Neue Gemeindereferenten im Bistum Dresden-Meißen

Mit dem Blick von außen

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Esperanza Spierling (49) und Oliver Cabrera (35) werden am 6. September als neue Gemeindereferenten in den Dienst des Bistums gesendet. Die Lebensgeschichten beider unterscheiden sich von dem, was bisher für Mitarbeiter der katholischen Kirche in Ostdeutschland typisch war.

Mitarbeiter, die einen „Blick von außen“ einbringen, können für die Kirche bereichernd sein.

 

Esperanza Spierling ist als Säugling getauft worden. Das war in ihrer spanischen Heimat so üblich. Die folgenden 38 Jahre ihres Lebens hat sie keinen katholischen Gottesdienst mehr miterlebt. Ihr Vater, ein Deutscher, war in jungen Jahren aus der Kirche ausgetreten. Ihre spanische Mutter war kirchen-distanziert. Sie hatte mitbekommen, wie die eigenen Eltern als geschieden wieder Verheiratete ausgegrenzt wurden. Esperanza und ihre Schwester sollten einmal ihren eigenen Glaubensweg suchen, wünschten sich die Eltern.
Beruflich führte der Weg die junge Frau nach der Schule zur modernen Kunst. Sie studierte in Mainz, Hamburg und Leipzig Kunst und Fotografie und hatte als Künstlerin Erfolg.
Vor elf Jahren wurde sie von einer überraschenden religiösen Erkenntnis ergriffen, die ihr Leben tiefgreifend veränderte. Bereits ein Jahr zuvor hatte  ihr „Damaskuserlebnis“ seine Schatten vorausgeworfen. Der krebskranke Mann einer gläubigen Freundin war gestorben. Auf der Zugfahrt zur Beerdigung dachte Esperanza Spierling darüber nach, was sie der Freundin in dieser schweren Situation sagen könnte. Die Fröhlichkeit, mit der sie am Bahnhof empfangen wurde, irritierte sie. „Ich kann jetzt nicht traurig sein“, erklärte die Freundin, „es geht meinem Mann doch endlich gut. Er ist im Himmel.“

Esperanza Spierling

„Obwohl ,Himmel‘ damals für mich kein passendes Konzept war, hatte ich in diesem Moment keinen Zweifel, dass er dort sein musste“, erinnert sich die angehende Gemeindereferentin. Im Jahr darauf versetzte sie ein unsicherer ärztlicher Befund in große Aufregung. Unvermittelt fasste sie einen Entschluss: „Wenn alles in Ordnung sein sollte, zünde ich in der Thomaskirche eine Kerze an!“ Als sie dort ankam, probten die Thomaner zufällig gerade das Weihnachtsoratorium. Während sie in der Kirche saß und die Musik genoss, wuchs in ihr eine starke innere Gewissheit: „Gott weiß schon längst, was du ihm sagen willst. Er war schon immer bei dir und wird immer bei dir sein.“ Als sie die Kirche wieder verließ, war ihr, als schwebte sie über dem Boden. Die Gewissheit, dass Gott wirklich ist, war überwältigend stark. Da auch ihr Misstrauen stark war, das Ganze könnte eine Einbildung sein, wartete sie ein weiteres Jahr, bis sie sich zugestand, dem nachzugehen. „Ich hätte eine geistliche Begleitung gebraucht“, sagt sie im Rückblick, „aber ich wusste ja gar nicht, dass es so etwas gibt.“ Sie begann, sonntags in die heilige Messe zu gehen, mit einem Spickzettel in der Hand, um sich in der völlig fremden Liturgie halbwegs zurecht zu finden. Es wunderte sie, dass niemand sie jemals ansprach, wo doch offensichtlich war, wie fremd sie war.  Als sie eines Tages den Gottesdienst der Leipziger Basisgemeinde St. Hedwig besuchte, war das ganz anders: „Pater Gräve begrüßte mich schon am Eingang persönlich, am Ausgang lud mich jemand zum Bibelkreis ein.“ Zu dieser Basisgemeinde gehört sie noch heute. Ihre beiden Kinder – heute 13 und 15 Jahre – sind mit ihr gemeinsam wie selbstverständlich in den Glauben hineingewachsen.
Ihre Kunst veränderte sich in Folge ihrer Erfahrung, und in ihr wuchs das Bedürfnis, mit Menschen zu arbeiten anstatt allein für sich im Atelier. Sie begann, in Erfurt Theologie zu studieren und wurde im Bistum Dresden-Meißen für die Ausbildung als Gemeindereferentin aufgenommen. Ihre berufspraktischen Erfahrungen machte sie in den pastoralen Verantwortungsgemeinschaften im Leipziger Süden und Norden. Ihrer Berufung am nächsten hat sie sich während ihrer Praktika in Gefängnissen gefühlt. „Mir schien, dort bin ich bei den Menschen, zu denen auch Jesus immer gegangen ist. Und ich habe gemerkt, wie wichtig es für viele ist, mit jemandem zu sprechen, ohne dass es anschließend darüber Vermerke in ihrer Akte gibt.“ Diesen Weg möchte sie nach ihrer Sendung neben einer halben Stelle in der Pfarrei Philipp Neri im Leipziger Westen gerne durch zusätzliche Praktika und eine Spezialausbildung weiter verfolgen. Auch wenn sie ihren Platz nun mitten in der Kirche hat, fühlt sie sich den Außenstehenden innerlich ganz nahe.
Die Kunst hat sie zwar aufgegeben, weil sie das Gefühl hatte, sich ihr nur „ganz oder gar nicht“ widmen zu können. Dass der Umgang mit Bildern zu ihrem Wesen  gehört, bleibt aber auch in ihrer seelsorglichen Arbeit spürbar. Zum Abschluss ihrer Ausbildung regte sie zum Beispiel in der Pfarrei St. Georg Kreuzwegandachten an, bei denen die Teilnehmer sich mit Kamera und geistlichen Impulsen durch ihr Stadtviertel bewegen.

„Wir sollten nicht länger die ,Macher‘ sein“
Oliver Cabreras Berufungsweg begann in seiner lateinamerikanischen Heimat. „Ich wollte die Welt verändern und die Kirche mitgestalten“, erinnert sich der Nicaraguaner. Nach dem Abitur trat er deshalb als Postulant in den Orden der Schulbrüder von la Salle ein. Er war bei den Brüdern in die Schule gegangen, und sie hatten ihn fasziniert und in vielerlei Hinsicht inspiriert. Nach zweieinhalb Jahren Ordensleben in Guatemala war ihm aber klar, dass er für sein Leben eine größere Freiheit brauchte.
Oliver Cabrera

Er brach das Lehramtsstudium in Theologie ab, das er dort begonnen hatte, und kehrte in seine nicaraguanische Heimatstadat León zurück. Die Schulbrüder boten ihm dort an, am Gymnasium Religionsunterricht zu geben. Parallel studierte er Tourismusmanagement. Bei einem Besuch in Leóns Partnerstadt Hamburg hatte er eine deutsche Freundin gefunden, die ihm nach Nicaragua gefolgt war. Als sie nach drei Jahren wieder zurück wollte, ging er mit, auch wenn er sein Studium noch nicht abgeschlossen hatte. Sich auch in Deutschland für die Kirche zu engagieren, war ihm wichtig. Er meldete sich in einer Gemeinde im Norden der Stadt und wurde dort sogleich als Helfer für eine Ferienfreizeit in Ameland eingespannt. Dass er damals noch kein Deutsch konnte, sah der Pfarrer nicht als großes Manko: „Das lernst du schnell!“ Dauerregen bot Oliver Cabrera während der Freizeit die Gelegenheit, sein besonderes „Händchen“ für Kindergruppen unter Beweis zu stellen: „Kinder zu begeistern, gelingt mir leicht, und wenn ich Spiele anleite, sind in der Regel alle Generationen fröhlich mit von der Partie“, erzählt er. Wieder zu Hause, hatte der junge Neu-Hamburger einen Minijob in der Tasche, im Jahr darauf war er mit einer halben Stelle als Gemeindehelfer angestellt. Sieben Jahre lang behielt er diesen Job in drei Gemeinden einer entstehenden Großpfarrei und absolvierte zugleich ein Fernstudium der Theologie in Würzburg.
„Eigentlich machte ich seit Jahren all das, was auch Gemeindereferenten tun, nach Abschluss des Studiums wollte ich wirklich Gemeindereferent werden“, sagt Cabrera. Seiner neuen Liebe wegen bewarb er sich 2016 im Bistum Dresden-Meißen. Nach einem Jahrespraktikum in Connewitz, einem Berufspraktischen Jahr in Zwickau und zwei Jahren Gemeindeassistenz in Dresden-Ost ist sein neues Einsatzgebiet nun die Leipziger Pfarrei St. Georg.
Durch vielfältige Erfahrung in unterschiedlichen Gemeinden fühlt sich der angehende Gemeindereferent gut gerüstet für seine künftigen Aufgaben. Aus seiner Herkunftskultur bringt er eine gute Portion Spontaneität mit und ein zuversichtlicher Blick in die Zukunft: „Mit Gottes Hilfe wird schon alles gut werden.“ Gerne erzählt er von einer abgelegenen Basisgemeinde, die er in Guatemala kennengelernt hat: „Nur ein bis zweimal im Jahr bekamen sie Besuch vom Pfarrer. Sie haben alles selbstständig organisiert. Nirgendwo sonst habe ich in einer Gemeinde eine solch tiefe Glaubensüberzeugung angetroffen!“ Gemeinden müssen ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen, ist seine Überzeugung. „Wir alle gemeinsam sind Kirche“, betont er. Als Hauptamtlicher möchte er in der Kirche nicht der „Macher“ sein, sondern unterstützend und begeitend wirken.

Zur Sache: Auch per Video mitzuerleben
Bischof Heinrich Timmerevers wird die neue Gemeindereferentin und den neuen Gemeindereferenten im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes am 6. September um 15 Uhr in der Leipziger Propsteikirche in den Dienst senden. Da die „Neuen“ beide das Spanische als Muttersprache haben, wird es auch zwei spanische Lieder und  kurze Schlussworte in dieser Sprache geben. Wegen der begrenzten Plätze wird der Gottesdienst auch im Livestream übertragen. So können auch die Familienangehörigen aus Spanien und Nicaragua die Feier mitverfolgen.
www.propstei-leipzig.de

 
Von Dorothee Wanzek