Steyler Anbetungsschwestern in Berlin
Nur der Bischof darf rein
Das Anbetungskloster St. Gabriel steht in Berlin-Westend. Foto: Magdalena Thiele |
Sie verlässt das Haus, in dem sie lebt, nur äußerst selten – und das seit über 60 Jahren. Zum Schuhkauf oder zum Arztbesuch, im ganz seltenen Fall einer Reise – mehr Gründe gebe es eigentlich nicht, sagt Schwester Maria Mechtildis. Mit ihr leben und arbeiten im Kloster Sankt Gabriel in Berlin-Westend 13 Steyler Anbetungsschwestern – wegen ihres farbenfrohen Gewands sind sie landläufig auch als „Rosa Schwestern“ bekannt. Ihr offizieller Name ist etwas weniger einprägsam: Dienerinnen des Heiligen Geistes von der ewigen Anbetung. Gerade einmal 358 von ihnen gibt es noch weltweit, verteilt auf 20 Konvente. Drei davon in Deutschland, der Rest in den Niederlanden, Polen, den USA, Argentinien, Brasilien, Indien, Indonesien, auf den Philippinen und in Togo.
Das Kloster St. Gabriel ist ein prunkvolles Gebäude mit einem großen Garten. Letzteren sieht man nur leider nicht von außen, denn das gesamte Grundstück ist von einer hohen Mauer umrahmt, die keine Einblicke zulässt. Selbst wer die Klosterpforte betreten darf, bekommt wenig von dem mit, was das Leben in strenger Klausur ausmacht. Direkt von der Diele gehen sechs kleine Besuchszimmer ab, in denen jede Schwester Gäste empfangen darf. Die Zimmer selbst sind durch ein großes Gitter, das die Ordensfrauen von ihrem Gegenüber trennt, geprägt. Man ist zusammen und doch getrennt. Ein wenig erinnert diese Kulisse an den Besuch in einem Strafgefängnis aus einem amerikanischen Film, nur das Telefon zum Sprechen fehlt. Das Gitter sei ein Symbol absoluter Zurückgezogenheit und der Besinnung auf ihren Auftrag, erklärt Schwester Mechtildis. Nur der Bischof dürfe außer ihnen die Klosterräume betreten. Auch einem „normalen“ Priester sei das nicht gestattet.
Ein freier Tag und dreimal Besuch
Einmal im Monat haben die Schwestern einen freien Tag. „Der ist aber nicht so frei, wie er sich anhört“, sagt Schwester Mechtildis und lächelt. „Wir bleiben zuhause, wie immer.“ Aber die Zeit zwischen den Gebetszeiten, die sonst Arbeitszeit ist, dürfe man an diesem Tag für sich nehmen, was sonst nicht der Fall sei. „Ich fege nie die Treppe so gerne, wie wenn am anderen Tag ein freier Tag ist“, sage eine ihrer Mitschwestern immer.
Dreimal im Jahr dürfen nahe Angehörige zu Besuch kommen, diese dürfen sogar im Kloster übernachten. Aber auch hier sind die Besucherbereiche von den Zimmern der Schwestern mit Gittern abgetrennt, erzählt Schwester Maria Mechtildis. Ihre zwei Brüder hat die heute 83-jährige Ordensschwester das letzte Mal ohne Gitter gesehen, als sie nach Jahren im argentinischen Kloster des Ordens nach Deutschland zurückkehrte – kurz am Flughafen war das möglich.
Aber das Gitter störe nur am Anfang, erklärt die Ordensfrau. Auch daran hätten sich ihre Brüder inzwischen gewöhnt. Sie sage immer: „Wenn die Familie merkt, dass die Tochter im Kloster glücklich ist, dann macht das Gitter gar nichts.“
Jüngster Ordenszweig |
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Die Steyler Anbetungsschwestern wurden als dritte und jüngste Kongregation der Steyler Ordensfamilie 1896 gegründet. Sie sollten den beiden aktiven Kongregationen, den Steyler Missionaren und den Steyler Missionsschwestern, einen betenden Rückhalt geben. Die immerwährende Anbetung vor dem Allerheiligsten ist daher das dringlichste Anliegen der Nonnen, die für alle beten, die darum bitten. Generaloberin ist seit 2019 die Oldenburgerin Schwester Maria Magdalena Kruse. |
Der Weg zur Anbetungsschwester war so eigentlich gar nicht geplant, erinnert sich Schwester Mechtildis. Als sie 13 Jahre alt war, habe sie das erste Mal vom heiligen Bonifatius gehört. Er sei von England nach Deutschland gekommen, um den Germanen das Evangelium zu verkünden. Und da habe sie gedacht: „Das möchte ich auch: in die Mission gehen – nach Afrika oder Indonesien, dort Lehrerin werden.“ Zunächst lernte sie auch bei den Steyler Missionsschwestern in Driburg, aber relativ schnell wurde ihr klar, dass sie ihre Berufung in der ewigen Anbetung finden würde. Nach der Volksschule hat sie zwei Jahre die Handelsschule besucht, die mittlere Reife gemacht. Dann hätte fast noch die Krankheit der Mutter den Eintritt ins Kloster verhindert. Die Familie hätte sie gerne auf dem Hof gehalten, sie wurde gebraucht. Schließlich war es aber die Mutter, die ihrer Tochter riet, ihrem Wunsch zu folgen – beim Eintritt ins Kloster war Schwester Maria Mechtildis 22 Jahre alt. Seit Ostern 2009 wohnt sie in Berlin, nächstes Jahr könnte sie nochmal versetzt werden – üblicherweise wird nach 12 Jahren gewechselt. Aber sicher ist das noch nicht.
Gebetsanliegen so bunt wie das Leben
Sicher ist dagegen, dass jeden Morgen um 4.55 Uhr im Kloster der Wecker klingelt, um 5.30 folgt die Laudes. Nach dem Frühstück um acht ist der Tag mit Beten und Arbeiten gefüllt. Dazu gehört auch die ewige Anbetung – rund um die Uhr wird im Kloster St. Gabriel gebetet. Tagsüber wird alle halbe Stunde gewechselt, nachts erst nach einer. Einen Großteil der Zeit widmen die Schwestern Anliegen, die sie von „draußen“ erreichen. „Viele Leute schreiben uns Briefe und bitten uns ums Gebet für ein spezielles Anliegen“, sagt Schwester Mechtildis. „Es gibt wohl kein Anliegen und keine Not, die wir noch nicht gelesen haben.“ Das reiche von schweren Krankheiten, Süchten bis hin zum Kinderwunsch, aber auch für frohe Ereignisse wie eine Urlaubsreise wird das Gebet ersucht. Oft würde das Gebet sogar erhört: „Manch einer wurde wieder gesund oder konnte eine Sucht überwinden.“ Ist dies nicht der Fall, würden die Leute oft sagen: Das Gebet hat mir so viel Kraft gegeben, dass ich die Krankheit jetzt auch annehmen kann. Auch das sei eine große Hilfe.
Meistens liege den Umschlägen mit den Anliegen auch eine Spende bei. Unabhängig davon wird aber jeder einzelne Brief beantwortet. Einige rufen auch direkt im Kloster an oder schicken einfach eine Überweisung. Die Berliner klingeln manchmal auch an der Pforte und geben etwas ab. „In Coronazeiten kommt weniger Post. Das merken wir natürlich auch“, erzählt Schwester Maria Mechtildis.
In Berlin leben derzeit drei indonesische Schwestern, zwei aus Polen, jeweils eine aus Brasilien und Argentinien und noch sechs deutsche Schwestern. Sie hoffe immer, dass noch eine dazukomme, sagt Schwester Maria Mechtildis. Es sei momentan auch unsicher, wie lange das Kloster in Berlin-Westend so noch bewirtschaftet werden könne. Nachwuchsprobleme hat der Steyler Orden wie jeder andere und das Grundstück in Berlin braucht wohl viel Pflege. Man sieht nicht viel davon, aber wenn Schwester Maria Mechtildis das milchgläserne Fenster in dem kleinen Besuchsraum hinter sich für einen Moment zu öffnen bereit ist, lässt sich doch noch ein Blick in den wunderschönen Klostergarten erhaschen.
Von Magdalena Thiele