Hauskapellen im Erzbistum

Orte der Wandlung

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Sie sind klein, schmuck, mittendrin: Hauskapellen im Erzbistum. Es gibt sie in Krankenhäusern, Gefängnissen, Schulen – für ein Stoßgebet vor der Mathe-Klausur oder ein Gebet abseits der Arbeit.

„Eine der schönsten weltweit“: Die Kapelle im Berliner Olympiastation.    Fotos: Almut Lüder

 

Die Nähe macht‘s möglich. Jesuiten-Pater Sebastian Maly, Seelsorger am Canisius-Kolleg meint über dessen Hauskapelle: „In ihr wird spürbar, dass unsere Wirklichkeit eine tiefere Dimension hat.“ Dem ignatianischen Verständnis nach sei Gott aber überall. Die Schüler lernten, ihre Antennen auszufahren, um das zu bemerken. Die Kapelle sei immer offen, eine Jahrgangsstufe mit maximal 120 Schülern kann sich dort auf ausgebreiteten Fellen zur Messe niederlassen. Bei besonderen Festen weicht die Schule auf die großen Kirchen im Umkreis aus.
Die Kapelle im Erzbischöflichen Ordinariat, Berlin, ist gerade einmal 22 Quadratmeter groß. Es gibt Hocker für 17 Gläubige, einen Altar, dessen Boden eine Stufe tiefer liegt als der der Gemeinde. Mit diesem Trick wollte der Architekt den kleinen Raum zumindest optisch vergrößern. Ein Ambo, leuchtende Glasbilder – keine Orgel. Das Gotteslob ist am Eingang gestapelt – in der wöchentlichen Andacht am Mittwochmorgen stimmt eine Gläubige sicher das Lied an. Alle anderen hängen sich lauthals an.
Weihbischof Matthias Heinrich verabschiedet sie nach der halbstündigen Messe: „Ich wünsche Ihnen einen geistreichen Tag.“ Damit weist er darauf hin, Arbeit nicht nur als Pflicht zu betrachten, getaktet durch die Stechuhr, sondern als Tätigkeit, die vom Geist getragen wird und bei der mögliche Konflikte geistreich zu lösen sind.

Hinter Gittern: Ort der inneren Freiheit
Das Gefängnis Berlin-Tegel: Mit über 900 Häftlingen ist es eines der größten in Deutschland. Die Seele darf nicht auf der Strecke bleiben. Darum kümmert sich Domkapitular Stefan Friedrichowicz als katholischer Pfarrer. Umgeben von Mauern und Stacheldraht steht eine große Kirche auf dem Gelände – eine Oase der Stille. Hier dürfen sich die Männer gewiss sein, dass es zumindest eine innere Freiheit gibt. Der Schriftzug auf einer Wand bestärkt sie: „Jesus macht dich frei.“ Sonntags feiert der Geistliche mit den Gefangenen Gottesdienst, zumindest mit denen, die eine Kirchenkarte besitzen und sie nicht wegen Störungen in zurückliegenden Messen abgeben mussten. „Das bedeutet für die Gefangenen eine Stunde Gebet, keinen Stress und den Friedensgruß untereinander.“

Eher schlicht: Die Hauskapelle der Caritas an der Reinhardtstraße.

Bei der Caritas wird einmal monatlich Messe gefeiert. Die hauseigene Kapelle, abgeschirmt durch matte Scheiben, befindet sich im Bürogebäude von Berlins pulsierendem Bezirk Mitte. Im Normalfall versammeln sich hier etwa zehn Gottesdienstbesucher. Eine von ihnen erzählt, dass sie normalerweise in eine Kirche gehe, die 600 bis 700 Gläubige fasse. Für sie sei die kleine Kapelle ein Begegnungsort, aber auch ein bisschen wie zuhause. Auf dem Altar stehen ein Kreuz und eine Ikone mit einer Mariendarstellung.
Gibt es zeitliche Vorgaben für die Häufigkeit des Gebets? Nein, für den Aufenthalt in der Kapelle existieren keine Regeln, sagt Caritas-Pressesprecherin Anja Stoiser. Sie sei ein Rückzugsort in der Arbeitshektik. Aber auch ein Ort des Trostes, wenn ein Kollege erkrankt sei oder gar einer sterbe. Die Wände der Kapelle lassen sich im Nu verschieben und der kleine Raum für 26 Gläubige kann durch die umgebenden Konferenzimmer dem Bedarf neu angepasst werden.
Ein anderer Gottesraum ist geradezu prädestiniert als Ort für Stoßgebete. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ (Matthäus 16, 26), steht an seiner Außenwand im vierten Untergeschoss des Berliner Olympiastadions.  Die ganze Welt zwar nicht, aber die Fußball WM 2006 wie im Fall der italienischen Mannschaft schon. Kurz vor Anpfiff holte sie sich dort den Segen ab, wie der Referent der Unternehmenskommunikation Ole Nowakowski erzählt. Ewig werden die Italiener von der rund 100 Quadratmeter großen Kapelle schwärmen, die vom früheren, evangelischen Bischof Wolfgang Huber 2006 eingeweiht worden war und nach Äußerungen von Experten zu den schönsten weltweit zähle. So weiß es  Nowakowski. Die Wände der Kapelle sind vom Boden bis zur Decke mit feinem Blattgold überzogen. Rundherum kann man darauf das „Vater unser“ in 15 verschiedenen Sprachen lesen. Von dem edlen Charme zehrt auch so mancher Hertha-Fan, wenn er sie als persönlichen Hochzeitsort mietet. Dann mischt sich das viele Gold an den Wänden mit dem weiß-blau auf den Hemden.

Was bewirken Hauskapellen?
Friedrichowicz weiß um den rauhen Gefängnisalltag, den die Männer nur überleben, wenn sie „robust und klotzig“ seien. Aber die Messe verändere einige zumindest für einen Moment. Sie seien „gelöster und empfänglicher“. Eine Gläubige im erzbischöflichen Ordinariat ist in den Messen klar geworden: „Wir sind nicht nur eine Dienstgemeinschaft.“

Von Almut Lüder