Sorbischer Brauch des Ostersingens
Mit Gesang in den Ostertag
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Die Sorben sind bekannt für ihr reiches Brauchtum, besonders zu Ostern. Im evangelischen Kirchspiel Schleife pflegen Frauen und junge Mädchen wieder den Brauch des Ostersingens.
Am Ostermorgen vor der Kirche in Schleife: Sorbische Frauen und Mädchen verkünden singend die Auferstehungsbotschaft. | Foto: Karsten Nitsch/Spreefotograf |
Fünf Uhr am Ostermorgen kurz vor Sonnenaufgang: An der Kirche in Schleife versammeln sich Frauen und Mädchen in traditioneller sorbischer Tracht, wie sie hier im Ort üblich ist. Sie nehmen auf den Singebänken nahe der Kirche Platz und verkünden mit Liedern die frohe Botschaft der Auferstehung Jesu Christi: „Na prěnim dnju po soboće“ (Am ersten Tag nach Sonnabend) – wie einer der Auferstehungschoräle heißt.
Die Tracht muss genau stimmen
Seit 2014 pflegt der Verein Kólesko (Spinnrad), wieder die Tradition des Ostersingens. Vereinsmitglied Elvira Rathner: Die Sängerinnen tragen die typische Halbtrauertracht wie sie im Schleifer Kirchspiel üblich ist. „Die Tracht muss genau stimmen: ein grüner Rock, weiße Schürze, dicke schwarze Jacke, grüne Haube, weiße Kinnschleife, die Lapa (schwarzes Wolltuch) und ein schwarzes Stirnband als Zeichen der Trauer.“
„Wann der Brauch entstand, ist nicht nachweisbar“, sagt Kólesko-Vorsitzender Hartmut Hantscho. „Tatsache ist: Das Singen stammt aus der Zeit der Flurbegehung. Es ging um das Abschreiten und Abstecken der Felder. Die erste nachweislich niedergeschriebene Grenzfestlegung der Flure bei uns im Kirchspiel geschah im Jahr 1864 im Zuge der Regulierung der gutsherrlichen, bäuerlichen Verhältnisse zwischen dem Besitzer der Standesherrschaft Muskau und den bäuerlichen Wirten zu Schleife.“ Das Singen, so betont Hantscho, gehörte damals nicht nur zu Ostern, sondern prägte das gesamte Kirchenjahr. Zu vielen Anlässen sangen die jungen Mädchen – von der Fastenzeit bis zu den herbstlichen Abenden in den Spinnstuben“, sagt Elvira Rathner. Gesungen wurde auch zu Hochzeiten, bei Trauerfällen und bei der Feldarbeit.
Über die Tradition des Ostersingens schrieb um 1900 Mathäus Handrik (Pfarrer in Schleife von 1892 bis 1934): Mit 18 Jahren traten die jungen Frauen in die Singegemeinschaft des jeweiligen Ortes ein, mit 28 Jahren schieden sie wieder aus. Wer „unehrenhaft“ war (zum Beispiel ein uneheliches Kind hatte), durfte nicht mitsingen. In jedem Ort des Kirchspiels war der Brauch des Ostersingens fest verwurzelt. Dabei gab es genaue Vorgaben für die Lieder. Von Mitternacht an bis in den frühen Morgen hinein sangen die Frauen vor den Häusern. An den Singebänken bei der jeweiligen Kirche hielten sie zum Abschluss inne. Dort endete traditionell das Ostersingen.
Hartmut Hantscho: „Allein in Schleife gab es – bedingt durch die Größe des Ortes – zwei kleine und zwei große Gruppen. Stets führte eine Kantorka (Vorsängerin) die jeweilige Gruppe an. Kantorka wurde jene Frau, die am besten singen und anstimmen konnte und die Liedtexte sicher beherrschte.“ Bis 1956 – mit Unterbrechung in den Kriegs- und Nachkriegsjahren – lebte der Brauch des Ostersingens in Schleife. Stets freuten sich die Einwohner darauf. „In jenen Häusern, wo sich ein ,freudiges Ereignis‘ ankündigte, wurde etwas mehr gesungen. In jenen Häusern, wo es Trauerfälle gab, wurde auf das Halleluja verzichtet.“
1993 wurde der Brauch auf Initiative von Lenka Noack in zum Kirchspiel Schleife gehörenden Rohne wieder belebt. Sie gründete die Gesangsgruppe „Schleifer Kantorki“. Kurz nach dem letzten Läuten der Kirchenglocken zogen die Sängerinnen los von Haus zu Haus. Früh am Morgen endeten sie in Rohne an den Singebänken. Es folgte die Auferstehungsfeier in der Friedhofskapelle.
Seit 2014 pflegt der Verein Kólesko (Spinnrad), wieder die Tradition des Ostersingens. Vereinsmitglied Elvira Rathner: Die Sängerinnen tragen die typische Halbtrauertracht wie sie im Schleifer Kirchspiel üblich ist. „Die Tracht muss genau stimmen: ein grüner Rock, weiße Schürze, dicke schwarze Jacke, grüne Haube, weiße Kinnschleife, die Lapa (schwarzes Wolltuch) und ein schwarzes Stirnband als Zeichen der Trauer.“
„Wann der Brauch entstand, ist nicht nachweisbar“, sagt Kólesko-Vorsitzender Hartmut Hantscho. „Tatsache ist: Das Singen stammt aus der Zeit der Flurbegehung. Es ging um das Abschreiten und Abstecken der Felder. Die erste nachweislich niedergeschriebene Grenzfestlegung der Flure bei uns im Kirchspiel geschah im Jahr 1864 im Zuge der Regulierung der gutsherrlichen, bäuerlichen Verhältnisse zwischen dem Besitzer der Standesherrschaft Muskau und den bäuerlichen Wirten zu Schleife.“ Das Singen, so betont Hantscho, gehörte damals nicht nur zu Ostern, sondern prägte das gesamte Kirchenjahr. Zu vielen Anlässen sangen die jungen Mädchen – von der Fastenzeit bis zu den herbstlichen Abenden in den Spinnstuben“, sagt Elvira Rathner. Gesungen wurde auch zu Hochzeiten, bei Trauerfällen und bei der Feldarbeit.
Über die Tradition des Ostersingens schrieb um 1900 Mathäus Handrik (Pfarrer in Schleife von 1892 bis 1934): Mit 18 Jahren traten die jungen Frauen in die Singegemeinschaft des jeweiligen Ortes ein, mit 28 Jahren schieden sie wieder aus. Wer „unehrenhaft“ war (zum Beispiel ein uneheliches Kind hatte), durfte nicht mitsingen. In jedem Ort des Kirchspiels war der Brauch des Ostersingens fest verwurzelt. Dabei gab es genaue Vorgaben für die Lieder. Von Mitternacht an bis in den frühen Morgen hinein sangen die Frauen vor den Häusern. An den Singebänken bei der jeweiligen Kirche hielten sie zum Abschluss inne. Dort endete traditionell das Ostersingen.
Hartmut Hantscho: „Allein in Schleife gab es – bedingt durch die Größe des Ortes – zwei kleine und zwei große Gruppen. Stets führte eine Kantorka (Vorsängerin) die jeweilige Gruppe an. Kantorka wurde jene Frau, die am besten singen und anstimmen konnte und die Liedtexte sicher beherrschte.“ Bis 1956 – mit Unterbrechung in den Kriegs- und Nachkriegsjahren – lebte der Brauch des Ostersingens in Schleife. Stets freuten sich die Einwohner darauf. „In jenen Häusern, wo sich ein ,freudiges Ereignis‘ ankündigte, wurde etwas mehr gesungen. In jenen Häusern, wo es Trauerfälle gab, wurde auf das Halleluja verzichtet.“
1993 wurde der Brauch auf Initiative von Lenka Noack in zum Kirchspiel Schleife gehörenden Rohne wieder belebt. Sie gründete die Gesangsgruppe „Schleifer Kantorki“. Kurz nach dem letzten Läuten der Kirchenglocken zogen die Sängerinnen los von Haus zu Haus. Früh am Morgen endeten sie in Rohne an den Singebänken. Es folgte die Auferstehungsfeier in der Friedhofskapelle.
Als Kind am Fenster gelauscht
„Das Ostersingen ist gelebtes evangelisches Brauchtum“, sagt Gertrud Hermasch aus Rohne, Mitgründerin der „Schleifer Kantorki“ und bis heute beim Ostersingen aktiv. Sie kennt den Brauch seit ihrer Kindheit. Mit fünf Jahren lauschte sie als Mädchen am Fenster den Sängerinnen. Das prägte sich tief ein.
2013 musste das Ostersingen krankheits- und kältebedingt ausfallen. 2014 gab es nur noch vier Kantorki. Unterstützung kam vom Verein Kólesko. 2015 beteiligten sich auch erstmals vier Konfirmandinnen. Pfarrerin Jadwiga Malinkowa stellte den Kontakt zu den Jugendlichen her.
Um das Ostersingen für die jungen Sängerinnen attraktiver zu machen, kam es nach einer Pause im Jahr 2016 zu einem Neuanfang mit geändertem Konzept. Elvira Rathner: Am Ostermorgen um 5 Uhr treffen sich die Sängerinnen an der Schleifer Kirche. Dort singen sie eine Stunde lang ihre Osterlieder. Im Anschluss findet in Rohne auf dem Friedhof die Auferstehungsfeier statt.
„Wir haben zwar die Form des Brauches verändert, der Kern aber bleibt gewahrt“, sagt Elvira Rathner. „Wir verkünden die Auferstehungsbotschaft.“ Sie wünscht sich, dass die Erwachsenen zusammen mit den Vorkonfirmandinnen den Brauch Jahr für Jahr weiterpflegen.
In diesem Jahr will der Verein Kólesko in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchgemeinde Schleife ein Gesangbuch mit Kirchenliedern herausgeben. Enthalten soll es rund 50 Lieder, darunter auch 15 Oster- und Passionslieder, die die Frauen am Ostermorgen an der Schleifer Kirche singen können.
Pfarrerin Jadiwga Malinkowa unterstützt das Anliegen: „Wenn ich ganz früh am Morgen, wenn es noch dunkel ist, die Stimmen der Ostersängerinnen höre, dann beginnt für mich Ostern. Der ganze folgende Ostertag ist dann sehr gefüllt mit Gottesdiensten und vielen Begegnungen. Doch der Moment am Ostermorgen mit den Ostersängerinnen ist für mich die schönste Verkündigung der Osterbotschaft: feierlich und berührend.“ Dass die Jugend diese Tradition aufnimmt und weiterpflegt, freut sie dabei besonders.
„Das Ostersingen ist gelebtes evangelisches Brauchtum“, sagt Gertrud Hermasch aus Rohne, Mitgründerin der „Schleifer Kantorki“ und bis heute beim Ostersingen aktiv. Sie kennt den Brauch seit ihrer Kindheit. Mit fünf Jahren lauschte sie als Mädchen am Fenster den Sängerinnen. Das prägte sich tief ein.
2013 musste das Ostersingen krankheits- und kältebedingt ausfallen. 2014 gab es nur noch vier Kantorki. Unterstützung kam vom Verein Kólesko. 2015 beteiligten sich auch erstmals vier Konfirmandinnen. Pfarrerin Jadwiga Malinkowa stellte den Kontakt zu den Jugendlichen her.
Um das Ostersingen für die jungen Sängerinnen attraktiver zu machen, kam es nach einer Pause im Jahr 2016 zu einem Neuanfang mit geändertem Konzept. Elvira Rathner: Am Ostermorgen um 5 Uhr treffen sich die Sängerinnen an der Schleifer Kirche. Dort singen sie eine Stunde lang ihre Osterlieder. Im Anschluss findet in Rohne auf dem Friedhof die Auferstehungsfeier statt.
„Wir haben zwar die Form des Brauches verändert, der Kern aber bleibt gewahrt“, sagt Elvira Rathner. „Wir verkünden die Auferstehungsbotschaft.“ Sie wünscht sich, dass die Erwachsenen zusammen mit den Vorkonfirmandinnen den Brauch Jahr für Jahr weiterpflegen.
In diesem Jahr will der Verein Kólesko in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchgemeinde Schleife ein Gesangbuch mit Kirchenliedern herausgeben. Enthalten soll es rund 50 Lieder, darunter auch 15 Oster- und Passionslieder, die die Frauen am Ostermorgen an der Schleifer Kirche singen können.
Pfarrerin Jadiwga Malinkowa unterstützt das Anliegen: „Wenn ich ganz früh am Morgen, wenn es noch dunkel ist, die Stimmen der Ostersängerinnen höre, dann beginnt für mich Ostern. Der ganze folgende Ostertag ist dann sehr gefüllt mit Gottesdiensten und vielen Begegnungen. Doch der Moment am Ostermorgen mit den Ostersängerinnen ist für mich die schönste Verkündigung der Osterbotschaft: feierlich und berührend.“ Dass die Jugend diese Tradition aufnimmt und weiterpflegt, freut sie dabei besonders.
Von Andreas Kirschke