Neue Führung bei der Alimaus

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Schwester Klarissa von den Dominikanerinnen von Bethanien leitet künftig die Tagesstätte für Obdachlose. Es gab Protest, weil die Vorgängerin nicht weiter beschäftgt wird. Den Vorsitz des Trägervereins übernahm Pfarrer Kuno Kohn.

Bedürftige Menschen warten vor der Essensausgabe der Alimaus am Nobistor in Hamburg-St. Pauli
An der Essensausgabe der Alimaus. Foto: Alimaus

Kuno Kohn ist angespannt. Kein Wunder. Denn seit dem 13. Januar ist der Pfarrer einer Doppelbelastung ausgesetzt, obwohl er tags zuvor nur eine neue Aufgabe übernommen hatte: Er war zum neuen Vorsitzenden des Hilfsvereins St. Ansgar gewählt worden. Die gemeinnützige Organisation ist Träger der Alimaus, einer Tagesstätte für obdachlose und bedürftige Menschen am Nobistor in St. Pauli. „Mein Vorgänger Stefan Schwarte hatte die Position nach einem halben Jahr wegen des hohen Arbeitsaufwands zur Verfügung gestellt, arbeitet aber weiterhin in der Verwaltung“, berichtet Kohn. 

Was dann geschah, ging durch einen Teil der Hamburger Presse. Die Alimaus blieb am 14. Januar geschlossen, weil sich sämtliche Angestellte krankgemeldet hatten und die Ehrenamtlichen nicht erschienen. Grund: Der Vertrag mit der Leiterin Christiane Hartkopf war nicht verlängert worden. Sie ist – Stand bei Redaktionsschluss – immer noch krankgemeldet und so hat der 66 Jahre alte Kohn nun auch einstweilen die Leitung der Alimaus übernommen. „Es ist berechtigt, Verletzungen zu benennen, aber es sollte nicht auf dem Rücken der Armen Streit ausgetragen werden“, kommentiert Kohn die Unruhe unter den Helfern. Inzwischen läuft der Betrieb in dem finnischen Holzhaus aber wieder.

„Die Aufgaben der Alimaus sind so umfangreich geworden, dass dafür eine Vollzeitstelle notwendig ist“, sagt Kohn. Hartkopfs Ende Februar auslaufender Vertrag umfasse hingegen nur eine Arbeitszeit von 25 Stunden pro Woche. Informierte Kreise berichten allerdings, dass es schon länger innerhalb der Alimaus Unstimmigkeiten gegeben habe. Unterdessen haben alle Fraktionen in der Altonaer Bezirksversammlung an die Alimaus appelliert, die Arbeit aufrechtzuerhalten, sie sei „das Herz der Altonaer Obdachlosenhilfe“.

Projektkonvent könnte Alimaus betreiben

Unbestritten ist allerdings auch der gewachsene Aufgabenbereich der Alimaus, die obdachlosen und bedürftigen Menschen mehr als nur ein Essen bietet – so beispielsweise auch den gerade in diesen Tagen wieder sehr notwendigen Kältebus, den Hartkopf einführte. Daher stand im Raum, die Trägerschaft der Alimaus in die Hände der Malteser oder der Caritas zu geben. Doch der Hilfsverein wollte nach den Worten Kohns selbst die Trägerschaft fortsetzen und fand eine andere Lösung, die ebenfalls am 13. Januar beschlossen wurde: Am 1. März übernimmt Schwes­ter Klarissa von den Dominikanerinnen von Bethanien die Leitung der Alimaus. „Ich mache das allerdings auch nur übergangsweise“, sagt die 68-Jährige. „Es ist angedacht, die Alimaus dann im Rahmen eines Projektkonvents zu betreiben.“ Das bedeutet, es können sich daran auch Schwestern anderer Kon­gregationen beteiligen.

„Ich möchte nochmal den Dreck der Straße riechen und mit den Menschen dort zusammensein“, sagt die Ordensschwester, deren bürgerlicher Name Klarissa Watermann ist. Den Dreck der Straße hat die Tochter eines Bauern aus dem Münsterland reichlich kennengelernt. So gründete sie 1995 die ökumenische Kontaktstätte „Oase“ für obdachlose Menschen in Leipzig mit. Später arbeitete sie unter anderem bis 2018 zwölf Jahre in der Mission des Hauptbahnhofs in Frankfurt am Main, wo sie mit vielen Menschen zu tun hatte, deren Leben „aus dem Gleis geraten“ ist, wie sie einmal bei einem Vortrag sagte. In der Mainmetropole sorgte sie überdies durch ihre kapitalismuskritischen Demonstrationen vor den Zwillingstürmen der Deutschen Bank für Aufsehen, an denen sie als Mitglied der Initiative „Ordensleute für den Frieden“ teilnahm. In jüngster Zeit arbeitete sie zudem in einem Frankfurter Frauengefängnis.

Und noch ein entscheidender Punkt spricht für Schwester Klarissa, die derzeit in einem Kinderdorf der Dominikanerschwestern von Bethanien in Elt­ville-Erbach lebt: Sie kennt die Alimaus, half dort 2014 mit, als sie Straßen­exerzitien in Hamburg machte. „Ich habe das als sehr angenehm erlebt“, sagt sie. 

Als „Gnade des Himmels“ bezeichnet es Kohn, dass Schwes­ter Klarissa als Leiterin gewonnen werden konnte. Er freue sich auch über die Gebets- und Austauschgelegenheit mit ihr. Kohn ist bislang unweit der Alimaus für die Teestube Sarah tätig, die Pros­tituierten zur Seite steht. Zudem engagiert er sich bei Nobis bene, der Krankenstube der Alimaus. 

„Konkrete Schritte mit allen besprechen“

Als Sohn eines Schiffers wurde Kohn im Hamburger Stadtteil Harburg geboren, der damals noch zum Bistum Hildesheim zählte. Dort wirkte Kohn unter anderem als Jugendseelsorger, dann als Kaplan in Braunschweig, Dechant von Goslar und Salzgitter, kirchlicher Eheberater und bis 2016 als Pfarrvikar in Hannover. Er gehört der Priestergemeinschaft „Charles de Foucauld“ an, die es auszeichnet, den Bedürftigen nahe zu sein. In diesem Sinne engagierte er sich in der Partnerschaft des Bistums Hildesheim mit Bolivien, bei der sozial gerechte Arbeit im Zentrum steht. 

„Ich denke inklusiv“, sagt Kohn. So hält er beispielsweise auch Initiationen ab, die auf christlicher Grundlage östliche und schamanische Weisheitsrituale vereinen. „Inklusiv“ bezieht er auch auf seine Tätigkeit für die Alimaus. Wie es konkret weitergehe, müsse nach dem 1. März mit allen besprochen werden, also auch mit den Mitarbeitern und Ehrenamtlichen, sagt Kohn.

Text: Matthias Schatz