Konfessionsübergreifender Religionsunterricht in Sachsen-Anhalt

Ökumene auf der Schulbank

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An vier Schulen in Sachsen-Anhalt gibt es bereits konfessionsübergreifenden Religionsunterricht – unter anderem in Aschersleben. Weitere Schulen könnten bald hinzukommen, denn die Zahlen sprechen eine klare Sprache.

Sie evangelisch, er katholisch: Ulrike Freihofer (hinten rechts) und Martin Mücke-Freihofer unterrichten kooperativen Religionsunterricht. Den Schülern Paul, Niclas und Felix (von links) gefällt es.    Foto: Oliver Gierens

 

Es sind diesmal nur drei Schüler, die sich an diesem kalten Wintermorgen zur ersten Stunde an der Adam-Olearius-Schule in Aschersleben zum Religionsunterricht einfinden. Eigentlich gehören fünf Schüler aus der 8. Jahrgangsstufe zu dieser Religionsklasse, doch der Krankenstand ist an der gesamten Schule derzeit hoch.
Das Besondere an dieser Lerngruppe: Der Religionsunterricht findet in überkonfessioneller Kooperation statt – katholische und evangelische Schüler werden gemeinsam unterrichtet. Die Adam-Olearius-Schule, eine Gemeinschaftsschule in privater Trägerschaft, ist eine von vier Modellschulen in Sachsen-Anhalt, an denen sich beide Konfessionen aufgrund sinkender Schülerzahlen, aber auch eines wachsenden Lehrermangels, bereits zusammengetan haben.
Die drei Jungs aus der 8. Klasse üben an diesem Morgen die konfessionsübergreifende Zusammenarbeit an einem praktischen Beispiel. Hatten sie zuvor über Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Firmung, Konfirmation und Jugendweihe gesprochen, sollen sie an diesem Morgen ein Konzept für eine Lebenswendefeier entwerfen. Das ist ein Angebot der Kirchen, um eine Alternative zur Jugendweihe anzubieten. Es richtet sich bewusst an konfessionslose Jugendliche und soll sie auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben begleiten, ohne aktiv zu missionieren.

Feier der Lebenswende selbst gestalten
Denn von den fünf Schülern aus dieser Religionsklasse sind zwei evangelisch, eine Person ist katholisch, die anderen sind ohne Konfession. Die drei Jungs, die an diesem Morgen im Unterricht sitzen – einer evangelisch, zwei konfessionslos – werden im kommenden Jahr an der Lebenswendefeier teilnehmen. Also geht es an die praktische Arbeit: Wie könnte eine Lebenswendefeier ablaufen, fragt Lehrerin Ulrike Freihofer. Wer könnte zum Beispiel eine Rede halten? „Die Jugendlichen selbst“, antwortet der 13-jährige Felix. Und was soll in der Rede vorkommen? Die Schüler machen verschiedene Vorschläge: Ein Dank an die Eltern, aber auch Glückwünsche und ein paar Lebensweisheiten.

Ein „ökumenisches“ Lehrerpaar
Inzwischen ist auch Martin Mücke-Freihofer in die Klasse gekommen. Der katholische Religionslehrer hat die Schüler in der 5. und 6. Klasse unterrichtet, in der 7. und 8. Jahrgangsstufe hat seine Frau als Lehrerin für evangelische Religion übernommen.
Genau das ist auch gefordert, erläutert Patricia Erben-Grütz. Sie leitet das Referat Religionspädagogik/Lehrerfortbildung an der Edith-Stein-Schulstiftung des Bistums Magdeburg, einer Trägerorganisation mehrerer katholischer Schulen in der Diözese. Der Wechsel zwischen Lehrern verschiedener Konfession sei Bedingung für den kooperativen Religionsunterricht, einmal in der Grundschule, dann ein weiteres Mal in der Sekundarstufe I.
Außer in Aschersleben gibt es konfessionsübergreifenden Religionsunterricht an der Marguerite-Friedlaender-Gesamtschule in Halle, der Landesschule Pforta bei Naumburg und dem katholischen Norbertusgymnasium in Magdeburg – dort allerdings, um den evangelischen Schülern weiterin „Reli“ zu ermöglichen.
Und weitere Schulen werden vermutlich hinzukommen. Denn die Zahlen sprechen für sich: Von allen Schülern an allgemeinbildenden Schulen wählen derzeit über 80 Prozent das Fach Ethik, etwa 16 Prozent den evangelischen und nur ein Prozent den katholischen Religionsunterricht. „Religionsunterricht hierzulande ist langfristig eigentlich nur noch kooperativ zu denken“, meint daher Patricia Erben-Grütz.
In Aschersleben empfinden die drei Schüler den Unterricht jedenfalls als Bereicherung. „Ich möchte mich auch mit Religion beschäftigen“, sagt der 14-jährige Paul, der keiner Konfession angehört. „Hier geht es auch um Gott, und ich möchte das Christentum kennenlernen.“ Dass sie nur wenige Schüler sind, stört dabei auch nicht. „In der kleinen Gruppe lernt man besser“, meint der gleichaltrige Niclas.

Von Oliver Gierens