Diskussion um die Segnung homosexueller Paare

Menschliche Wertschätzung

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Theologe Benedikt Kranemann schaltet sich in die Diskussion um die Segnung homosexueller Paare ein und fordert, diese nicht zu diskriminieren. Sein Standpunkt: „Segen zu verweigern ist theologisch problematisch.“


Ein protestantischer Pastor segnet zwei Frauen, die eine Lebenspartnerschaft eingehen wollen. | Foto: kna

 

In die kontroverse katholische Debatte über mögliche Segnungen von homosexuellen Paaren kommt Bewegung. Angeregt hat die Diskussion der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Doch was sind die theologischen Pros und Contras? Was muss in der Debatte bedacht werden? Die Katholische Nachrichten-Agentur (kna) fragte beim Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann nach.

Herr Professor Kranemann, mit welcher theologischen Begründung lehnt die katholische Kirche eine Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ab?

Man befürchtet, es könnte automatisch eine Lebensform gutgeheißen werden, die man theologisch ablehnt. Es ist ja so: Der Katechismus verbietet ganz klar eine Diskriminierung von homosexuellen Menschen. Insofern lehnt die Kirche nicht den Menschen als solchen ab, durchaus aber gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Sie beruft sich auf Bibel und Tradition und führt als Begründung an, dass in solchen Beziehungen keine Weitergabe des Lebens, also die Zeugung von Kindern möglich ist. Deshalb sind homosexuelle Paare nach der Lehre der katholischen Kirche vom Sakrament der Ehe ausgeschlossen.

Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann | Foto: kna

Aber es geht ja hier nicht um das Sakrament, sondern um einen Segen ...

In der Tat gibt es bislang noch keine wirkliche theologische Diskussion in der Kirche, in welcher rituellen Form die Heilszusage Gottes – das meint ja der Segen – für diese Paare ausgedrückt werden kann. Ich finde es theologisch problematisch, wenn man den Segen abhängig macht von der moralischen Bewertung menschlichen Verhaltens. Bei traditionellen Autosegnungen beispielsweise werden die Fahrer ja auch unabhängig von ihrem Fahrverhalten gesegnet. Der Kirche ist aufgetragen, den Segen Gottes als Zusage weiterzugeben. Der Gesegnete soll aus dem, was ihm zugesprochen worden ist, leben.

Wie beurteilen Sie die Argumentation, dass man einer Verwechslung mit dem Sakrament der Ehe vorbeugen will?

Das kann ich nicht nachvollziehen, zumal es diese Sorge in anderen Bereichen nicht gibt: Wir haben das Sakrament der Taufe, und gleichzeitig werden in vielen katholischen Krankenhäusern Segnungsfeiern für Neugeborene angeboten. Das nehmen konfessionslose Eltern sehr gerne an, und ihnen bedeutet dieser Segen für ihr Kind sehr viel. Es ist ein pastorales Angebot, das der pluralen Lebenswirklichkeit der Menschen und ihrem Bedürfnis nach Stärkung gerecht wird. Die Kirche hat vielfältige Erfahrungen, wie man eine solche Unterscheidbarkeit gewährleistet.

Kann man eine Segnung als eine Art „Vorstufe“ zum Sakrament verstehen? Ließe sich daraus ein Automatismus ableiten?

Segnungen sind vielfältig, manche führen auf ein Sakrament hin, andere ruhen einfach in sich selbst. Der Segen muss nicht automatisch oder zwangsläufig eine Vorstufe zum Sakrament sein. Wir sollten aufpassen, dass wir nicht gleich eine Abwertung vornehmen, wenn wir sagen, es sei ja „nur“ ein Segen. Für Menschen, die um diesen Segen bitten, geht es um etwas sehr Bedeutsames.

Was bedeutet es theologisch, jemandem, der um einen Segen bittet, diesen zu verweigern?

Wenn ich Segen so verstehe, dass damit jemandem die Nähe Gottes zugesprochen wird, damit Leben gelingen kann, dann bringt das auch die Abhängigkeit des Menschen mit all seinen Lebensbezügen von Gott zum Ausdruck. Menschen die Zusage der Gnade Gottes vorzuenthalten, ist sehr schwierig. Ich halte es theologisch für höchst problematisch, wenn man Menschen solch einen Segen abspricht, den sie für sich als notwendig erachten. Menschen haben auch ein Recht darauf, dass ihnen die Gnade Gottes zugesprochen wird, wie der Pastoraltheologe Ottmar Fuchs in seinen jüngsten Studien ausführt. Außerdem entfremdet solch eine Vorenthaltung auch die Menschen von Gott. Mit dieser Frage müssen sich Kirche und Theologie sehr ernsthaft auseinandersetzen.

In vielen Bistümern werden zum Valentinstag Segnungsgottesdienste „für Liebende“ angeboten. Das ist sehr offen formuliert. Nutzen auch homosexuelle Paare dieses Angebot?

Das weiß ich nicht. So oder so gilt aber: Wir müssen uns in der Debatte über solche Segnungen auch Gedanken machen, welche Form, welche Ritengestalt sie haben sollen, welche Zeichen und Symbole sinnvoll, welche angemessen sind. Hier sind Kirche und Theologie gefordert.

Was ist Ihre Empfehlung für die Debatte?

Die theologische Diskussion muss ernsthaft, sachlich und offen, aber auch zügig geführt werden – schließlich geht es um menschliche Wertschätzung und pastorale Verantwortung. Ausgangspunkt sollte dabei sein, dass der Katechismus eine Diskriminierung von Homosexuellen verbietet. Auch Papst Franziskus betont das ausdrücklich. Ich finde gut, dass Bischof Franz-Josef Bode, immerhin stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, das Thema in Deutschland anschiebt. Es gibt gesellschaftliche Veränderungen und Herausforderungen, etwa durch die neue „Ehe für alle“, es gibt veränderte theologische Einschätzungen mit Blick auf Homosexualität, und die Kirche ist hier in einem guten Lernprozess.

Karin Wollschläger (kna)

Meinung: Kein Versehen Gottes
Früher waren Seelsorger schneller bei der Hand mit vermeintlich guten Ratschlägen für homosexuelle Christen: „Gründe eine Familie, dann gibt sich das!“ ... An den Folgen leiden manche solchermaßen Beratene noch in der nächsten Generation.
Den klaren Ansagen ist Unsicherheit gewichen. Ihren Platz in der Kirche zu finden, ist damit für Betroffene aber kaum einfacher geworden. Vergeblich suchen sie nach hilfreichen Begleitern durch die Glaubenskrise, die oft mit ihrem Ringen um die sexuelle Ausrichtung einhergeht. „Hatte Gott einen schlechten Tag, als er mich schuf? Wenn es so wäre: Wie kann ich an seine persönliche Liebe glauben? Sollte er mich hingegen genau so gedacht haben wie ich bin: Auf welche Weise kann ich Zeugnis von seiner Liebe geben?...“
Von Segnungen für homosexuelle Paare könnte ein deutliches Signal ausgehen: „Ihr seid von Gott gewollt und geliebt, und wir lassen euch nicht allein!“ Wünschenswert wäre, dass in Gemeinden zugleich persönliche Begegnungen und Glaubensgespräche gefördert werden.
Es verwundert nicht, dass Christen unsicher und abwehrend reagieren, wenn sie Homosexualität nur vom Christopher-Street-Day oder aus schrillen, schamlosen Fernsehauftritten kennen, bei denen jeglicher Unterschied zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft geleugnet wird.
Wenn sie Homosexuelle hingegen als Glaubensgeschwister kennenlernen, kann das für alle durchaus bereichernd sein.

Dorothee Wanzek