Abt Heim über Hintergründe der Klostergründung Neuzelle
Mönche der Erneuerung
Der Abt des Klosters Heiligenkreuz, Maximilian Heim, mit der Gründungsurkunde des Tochterklosters in Neuzelle. | Foto: kna |
Vor 750 Jahren errichtete der Zisterzienserorden im brandenburgischen Neuzelle ein Kloster. Damals war die Niederlausitz blühendes Missionsland. Heute ist sie das mit einem verschwindend geringen Anteil Katholiken in gewisser Weise immer noch. Vor 200 Jahren verstaatlichte Preußen das Kloster im Zuge der Säkularisierung. Doch nun im Jubiläumsjahr sind die Mönche wieder voll da: Anfang September gründete die österreichische Abtei Heiligenkreuz in Neuzelle ein Tochterkloster in Form eines Priorats. In diesem Interview spricht der Abt von Heiligenkreuz, Maximilian Heim, über den Neustart.
Herr Abt, nach 750 Jahren wagt der Zisterzienserorden einen Neustart in Neuzelle. Was hat Sie dazu bewogen, die Einladung von Bischof Ipolt anzunehmen?
Der feste Glaube, dass das Evangelium bis an die Peripherie, wie es unser Papst Franziskus sagen würde, getragen werden soll. In einem Land, in dem der Glaube Jahrzehnte lang unterdrückt beziehungsweise verschwiegen wurde, ist weniger Gleichgültigkeit als in Regionen mit gesättigtem Christentum. Wir wollen den Menschen eine Hoffnungsperspektive eröffnen, die sie neugierig macht. Ein dort Ansässiger sagte zu einem unserer Mönche: „Ich freue mich so, dass Sie jetzt kommen.“ Der Pater erwiderte: „Dann, bitte, beten Sie für uns.“ Worauf der Mann antwortete: „Das kann ich nicht, denn ich bin Atheist. Aber ich freue mich, dass Sie kommen!“
Die Mönche wollen zu den Menschen gehen, zugleich ist ihnen aber auch Distanz wichtig. Wie passt das zusammen?
„Monachus“ heißt „der Einsame“. Wir brauchen die Einsamkeit und darin die Erfahrung des Einswerdens mit Gott. Aus diesem Raum der Stille, in dem wir Gott begegnen und auch mit ihm ringen, können wir hinausgehen, um den Menschen das Evangelium zu verkünden aus Liebe zu Gott und zum Nächsten.
Ist das der Grund dafür, dass Sie ein neues Kloster bauen wollen - außerhalb der historischen Anlage von Neuzelle? Ist sie ihnen mit über 120 000 Touristen jährlich zu verweltlicht?
Wir lehnen die Touristen nicht ab. Die haben wir in Heiligenkreuz ja auch. Das wäre für den Standort kein Problem. Das eigentliche Problem ist, dass wir in diesem ganzen Ensemble keinen Rückzugsort haben, der eine gewisse Abgeschiedenheit ermöglicht. Das ist in dem Gebäudekomplex mit all seinen Verflechtungen und ansässigen Institutionen vom Museum bis zur Schule nur schwer möglich.
Jetzt leben die sechs Mönche auf dem Klostergelände im alten Pfarrhaus. Welche Funktion wird es noch haben, wenn der Konvent in einen entfernteren Neubau zieht?
Ich glaube, das Pfarrhaus wird für Jahre Heimstatt für die Mönche sein und zugleich Pfarrhaus bleiben, denn bis das neue Kloster einmal fertig ist, wird es länger dauern. Darin sehe ich auch ein wichtiges Zeichen: Dass wir uns nicht ins gemachte Nest setzen, sondern Schritt für Schritt gehen und vielleicht erst ein Gästehaus bauen, einfach um den Leuten zu zeigen: Wir gehen hier einen Weg als Mönche des 21. Jahrhunderts, die nicht mit einer Anspruchshaltung in die historischen Klosterbauten kommen und sagen: „Wir haben ein Recht darauf!“
Von der prächtigen Abtei in Heiligenkreuz nach Neuzelle in die Diaspora zu gehen – das ist kein leichter Schritt...
Ist es auch nicht. Es ist nicht einfach für die sechs Gründermönche. Unter ihnen ist kein einziger, der in Heiligenkreuz unzufrieden war. Ich hätte auch nie einen Unzufriedenen geschickt.
Warum?
Weil er seine Unzufriedenheit mitnehmen würde. Es ist eine gute Voraussetzung für einen Neustart, wenn ich an dem Ort, wo ich bisher war, zufrieden gewesen bin. Wenn Gott dann an einen anderen Ort ruft, dann kann ich es als Willen Gottes leichter annehmen.
Welche Kriterien – neben großer Zufriedenheit – waren Ihnen wichtig bei der Auswahl der Gründermönche?
Dass sie zusammenhalten und belastbar sind. Deshalb hatte auch der Prior der Neuzeller Gemeinschaft, Pater Simeon Wester, die Auswahl der weiteren Gründermönche mit getroffen.
Was haben Sie den Mönchen als Marschgepäck mitgegeben?
Das Kreuz, die Bibel und die Regel des heiligen Benedikt. Und ich habe ihnen gesagt: Lebt wirklich aus der Kraft des Wortes Gottes, lebt in Gemeinschaft, und vertraut euch gegenseitig, ertragt einander – dann kann es nur gut gehen. Man kann ein Kloster –wie etwa Heiligenkreuz – nicht kopieren. Es entwickelt sich bei jeder Klostergründung etwas Neues. Ich bin gespannt, wie es hier wird.
Denken Sie, dass Heiligenkreuz von den Erfahrungen Ihrer Mönche in dem entchristlichten Brandenburg profitieren kann?
Ich glaube wirklich, dass die Neugründung auch für Heiligenkreuz eine tiefe Bedeutung hat. Unsere Abtei war in den vergangenen Jahrzehnten bei aller Traditionsverbundenheit immer bereit, innovativ zu handeln. Wir sind Mönche der Erneuerung. Wie schnell hat unser Haus nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Liturgiereform umgesetzt bei der Feier der heiligen Messe und bei der Erstellung eines neuen monastischen Stundenbuchs. Als unsere Lehranstalt in den 1970er Jahren kurz vor dem Aus stand, haben wir sie mit einem neuen Konzept zu einer erfolgreichen Hochschule gemacht. Nach der Wende haben wir den lange unterdrückten Klöstern im ehemaligen Ostblock die Möglichkeit gegeben, junge Berufungen an unserer Hochschule kostenlos ausbilden zu lassen. Auch unsere CD „Chant: Music for paradise“mit gregorianischem Choral war sicher ein Wagnis, aber auch das wurde ein internationaler Erfolg ohne Beeinträchtigung des Klösterlichen.