50 Jahre Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Dresden-Meißen

Leben mit „Unvollkommenheit“

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Vor 50 Jahren hatte die Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum einen schweren Start. Heute ist sie ein wichtiges Angebot, das Menschen aller Altersgruppen erreicht. In Leipzig wurde jetzt gefeiert.

Fürbitten im Gottesdienst in der Leipziger Propstei.    Foto: Holger Jakobi

 

„Unsere Beratung umfasst alle Bereiche. Zu uns kommen Einzelpersonen aller Altersgruppen, die nicht mehr weiter wissen, es kommen Paare in der Krise, wir begleiten Menschen, die sich trennen wollen, es geht um Erziehungsfragen, Suizidgedanken … einfach um die ganze Bandbreite des Lebens.“ So die Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) Leipzig, Eva-Maria Ritz. Sie hatte für den 11. November zusammen mit der Abteilung Pastoral aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Leipziger Stelle zu einem bistumsweiten Fest der EFL in die Leipziger Propstei St. Trinitatis eingeladen.

Bischöfe vertrauten den Mitarbeitern
Ordinariatsrat Bernhard Dittrich, der ehemalige Leiter der Abteilung Pastoral im Bischöflichen Ordinariat, erinnerte in seiner Predigt an die schwierigen Anfangsjahre. Die Kirche habe damals ihren Blick auf eine „Kirchlichkeit“ im Sinne des Katechismus gelegt, Seelsorge war alleine die Aufgabe der Priester. Bernhard Dittrich: „Es stand die Frage im Raum, ob das Herzstück der Pastoral Laien anvertraut werden kann.“ Der Durchbruch erfolgte, als die Bischöfe ihr Vertrauen in die „Kirchlichkeit“ der neuen Mitarbeiter zum Ausdruck brachten und die Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Osten Deutschlands ermöglichten. Bischof Gerhard Schaffran machte 1972 den Anfang und rief die EFL ins Leben. Damals noch unter der Bezeichnung „Diözesane Beratungsstelle für Ehe und Familie“. Ganz bewusst wurde vom Bischof die Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Abteilung Pastoral zugeordnet. Daran hielten und halten seine Nachfolger bis heute fest. „Wir hatten immer die Unterstützung unserer Bischöfe“, freut sich Eva-Maria Ritz.
Eine Eingliederung in die Caritas, die in anderen ostdeutschen Diözesen bis auf Mecklenburg (Erzbistum Hamburg) erfolgte, gab es nicht. Eva-Maria Ritz, seit 2000 Leiterin der Beratungsstelle in Leipzig und seit 2021 Fachreferentin für alle EFL-Stellen, verweist darauf, dass bei einer Anbindung an den Caritasverband 40 bis 60 Prozent der derzeit erfolgten Beratungen nicht mehr möglich seien, da es keine staatliche Förderungen dafür gebe. „Es wäre schade, wenn wir Menschen in Not wegschicken müssen“, betont Eva-Maria Ritz. Von daher wird sie sich weiter dafür einsetzen, dass die EFL ein Teil der Abteilung Pastoral bleibe.

Lebensumstände sind begrenzt
Grüße – auch im Namen von der Pastoralleiterin des Bistums, Silke Meemken, und von Bischof Heinrich Timmerevers überbrachte Claudia Leide, Abteilungsleiterin im Bereich Kinder-Familie-Jugend. Sie würdigte die EFL und ihre Sekretariate, ohne die es nicht ginge. „Der Erstkontakt mit einem Sekretariat entscheidet, ob es zu einer Beratung kommt“, betonte Leide. Sie erinnerte an die Unvollkommenheiten des menschlichen Lebens. In der Bibel beispielsweise werde die Unvollkommenheit des Petrus aufgezeigt, sagte die Referentin. Eine Unvollkommenheit, die Jesus sieht, die aber nicht zur Trennung von Petrus kommt, sondern vielmehr zur Annahme. „Unvollkommenheit ist ein Sammelbegriff. Sie umfasst alle Sorgen und Fragen, die Menschen haben. Die Akzeptanz der Unvollkommenheit ermöglicht eine Aussöhnung und hilft, einen Zugang zu den begrenzten Lebensumständen zu finden.“
Propst Gregor Giele ging in seinem Festreferat ebenfalls auf die „Unvollkommenheit“ ein. Viel zu oft werde in der Gesellschaft im Imperativ gesprochen. Beispielsweise bei Demonstationen mit allen Forderungen, Anschuldigungen und Drohungen. Gregor Giele: „Dies führt zu einer gepflegten Differenz – sie ist die Quelle der Unzufriedenheit.“ Der Konjunktiv hingegen bewege sich im Bereich des Möglichen, lasse vieles offen und führe zu einer differenzierten Haltung. Dies, so Giele, sei für die Beratung wichtig. Zuerst müsse auf die reale Situation, die Wirklichkeit, so wie sie ist, geschaut werden, auf das, was ist, dann gehe es um Lösungen und Möglichkeiten.
Propst Giele machte deutlich, dass die EFL-Beratungsstellen eine Seelsorge von Mensch zu Mensch möglich mache. Priester hingegen seien in den großen Pfarreien die meiste Zeit mit dem Auto unterwegs, dies behindere diese Seelsorge.
Im Jahr kann die EFL in über 1000 Beratungsfällen mehr als 1600 Personen beraten. In Einzel-, Paar- und Familienberatungen werden bistumsweit 5500 bis 6000 Beratungsstunden geleistet. EFL- Beratungsstellen seien Seismographen der Gesellschaft, so Eva-Maria Ritz.

Von Holger Jakobi