103. Deutscher Katholikentag 2024 in Erfurt
Ost-Erfahrung einbringen
Der Erfurter Katholikenrats-Vorsitzende Reinhard Salzmann begrüßte die Katholikentags-Mitarbeiter mit einem Präsentkorb voller Thüringer Spezialitäten, rechts neben ihm Gastgeberbischof Ulrich Neymeyr. Fotos: Dorothee Wanzek |
Die Glaubensbiografien von Christen in der DDR sollen beim Katholikentag vom 29. Mai bis 2. Juni in Erfurt besonders ins Licht gerückt werden. „Was die Christen damals erlebt haben, prägt die Kirche hier bis heute“, sagt Markus Wetter, der selbst erst sechs Jahre nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Staates geboren wurde.
Dass Kirche im Osten anders funktioniere, sei noch in seiner Generation spürbar, meint der 28-jährige Heiligenstädter Theologe und Ökonom, der im Programmbereich des Katholikentages mitarbeitet. Beispielsweise wirke nach, dass sich im Unterschied zum Westteil der Republik im Osten kaum eine katholische Verbandskultur entwickeln konnte. Es gebe hier eine Skepsis gegenüber kirchlichen Gremien. Man halte sich zurück, Kritik an der Kirche auch nach außen hin zu vertreten.
Gespräche über den christlichen Beitrag für Demokratie
Markus Wetter ist überzeugt, dass die Lebenserfahrung ostdeutscher Katholiken bisher noch zu wenig gewürdigt worden ist. „Auch in bisher volkskirchlich geprägten Gebieten sind Katholiken in wachsendem Maße in der Minderheit, ihr Umfeld wird immer säkularer“, ruft er in Erinnerung. Sich mit Christen auszutauschen, die in dieser Hinsicht einen großen Erfahrungsvorsprung haben, liege da doch nahe.
Markus Wetter |
Die Katholiken- und Diözesanräte der fünf ostdeutschen Bistümer planen, sich gemeinsam mit einer Podiumsdiskussion oder einem anderen Gesprächsformat am Katholikentag zu beteiligen. Klar ist bisher allerdings nur, dass es thematisch um den spezifischen Beitrag gehen soll, den Christen als Minderheit für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten können, sagt der Berliner DiözesanratsGeschäftsführer Marcel Hoyer. Inspiriert zu dieser Themenidee hat die Diözesanratsvorstände ein Vortrag mit dem Titel „Demokratie braucht Religion“, den der Thüringer Soziologe Hartmut Rosa im vergangenen Jahr hielt. Bis zum 17. April haben die Katholikenräte Zeit, ihre Programmidee auszufeilen. Dann läuft die Online-Bewerbungsfrist für thematische Programmvorschläge ab.
Das Programm des 103. Katholikentags soll überschaubarer werden als es bei den vorausgegangenen Katholikentagen war, kündigte Marc Frings, der Geschäftsführer des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, in Erfurt an. Man werde sich auf 500 Veranstaltungen beschränken, das sind nicht einmal halb so viele wie 2016 beim Katholikentag in Leipzig. Aktualität und Relevanz sollten wesentliche Kriterien für die Auswahl der Beiträge sein. Schon in der Vorbereitung setze man stärker als zuvor auf Zusammenarbeit mit evangelischen Christen und mit Nichtregierungsorganisationen, die sich für ähnliche Themen engagieren.
Wird es überhaupt gelingen, die Christen zur Beteiligung am Katholikentag zu mobilisieren? Die Gäste der Katholikentagsbüro-Eröffnung blicken mit gemischten Gefühlen auf das kommende Jahr. „Es wird gut werden“, gibt sich Manfred Ruge zuversichtlich. Der ehemalige Erfurter Oberbürgermeister hat die Schirmherrschaft der Großveranstaltung übernommen.
Es braucht „Zugpferde“ | ||
Nach einer Folge von Katholiken- und Kirchentagen, deren Teilnehmerzahlen – nicht nur coronabedingt – hinter den Erwartungen zurückblieben, bezeichnen manche Christen dieses Veranstaltungsformat inzwischen als Auslaufmodell.
Ich meine, dass wir die kleiner werdenden Christentreffen nicht totreden sollten. Da Christen zunnehmend vereinzelt auftreten, werden Gelegenheiten, sich in größerer Runde zu begegnen, umso wichtiger. Allerdings sollten die Programm-Gestalter mehr Mut zu Veränderungen haben. „Was brauchen Christen aller Generationen heute, um ihren Glauben im Alltag gut leben zu können?“, sollte dabei die ausschlaggebende Frage sein. Damit der Katholikentag in Erfurt ein Erfolg werden kann, braucht es zudem noch mehr ostdeutsche Katholiken die für dieses Projekt brennen und ihre Begeisterung auf sympathische Weise ausstrahlen. |
Gratwanderung zwischen Konstanz und Erneuerung
„Ich freue mich sehr auf dieses Ereignis. Dass ich meinen Freundeskreis dafür gewinnen kann, glaube ich eher nicht“, sagt Markus Wetter. Er selbst engagiere sich als Vorstandsmitglied im Bund der Deutschen Katholischen Jugend und im Katholikenrat, die meisten Getauften seiner Generation hätten aber mit der Kirche abgeschlossen. Zu Diskussionsveranstaltungen über Missstände in der Kirche, die vorhersehbar zu keinerlei Veränderungen führten, könne man sie ganz gewiss nicht motivieren. Allenfalls könnten Angebote des Zentrums für Bibel und Spiritualität für sie interessant sein, bei denen sie in Gemeinschaft mit Gleichaltrigen den Glauben feiern könnten.
Die Magdeburgerin Regina Masur hat Markus Wetter zwar einiges mehr an Lebens- und Katholikentagserfahrung voraus, auch sie würde sich aber wünschen, dass der Katholikentag stärker den Charakter eines Festes hat.
„Der Katholikentag wird sich weiter verändern müssen, um neue Teilnehmer zu finden, so wie sich die gesellschaftliche Wirklichkeit und unsere Kirchenbilder verändern“, glaubt Martina Breyer, Katholikenratsvorsitzende im Bistum Dresden-Meißen. Dafür brauche es allerdings eine Gratwanderung. Die meisten Besucher der jüngsten Katholikentage wünschen ihrer Einschätzung nach eher keine Veränderung. Sie hätten gerade wegen des vertrauten Veranstaltungsformats teilgenommen.
Sie selbst habe bisher von jedem Katholikentag wertvolle Impulse für ihr Leben mitgenommen, auch von dem Katholikentag in Stuttgart, der die Veranstalter wegen seiner geringen Besucherzahl enttäuschte. „Ich sehe den Katholikentag in erster Linie als etwas Wohltuendes für uns selbst“, sagt sie. „Wir dürfen nicht erwarten, dass kirchenferne Menschen zu unseren Veranstaltungen kommen. Sicherlich gibt es sehr bereichernde Begegnungen, aber das werden Zufallsbegegnungen bleiben.“
Ihr Magdeburger Kollege Dagobert Glanz sieht die Zukunft in einer immer stärkeren ökumenischen und regionalen Vernetzung. Die guten Erfahrungen, die er seit einigen Jahren an einem gemeinsamen ökumenischen Bistumsstand der Kirchen in Sachsen-Anhalt und Thüringen gesammelt hat, bestärken ihn darin. „Das Miteinander hat sich allmählich weiterentwickelt, jetzt empfinden wir uns als eins, und das tut gut“, sagt er.
Von Dorothee Wanzek