Elisabeth-Empfang 2022 des Bistums Erfurt

Menschen als Menschen sehen

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Vertreter aus Politik und Gesellschaft kamen auf Einladung von Bischof Ulrich Neymeyr zum Elisabeth-Empfang in Erfurt zusammen. In seiner Ansprache ging der Bischof vom Motto des Katholikentages 2024 in Erfurt aus.

Bischof Ulrich Neymeyr spricht als Gastgeber in der Erfurter Brunnenkirche zu Vertretern aus Politik und Gesellschaft.    Foto: Eckhard Pohl

 

„Zukunft hat der Mensch des Friedens.“ Dieses Motto des Katholikentages 2024 in Erfurt ist zunächst einmal eine „provokante Aussage“. Sie fordert schnell die Rückfrage heraus, ob das denn so stimmt mit der hoffnungsvollen Perspektive für den, der den Frieden zu leben versucht, sagte Bischof Ulrich Neymeyr beim diesjährigen Elisabeth-Empfang in der Thüringer Landeshauptstadt. Derartige Rückfragen seien jedoch gerechtfertigt und böten viel Anlass zu hoffentlich fruchtbaren Diskussionen unter Christen, aber auch im Blick auf die gesellschaftliche Meinungsbildung, so Neymeyr vor Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Kirche.
Beim Stichwort „Zukunft“, dem ersten Wort des Katholikentags-Mottos, klingt für den Bischof die Frage nach der ökologischen Perspektive genauso an wie die nach der Zukunft der jungen Menschen. Leider werde auf beiden Feldern noch viel zu wenig getan. „Das gesellschaftliche Engagement für die Bildung junger Menschen“, so Neymeyr, „hat nicht den Stellenwert, der ihm gebührt …“ Bei Neubauten oder Sanierungen von Kindergärten und Schulen etwa müsse um jeden Euro gefeilscht werden. Der Mangel an Lehrkräften sei eklatant. „Kindergärten werden in Sonntagsreden als Orte frühkindlicher Bildung bezeichnet, in der Praxis muss es allzu oft genügen, wenn die Kinder dort betreut sind. Das gilt auch für die Schulen in der außerunterrichtlichen Betreuung.“ Hier sei ein „Dreifach-Wumms“ für die Bildung nötig, verlangte der Bischof.

Antisemitismus und Hass nehmen zu
Zentral im Motto des Katholikentages sei das Wort „Mensch“, so Neymeyr weiter: „Im Mittelpunkt steht der Mensch, unabhängig von seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, Religion oder geschlechtlichen Orientierung“. Gerade bei letzterem müsse auch die katholische Kirche noch lernen. In vielen aktuellen Debatten sei „immer wieder dazu zu mahnen, Menschen als Menschen zu sehen“. Dann wäre jedem Rassismus oder Antisemitismus, wie er als „wachsendes gesellschaftliches Phänomen“ zu beobachten sei, „die Grundlage entzogen“. Auch der Hass gegen Sinti und Roma nehme zu: „Auch in Thüringen haben Menschen gesagt, wir nehmen gern Ukrainerinnen und Ukrainer bei uns auf, aber keine Zigeuner. Dabei sind die Roma wie alle anderen auch ukrainische Flüchtlinge. Auch geflüchtete Menschen sind zunächst und zuerst Menschen.“ Das dürfe in Asyl-Debatten nie vergessen werden, betonte Neymeyr. Zuletzt sei im Kahtolikentags-Motto das Wort Frieden enthalten, das nicht zuletzt angesichts des Ukraine-Krieges neu bedacht werden müsse, wenn es etwa darum geht, der Ukraine Waffen zu liefern.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigte sich in seinem Grußwort besorgt, dass sich Menschen angesichts der vielen aktuellen Probleme überfordert fühlen: „Wer keine Orientierung hat und die Hoffnung nicht mehr in sich fühlt, die Krisen bewältigen zu können, der neigt dazu, für manchmal sehr seltsame Dinge anfällig zu sein.“ Manches, was sich bei den Montags- und anderen Demonstrationen abspiele, habe etwas von „ersatzreligiösen Handlungen“. Dagegen sei kaum anzuargumentieren.
„Ich lebe davon“, so der evangelische Christ Ramelow, „dass ich das Stück Gottvertrauen in mir spüre, dass wir die gestellten Probleme lösen können.“ Er habe schon die Erfahrung gemacht, dass Glaube Berge versetzen kann. „Wir sollten nicht in die Knie gehen vor der Höhe des Berges, der vor uns steht“, betonte Ramelow. Wichtig sei, gemeinsam durch diese schwere Zeit zu gehen. Auch früher hätten Menschen Krisen durchgestanden.
Landtagspräsidentin Birgit Pommer würdigte die Beteiligung des Bistums an der bundesweiten Feier des Tages der Deutschen Einheit vom 1. bis 3. Oktober, die diesmal in Erfurt stattfand. „Ohne das Mitwirken der katholischen Kirche wäre es nicht so ein gelungenes Fest geworden“, betonte die Landtagspräsidentin. Unter anderem hatte im Mariendom der ökumenische Festgottesdienst mit vielen Vertretern aus Politik und Gesellschaft stattgefunden. Pommer würdigte auch, dass die beiden großen Kirchen die Mehreinnahmen an Kirchensteuer, die sie durch die Energiepreispauschale vom September erzielen, Menschen zukommen lassen, die angesichts der hohen Energiepreise und Inflation in Not geraten. Neben der konkreten Hilfe für in Not geratende Menschen hält es die Landtagspräsidentin für dringend erforderlich, das demokratische Verständnis unter den Menschen zu stärken. Das sei eine Aufgabe von Politik und Kirche und aller Menschen im Land.

Zusammenstehen im Dienst an den Menschen
Viele Menschen wünschten sich angesichts der vielen aktuellen Krisen, „dass es wieder so wird wie früher“, hatte der Leiter des Katholischen Büros in Thüringen, Ordinariatsrat Claudio Kullmann, zu Beginn des Elisabeth-Empfangs in der Erfurter Brunnenkirche gesagt. Dies werde wohl im Gegensatz zu manchen, die das für machbar erklären und damit auf Stimmenfang gehen, so nicht eintreten. Es sei aber ermutigend, dass es sich in Thüringen „viele nicht einfach machen und nicht kapitulieren wollen“, sondern sich für das Gemeinwohl engagieren, betonte Kullmann. „Es ist schön, dass wir an einem solchen Abend zusammenstehen und uns stärken in unserem Bemühen um die Menschen.“
Dem Empfang war eine Andacht vorausgegangen. Dabei ermutigte Weihbischof Reinhard Hauke dazu, Jesu Rat zur „Feindesliebe als Weg zum Frieden und zu einem guten Miteinander“ nicht außer acht zu lassen. Dies gelte auch in einer Zeit, in der dieser Gedanke in den Hintergrund trete, da der Krieg Russlands gegen die Ukraine gestoppt werden müsse. Hauke: „Lassen wir uns nicht unterkriegen. Besiegen wir das Negative. Glauben wir weiter an die Macht des Guten hier und im Himmel!“
Der Elisabeth-Empfang fand wegen des Ad-limina-Besuchs der Bischöfe in Rom diesmal bereits am 10. November und nicht erst um das Fest der heiligen Elisabeth am 19. November statt.

Vortrag von Bischof Ulrich Neymeyr

Ansprache von Weihbischof Reinhard Hauke

Von Eckhard Pohl