jedenfalls etwas Ernstes und die Todesstrafe steht im Raum. Zudem scheint ihm die Rückendeckung aus Teilen der örtlichen Gemeinde zu fehlen. Ja, es gab schon bessere und erfolgreichere Zeiten im Leben des Paulus. Zeiten mit Applaus im Überfluss, während er jetzt vermutlich nach Zustimmung hungert.

Das, was Paulus hier erlebt, kennt vermutlich jeder: Phasen, in denen es läuft, in denen wir beruflich und privat glücklich sind, in denen wir Anerkennung, Lob und Liebe spüren. Und Phasen voller Probleme, voller Ablehnung und Rückschläge. Wie sollen wir damit umgehen?

Paulus erwähnt in der Lesung dieses Sonntags zwei Dinge, die ihm im Auf und Ab seines Lebens wichtig sind. Erstens: sein Glaube. Und zweitens: seine Freunde.

„Alles vermag ich durch den, der mich stärkt“, schreibt er an die Gemeinde in Philippi. Ein schöner Gedanke, der umso leichter fällt, je sicherer ich bin, um Christi Willen zu leiden. Denn so sieht Paulus seine schlechte Phase ja: als eine Folge der standhaften Glaubensverkündigung, die er betreibt. „Denn im ganzen Prätorium und bei allen Übrigen ist offenbar geworden, dass ich meine Fesseln um Christi willen trage, und die meisten der Brüder sind durch meine Gefangenschaft zuversichtlich geworden im Glauben an den Herrn und wagen umso kühner, das Wort furchtlos zu sagen“, schreibt er im ersten Kapitel (1,13–14).

Nur: Was hilft das Menschen, die nicht um des Glaubens Willen leiden, sondern aus ganz weltlichen Gründen? Weil uns der Streit in der Ehe oder der Familie zermürbt; weil schwere Krankheit uns oder unsere Lieben getroffen hat; weil der Arbeitsplatz gefährdet ist; weil die Rente hinten und vorne nicht reicht; weil Dinge, die uns früher leicht von der Hand gingen, immer mühsamer werden. Es ist ein Geschenk, dann mit Paulus sagen zu können: „Alles vermag ich durch den, der mich stärkt.“

Selbst Jesus fühlte sich verlassen

Mancher wird jetzt vielleicht denken: Ja, wirklich, mein Glaube an Gott trägt mich – in guten wie in schlechten Zeiten. Andere seufzen vielleicht skeptisch oder – noch schlimmer – bekommen ein schlechtes Gewissen, weil das mit der Kraft aus dem Glauben bei ihnen gar nicht funktioniert.

Gerade denen sei gesagt: Glaube ist kein Leistungssport. Und dunkle Phasen können tatsächlich so dunkel sein, dass kein Lichtlein hindurchscheint. Denken Sie an Jesus am Kreuz. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Klingt das nach Kraft aus dem Glauben? Und wenn Jesus sich schon von Gott verlassen fühlt, ist es dann erstaunlich, dass es manch einem von uns genauso geht?

Ihnen sei aber auch gesagt: Dass wir uns subjektiv mitunter von Gott verlassen fühlen oder an seiner Existenz zweifeln, bedeutet nicht, dass es objektiv so ist. Jesus ging durch das Kreuz hindurch – wie sehr ihn sein himmlischer Vater getragen hat, konnte er vielleicht erst im Licht der Auferstehung sehen.

Und das Licht der Auferstehung scheint ja nicht nur nach dem Tod. Es scheint auch, wenn wir nach den kleinen Toden, die wir im Leben sterben müssen, wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. Vielleicht geht manchem von uns erst später auf, dass da die Kraft Gottes hindurchscheint.

Wenn Paulus sagt, dass er alles durch den vermag, der ihn stärkt, zeugt das auch von einem gewissen Realismus. Von dem Wissen, dass jedes Leben aus guten und schlechten Zeiten besteht. Das hilft, nicht abzuheben, wenn es gut läuft, nicht zu meinen, dass wegen unserer eigenen Genialität alles gelingt und dass es ewig so weitergehen wird. Es hilft aber auch dabei, in dunklen Zeiten nicht ganz zu versinken. 

Wir ahnen, dass das Licht gerade zwar verborgen ist, aber nicht verschwunden; dass es vielleicht schon einmal gelungen ist, einen kleinen Tod zu überleben – und dass es wieder gelingen wird. Und dann ist da noch etwas, das Paulus hilft: seine christlichen Brüder und Schwestern. 

Paulus schreibt: „Ihr habt recht daran getan, an meiner Bedrängnis Anteil zu nehmen.“ Gemeint ist damit, dass die Gemeinde in Philippi einen Boten zu Paulus geschickt hat, Epaphroditus heißt er. Er hat Geld mitgebracht, schließlich kann Paulus gerade nicht für sich selbst sorgen. Aber natürlich hat er auch die Anteilnahme der christlichen Gemeinde mitgebracht, die Frage, wie sie helfen kann, die Botschaft, dass sie ihn unterstützt, ganz praktisch und auch durch ihr Gebet.

Oft ist unsere Bequemlichkeit im Spiel

Es fällt nicht schwer, diese Erfahrung auf uns zu übertragen. In schweren Zeiten sind vertraute Menschen eben besonders wichtig. Und das ist nicht nur die eigene Familie. Vertraute Menschen sind auch Freunde, Nachbarn, die christliche Gemeinde. Das ist weit weniger selbstverständlich, als es klingt. Denn leider machen viele, auch viele unserer Gemeindemitglieder, die Erfahrung, dass sie wenig Hilfe bekommen, wenn es eng wird. Dass nur wenige nachfragen und Hilfe anbieten. 

Klar, oft ist Unsicherheit im Spiel. „Was soll ich sagen?“ – „So nahe stehen wir uns uns doch nicht!“ – „Vielleicht störe ich nur?“ ... Sie kennen das. Tatsächlich ist aber oft auch unsere eigene Bequemlichkeit im Spiel, sich selbst unangenehmen Situationen nicht aussetzen wollen. Ja, mitfreuen ist zweifellos leichter als mittragen.

Wahrscheinlich träumt jeder von einem sorgenfreien, leichten Leben. Vielleicht ist aber gerade das Auf und Ab wichtig. Schließlich geht es um die Fülle des Lebens. Das Paradies kommt später.

Susanne Haverkamp