Der Berliner Hospizdienst Tauwerk ist mit Zuwendung und Begleitung für AIDS-Kranke in der letzten Lebensphase da.
Ordenskleid mit AIDS-Schleife
Der Berliner Hospizdienst Tauwerk ist mit Zuwendung und Begleitung für AIDS-Kranke in der letzten Lebensphase da. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie.
Schwester Hannelore vor dem Gedenkvorhang im Büro vom Hospizdienst Tauwerk - Foto: Walter Plümpe |
Von Walter Plümpe
„Wo wir leben, beten wir. Wo wir beten, leben wir.“ Dieser Satz stammt von Schwester Hannelore Huesmann, eine Franziskanerin, die gemeinsam mit ihren Mitschwestern Juvenalis und Margret in Berlin-Pankow den Hospizdienst Tauwerk gegründet hat und leitet. Tauwerk ist ein ambulanter Dienst für Menschen mit einer HIV-Infektion. Das Team besteht aus den beiden hauptamtlichen Fachkräften Sr. Hannelore und der Psychologin Katharina Wönne sowie 31 von ihnen geschulten Ehrenamtlichen.
Wunsch eines Patienten ist Regieanweisung
„Der Wunsch eines Patienten ist unsere Regieanweisung“, sagt Schwester Hannelore. Trotz unterschiedlicher Einstellungen zu Glauben und Kirche sieht sie jeden Menschen als spirituelles Wesen. „Die Rolle der Spiritualität entwickelt sich erst in einer Begleitung.“ So konnte sie mit ihrem Team seit der Gründung 1997 mehr als 500 Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleiten.
Wenn die Ordensfrauen in offizieller Funktion unterwegs sind, steckt an ihrem Ordenskleid die rote Aids-Schleife neben dem Tau, dem „Markenzeichen“ der franziskanischen Spiritualität. Im Dienst ziehen sie Zivilkleidung vor. Sie wissen um die Befürchtung mancher Kranker, „moralisiert oder bekehrt“ zu werden. Dem begegnen sie mit Offenheit; doch tragen sie ihr Katholisch-Sein nicht als Fahne vor sich her. Niemand wird nach Taufschein, Lebenswandel oder politischer Anschauung gefragt. Die freie persönliche Entscheidung jedes Einzelnen wird angenommen.
Mit Sympathie und Vertrauen werden in der Begleitung durchaus Glaubensfragen angesprochen. Fragen nach Lebenssinn, emotionalem Halt im Erleben des Krankheitsverlaufs, Lebensperspektiven und Trauer über Verluste, die erlebt werden. Dazu gehört oft auch Schimpfen und Frust-Ablassen, ohne Angst davor, dass die Begleiterin sich jetzt zurückzieht. Für einen beständigen Dialog war der Rat eines befreundeten Arztes hilfreich. „Ihr müsst euch auf eine Mauer einstellen und wenn ihr richtig hinhört, werdet ihr die Schreie dahinter hören.“
Sensible Haut bewahren, ohne dabei draufzugehen
So sehen die im Tauwerk Engagierten ihre Sterbebegleitung als eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz. Sie erfahren sich als Beschenkte, weil ihr Angebot die Frage nach dem wirklich Wichtigen stellt. Die eigenen Sorgen relativieren sich, Lebens- und Liebesgeschichten werden kennengelernt, Öffnen der Licht- und Schattenseiten des Lebens. Die emotionalen Reaktionen in dieser Lebensphase werden dabei intensiv miterlebt: Verdrängen, auflehnen, verhandeln, einwilligen.
Ein dickes Fell wollen sie sich dabei nicht zulegen, wohl aber eine „sensible Haut bewahren, ohne dabei draufzugehen“. Dazu braucht es Kraftquellen. Für die Schwestern gehört neben viel Austausch und Natur auch das Gebet dazu.
Eine eigene Kapelle haben sie nicht, so ruft in ihrem Wohnzimmer oft eine Klangschale zur Meditation und zum gemeinsamen Beten. Dort hängt ein Gedenkvorhang, gefüllt mit den Namen derer, die bis zu ihrem Tode begleitet werden durften. Als Zeichen der Wertschätzung und Erinnerung an die Menschen, denen sie ihr Gebet versprochen haben. Die Gemeinschaft erinnert sie daran: Das Leben ist ein Geschenk.
Ihr unentgeltlicher Dienst ist in Zeiten der Corona-Pandemie nach wie vor gefragt.
Ambulanter Hospizdienst Tauwerk e.V., Mühlenstraße 45, 13187 Berlin, Telefon 030 / 4700 4500, hospiztauwerk@aol.com.