Seit 25 Jahren ist Claudia Wanierke ist Pastorale Pfarrbeauftragte der Pfarrei Arnstadt
Lebensnahe Seelsorge nötig
Claudia Wanierke beim Gottesdienst anlässlich ihres 25-jährigen Sendungsjubiläums. Foto: Frank Steinbeck |
Sie möchte Menschen Angebote machen, die mit den tradierten Formen von Kirche nichts oder nur noch wenig anfangen können. „Es braucht neue Formate, nach Gott Ausschau zu halten und auf diesem Hintergrund wertschätzend und fair miteinander zu leben“, sagt Gemeindereferentin Claudia Wanierke.
Nichtchristen, aber auch manche Getaufte hätten etwa mit der heiligen Messe, überhaupt mit der liturgischen Praxis, mit so manchem der verwendeten Texte ihre Schwierigkeiten und blieben deshalb weg. „Sie haben den Eindruck, dass ihre Lebensthemen nicht vorkommen, und finden sich mit ihrem Lebensgefühl nicht wieder“, sagt Wanierke, die seit fünf Monaten Pastorale Pfarrbeauftragte der Pfarrei St. Elisabeth Arnstadt ist und im Team mit Markus Schnauß und dem Priester Jean François Uwimana die Seelsorge leitet. Andere würden sich am Daherkommen von Kirche im Blick auf die Missbrauchsfälle, hinsichtlich der Rolle der Frauen oder am Umgang mit queeren Menschen stören. Wanierke: „Ich möchte niemanden drängen, zum Gottesdienst oder anderen Angeboten zu kommen. Zugleich tut es mir aber leid, dass Menschen zum Beispiel nicht die Erfahrung eines gegenseitig Getragenseins im Gebet machen. Ihnen geht etwas verloren oder sie lernen es nie kennen.“ Es gehe „zu viel Kraft in das Aufrechterhalten des bisher Üblichen, anstatt neue Angebote zu entwickeln“, beklagt Wanierke, die im letzten Jahr ihr 25-jähriges Sendungsjubiläum in die pastorale Arbeit begehen konnte.
Wanierke kam 2012 von Mühlhausen nach Ilmenau, das heute zur Pfarrei Arnstadt gehört. Sie sieht sich als „Macherin“: „Ich arbeite gern mit Kindern und Jugendlichen, liebe den Wechsel von einem Extrem ins andere“, so die 52-Jährige. Schließlich gehe es in der Seelsorge um das ganze Leben von der Wiege bis zur Bahre, um Freude und Leid. „Total cool“ in ihrem Beruf finde sie auch, dass es immer wieder neue Aufgabenfelder gibt: In der Corona-Zeit hat sie für die Gemeindearbeit einen Youtube-Kanal genutzt und ist derzeit dabei, einen Newsletter einzurichten. Sie arbeitet in der Notfallseelsorge mit. Für besonders wichtig hält sie es, „Menschen zu helfen, ihre Gaben zu entdecken, und diese zu fördern“ – und dies im Blick auf das Miteinander in der Gemeinde und darüber hinaus.
Es braucht Verheiratete und Unverheiratete
Wanierke stammt aus Saalfeld. Zunächst absolvierte sie eine Berufsausbildung zur Feinmechanikerin mit Abitur. Ihre theologisch-pastorale Ausbildung zur Gemeindereferentin erhielt sie in Magdeburg. Wanierke lebt allein. „Ich bin bewusst nicht verheiratet. Zu mir passt das“, sagt sie, und ergänzt: „Aber ich fand es sehr gut, dass ich mich nicht ausdrücklich entscheiden musste. Ich finde es ganz wichtig, dass es beides gibt, verheiratete und nicht verheiratete Seelsorgerinnen und Seelsorger.“
„Ich liebe meinen Beruf – auch mit allen Ecken und Kannten, die er hat“, betont die Gemeindereferentin. „In dem, was ich tue, kann ich Menschen die Frohe Botschaft bringen, wie sie in der Bibel steht. Für mich persönlich fände ich es darüber hinaus sehr schön, wenn ich Priesterin sein könnte.“ Jungen Leute sage sie gern: „Wenn ihr Gott liebt und einen vielseitigen Beruf wollt, der mit Menschen zu tun hat, ist die Seelsorge das Richtige.“
Aber sie „leide“ zugleich unter vielen Dingen, verstehe manchmal biblische und theologische Aussagen anders, als das, was sie in der kirchlichen Praxis erlebt, sagt die Seelsorgerin, die auch Ausbildungen in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung und in Geistlicher Begleitung absolviert hat. „Für mich ist es zum Beispiel schlimm, dass wir in der Kirche viel von Vergebung reden, aber es etwa geschiedenen Wiederverheirateten schwer machen. Oder dass wir noch immer ein Problem darin sehen, homosexuellen Paaren den Segen für ihre Beziehung und die damit verbundene Lebensentscheidung zuzusprechen“, auch wenn da langsam was im Wandel sei. „Wir machen uns als Kirche schuldig“, sagt Wanierke. „Dabei müsste es uns am Herzen liegen, dass solche Menschen gute Entscheidungen treffen, eine tiefe Beziehung zu Gott entwickeln und so ihr Glück finden.“
Von der eigenen Hoffnung erzählen
Sie selbst habe bei Gott „immer Kraft gefunden“, sagt Claudia Wanierke, die mit sechs Jahren den Tod ihrer Mama erleben musste. „Von der Hoffnung, die ich selbst erfahren habe, möchte ich anderen immer wieder erzählen“, sagt sie. Um so mehr brauche es innovative Ideen, um Suchenden Möglichkeiten anzubieten, mit Gott in Berührung zu kommen. Suchende gebe es genug.
„Wir müssen mit unseren pastoralen Gremien entscheiden, was es weiterzuführen und wo es neue Ideen umzusetzen gilt“, sagt Wanierke. Bereits ausprobierte Formen in der Pfarrei seien „Picknick mit Gott“ (Picknick mit Musik und spirituellen Impulsen), Gottesdienste an ungewohnten Orten zum Beispiel als Gemeindewallfahrt oder Pilgerreise und „Kirche kunterbunt“ als Tagesangebot für Kinder und Angehörige. Ein gutes Format, das „nach wie vor super läuft“, seien auch die Religiösen Kinderwochen, betont die Seelsorgerin. An ihrer früheren Wirkungsstätte Mühlhausen seien auch gemeindliche Krippen-, Passionsspiel- und Musical-Inszenierungen ein gefragtes Format gewesen.
„Schaffen wir es, das, wofür wir brennen, in neue Formen zu bringen und Menschen dazu einzuladen?“, fragt die 52-Jährige. „Wenn uns das gelingt – und das ist die Herausforderung für unsere Generation – setzen auch Menschen wieder ihr Leben dafür ein, den Glauben weiterzutragen.“
Von Eckhard Pohl