Zusammenarbeit beim Religionsunterricht in Sachsen

Neue Chance für religiöse Bildung

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Katholische und evangelisch-lutherische Kirche wollen ihre Zusammenarbeit beim Religionsunterricht in Sachsen intensivieren. Ein Ziel dabei ist es, durch neue gemeinsam verantwortete Unterrichtsformen gerade im ländlichen Raum mehr Schülern die Chance auf Religionsunterricht zu eröffnen.

Die Dresdner Bischöfe bei der Pressekonferenz zum konfessionell-kooperativen Unterricht. | Foto: Dorothee Wanzek

 

Vom Schuljahr 2020/21 an wollen die beiden Kirchen zunächst an ausgewählten Modellstandorten „konfessionell-kooperativen Religionsunterricht“ als dritte anerkannte Unterrichtsform neben evangelischem und katholischen Religionsunterricht anbieten. Das kündigten die Bischöfe Heinrich Timmerevers und Carsten Rentzing gemeinsam mit Vertretern der kirchlichen Schulbehörden am 7. Januar in einer Pressekonferenz an.
Eine erste Vereinbarung zur verstärkten Zusammenarbeit beim Religionsunterricht über konfessionelle Grenzen hinweg, hatten die Leitungen der beiden Kirchen bereits im Jahr 2002 getroffen. Ende 2016 hatten die evangelischen und katholischen Bischöfe deutschlandweit konkrete Empfehlungen für die konfessionelle Zusammenarbeit beim Religionsunterricht herausgegeben. Mit ihrem neuen Vorstoß wollen die Bischöfe die Umsetzung in Sachsen nun so vorantreiben, dass sie nicht allein vom guten Willen und Engagement der Religionslehrer vor Ort abhängig ist. Zusammen mit dem sächsischen Kultusministerium sollen Strukturen geschaffen werden, die konfessionell-kooperativen Unterricht in hoher Qualität und dauerhaft lebensfähig auf den Weg bringen. Unter anderem soll die konfessionelle Zusammenarbeit in Lehrplänen verankert werden und Teil der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften werden. Für die Beantragung von Unterrichtsstandorten wird es ein geregeltes Verfahren geben.
In seiner niedersächsischen Heimat hätten sich bereits seit fünfzehn Jahren Formen des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts etabliert, merkte Bischof Timmerevers an. Sachsen sei auf dem nun eingeschlagenen Weg nicht das Schlusslicht unter den deutschen Bistümern, aber auch keinesfalls Vorreiter. Er selbst verfolge das Anliegen gemeinsam mit Landesbischof Rentzing bereits seit seinem Amtsantritt in Dresden im Jahr 2016. Innerhalb der Kirchen sei dafür einige Überzeugungsarbeit zu leisten.
Skeptiker befürchten, dass das Kultusministerium den Vorstoß der Kirchen nutzen könnte, um Lehrkräfte einzusparen oder den Religionsunterricht in der bisherigen Form auszudünnen. „Wir wollen, dass das bestehende Angebot nicht ersetzt, sondern ergänzt wird“, betonte Carsten Rentzing. Gerade in ländlichen Regionen haben viele Schüler bisher nicht die Möglichkeit, am Religionsunterricht teilzunehmen. Nach Angaben der Kirchen nehmen an allgemeinbildenden Schulen Sachsens derzeit 82 000 Kinder und Jugendliche am evangelischen Religionsunterricht teil, katholischerseits liegt die Schülerzahl bei 7 500. Ein großer Anteil der Relischüler wird gegenwärtig nur mit einer Stunde pro Woche unterrichtet, obwohl zwei Wochenstunden in den Lehrplänen vorgesehen sind. Gleichzeitig mit der Einführung des konfessionell-kooperativen Unterrichts wollen die Kirchenleitungen das Ziel weiter verfolgen, die Zahl der eingesetzten Lehrkräfte zu erhöhen und die Zweistündigkeit des Unterrichts auszuweiten.
Beginnen soll die Einführung  konfessionell-kooperativen Unterrichts an Schulstandorten, an denen bereits jetzt evangelischer und katholischer Unterricht angeboten wird, erläuterte Christoph Bernhard, Leiter der Schulabteilung des Bistums Dresden-Meißen. Im Idealfall könnten sich evangelische und katholische Lehrkräfte beim Unterrichten einer Lerngruppe abwechseln. Jeder Lehrer erteilt den Unterricht in seiner eigenen Konfession, bringt dabei aber die Sichtweise der anderen mit ein. Schon jetzt gebe es im Bistum eine Vielfalt von Wegen der konfessionellen Zusammenarbeit beim Religionsunterricht. Diese Vielfalt solle unbedingt erhalten bleiben, machte der bischöflliche Schulrat deutlich. Er wünsche sich, dass Lehrkräfte ihre bisherigen Erfahrungen bei der Gestaltung neuer Lehrpläne für den konfessionell-kooperativen Unterricht einbringen. An vielen Standorten breche der katholische Religionsunterricht gerade weg, weil nicht mehr genügend Schüler für eine Lerngruppe zusammenkämen. Schon jetzt gebe es vielerorts katholische Schüler, die am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen. Durch konfessionell-kooperativ geschulte Lehrer bekämen solche Lernsituationen eine neue Qualität, hofft Christoph Bernhard. Die unterschiedlichen religiösen Erfahrungen der Schüler könnten gezielt aufgegriffen und als bereichernd für das Lernen erlebt werden.
Ein Religionslehrer, der erweiterte Möglichkeiten für konfessionelle Zusammenarbeit begrüßen würde, ist Adrian Dautz. Am Zittauer Christian-Weise-Gymnasium arbeitet der Katholik seit Jahren gut mit seinen evangelischen Kollegen zusammen. Er steht mit ihnen in fachlichem Austausch und kooperiert bei der Gestaltung von Gottesdiensten, bei Kirchenführungen und diversen Projekten. „Die Kollegen wären für eine erweiterte Form der Zusammenarbeit offen, und auch die Schulleitung zeigte sich bereits wohlwollend interessiert.  Die Mehrarbeit, die gemeinsame Unterrichtsvorbereitungen, -auswertungen und Weiterbildungen mit sich bringen würden, nähme Adrian Dautz gerne in Kauf: „Ein solcher Unterricht eröffnet neue Horizonte. Wir könnten in größeren Gruppen unterrichten, der Unterricht würde moderner und lebendiger.“ Gegenwärtig seien die Katholiken in kleinen Lerngruppen häufig unter sich.
 
Von Dorothee Wanzek