Sonntagsarbeit

Maloche am Tag des Herrn

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Es wird mehr und mehr in Niedersachsen am Sonntag gearbeitet. Industrie- und Handwerksunternehmen nutzen Öffnungsklauseln. Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung sieht diese Entwicklung mit Sorge.

Arbeit am Sonntag. Die Tendenz in Niedersachsen steigt deutlich | Foto: Wala
Arbeit am Sonntag. Die Tendenz in Niedersachsen steigt deutlich | Foto: Wala

Für Andreas Hippe war es lange Zeit eher ein Gefühl: „Ich habe mehr und mehr den Eindruck gewonnen, dass immer mehr Menschen am Sonntag arbeiten müssen“, sagt der Vorsitzende des Diözesanverbandes der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung im Bistum Hildesheim.  Jetzt wird dieser Eindruck mit harten Tatsachen untermauert: So hat das zuständige Landessozialministerium 2017 insgesamt 3462 Anträgen auf Sonn- oder Feiertagsarbeit durch niedersächsische Unternehmen zugestimmt. Zum Vergleich: Vor zehn  Jahren waren es noch 2192. Rechnerisch ein Zuwachs um 60 Prozent.

Zuletzt hatten vor allem zwei Fleischbetriebe im Landkreis Cloppenburg für Aufsehen gesorgt: Sie wollten ihre Mitarbeiter am zweiten Weihnachtstag Schweinehälften zerlegen lassen. Ein Betrieb hatte bereits eine Ausnahmegenehmigung des Gewerbeaufsichtsamtes Oldenburg erhalten. Nach Protesten von Gewerkschaften und Kirche wurden die Anträge auf Feiertagsarbeit zwar zurückgezogen „Doch das grundsätzliche Problem, dass Sonn- und Feiertage ausgehölt werden, bleibt“, meint Hippe.

Mehr Sonntagsarbeit in ganz Deutschland

Auch bundesweit setzt sich dieser Trend fort: Zwischen Flensburg und Garmisch ist der Anteil an Sonn- und Feiertagsarbeit von 12,3 Prozent im Jahr 2006 auf knapp 14 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Diese Zahlen hat das Bundesarbeitsministerium vor kurzem veröffentlicht.

Unternehmen aus Industrie und Handwerk können laut Arbeitszeitgesetz unter bestimmten Voraussetzungen entsprechende Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe beantragen. Zum Beispiel, um volle Auftragsbücher abzuarbeiten. Für 16 Arbeitsbereiche gibt es eine grundsätzliche Ausnahmegenehmigung. Das fängt bei Arbeiten an, die notwendig sind, also „Not wen- det“: Beispielsweise Feuerwehr, Polizei, Alten- und Krankenpflege oder Energie- und Wasserver- sorgungsbetriebe. Sie arbeiten trotz Sonntag. Dann gibt es noch die Branchen, die für den Sonntag arbeiten: Gaststätten, Hotels, Volksfeste, Museen, Kino, Theater, Vergnügungsparks und auch kirchliche Bildungshäuser. Sie sind tätig, damit andere Menschen das genießen können, was den Sonntag auch ausmacht: gemeinschaftlich verfügbare Zeit auch miteinander zu nutzen.

Doch genau der Ruhe- und Gemeinschaftscharakter von Sonn- und Feiertagen geht nach Meinung von Hippe verloren: „Natürlich sind volle Auftragsbücher gut für die Wirtschaft – aber es kann nicht sein, dass je nach Auftragslage die Mitarbeiter bis zum Umfallen arbeiten müssen.“ Arbeit müsse sinnvoll verteilt werden –  dazu gehört auch nicht nur über einen Fachkräftemangel zu klagen, sondern konsequent aus- und fortzubilden. „Das wäre eine gemeinsame Anstrengung wert“, findet Hippe.

Schattenseiten der Arbeitswut

Die Arbeitswut am Sonntag hat für den KAB-Vorsitzenden gravierende Schattenseiten: „Die Klage über zu viel Stress und Burn-Out wird doch immer größer.“  Übermäßige Arbeitsverdichtung, zu lange Arbeitszeiten und ausbleibende Pausen machen nach den Worten von Hippe definitiv krank. 

Allerdings wirke auch Arbeit zu sozial wertvollen Zeiten negativ auf die Gesundheit. Nach vorliegenden Zahlen sind etwa 15 Prozent der Krankheitstage von Arbeitnehmern auf psychische Störungen zurückzuführen. Außerdem steigt die Zahl derer, die wegen einer psychischen Erkrankung vorzeitig in Rente gehen müssen. Lag deren Anzahl im Jahr 2000 noch bei 50.000 Krankmeldungen, waren 2014 laut Deutscher Rentenversicherung bereits 75.000 Menschen betroffen: „Das zeigt, wie wichtig uns der Sonntag, wie wichtig uns der Feiertag sein sollte.“

Sicher: Sonntagsarbeit mag wegen der Zuschläge für Arbeitnehmer durchaus attraktiv sein. Das weiß auch Andreas Hippe. Allerdings müsse gegengerechnet werden, welcher Preis für Maloche am Tag des Herrn wirklich gezahlt wird.

Rüdiger Wala