Friedensfest gegen nationalsozialistisches Festival

Ostritz braucht Verstärkung

Image

Am Geburtstag Adolf Hitlers werden in Ostritz Neonazis aus ganz Europa zu einem „Schild-und-Schwert-Festival“ erwartet. Zeitgleich wollen demokratisch gesinnte Ostritzer mit einem Friedensfest Zeichen setzen. Die christlichen Mit-Initiatoren bitten dafür auch die Katholiken des Bistums um Hilfe.


Bei Regenwetter lieber ohne Sofa im mobilen Wohnzimmer auf dem Wochenmarkt: Melanie Kottek, Anja Junge, Matthias Hayn und Andreas Ebermann | Foto: Rafael Sampedro



Das Hotel Neißeblick am Rande der Kleinstadt Ostritz, unmittelbar an der Grenze nach Polen gelegen, hat sein weitläufiges Gelände nicht zum ersten Mal der NPD zur Verfügung gestellt. 2012 fand hier ein Landesparteitag statt, im vergangenen Jahr ein Sportfest. Das für den 20. und 21. April geplante Rechtsrock-Festival bewegt sich in viel größerem Rahmen: Prominente rechtsextreme Bands und Redner haben sich angesagt. Europaweit wird dafür geworben, unter anderem im verbotenen Netzwerk „Blood and Honour“. Auch der sogenannte „Kampf der Nibelungen“ steht beim Festival auf dem Programm, ein Veranstaltungsformat, das als Magnet für aggressive Neonazis und Hooligans gilt.
Wie reagiert man als Bürger eines Zweieinhalbtausend-Einwohner-Städtchens angemessen auf eine solche Veranstaltung? Michael Schlitt, der Leiter des in Ostritz gelegenen Internationalen Begegnungszentrums St. Marienthal (IBZ) zögerte nicht lange, als er im vergangenen Dezember aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von dem geplanten Großereignis erfuhr und ließ den Ostritzer Marktplatz am dritten Wochenende nach Ostern für ein Bürgerfest reservieren. Bald darauf lud das IBZ Vertreter aller Vereine des Ortes ein, um das weitere Vorgehen gemeinsam abzustimmen. Neben denen, die – wie Michael Schlitt – unbedingt dafür waren, mit einer Veranstaltung deutlich sichtbar zu machen, dass Ostritz für Weltoffenheit, Toleranz und Demokratie steht und der menschenverachtenden Ideologie der Nazis nicht das Feld überlässt, gab es auch Bedenkenträger. Einige sorgten sich, mit ihrer Präsenz der Eskalation von Konflikten mit gewaltbereiten Linken möglicherweise noch Vorschub zu leisten. Andere konnten ihre Ängste nicht konkret benennen, entschieden sich aber dafür, am besagten Wochenende sicherheitshalber wegzufahren oder bei runtergezogenen Rolläden zu Hause zu bleiben.

Mit Skeptikern im Gespräch bleiben
„Wir nehmen die Ängste ernst. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was er vom 20. bis 22. April tut“, sagt der katholische Gemeindereferent Stephan Kupka. Er gehört zum fünfköpfigen Vorbereitungsteam, das sich unterdessen gebildet hat. Auch wenn die Entscheidung steht, dass die Veranstaltung unter dem Titel „Ostritzer Friedensfest – Zeichen setzen, hinsehen, handeln“ stattfinden wird, ist es den Initiatoren wichtig, mit Kritikern und Besorgten im Gespräch zu bleiben. Gelegenheit zum intensiven Austausch bot eine Bürgerversammlung. Mittwochs zum Wochenmarkt werden sich die Veranstalter insgesamt viermal mit einem „mobilen Wohnzimmer“ auf dem Marktplatz präsentieren. Bei einer Tasse Kaffee kann hier jeder seine Fragen, Sorgen und Vorschläge vorbringen.
Zum Auftakt am vergangenen Mittwoch wurde dieses Angebot trotz trüben kalten Wetters bereits genutzt. „Warum kann man diese Nazi-Veranstaltung nicht einfach verbieten?“, fragten mehrere Marktbesucher. Andere nutzten die Gelegenheit, um über politische Fragen ins Gespräch zu kommen, die ihnen schon lange auf den Nägeln brennen, die sächsische Bildungspolitik etwa oder Renten-Gerechtigkeit. Ein junger Mann erzählte, er habe vor einigen Jahren selbst in der rechten Szene mitgemischt. In Westdeutschland, wo er zwischenzeitlich lebte, sei er ins Nachdenken gekommen. Ausschlaggebend seien die Kontakte zu Ausländern gewesen, die er dort kennenlernte. „Wir haben uns gegenseitig akzeptiert und einander zugehört. Das lief alles völlig problemlos“, erzählt er. Diese Erfahrung will er auch an sein Kind weitergeben. Das Ostritzer Friedensfest findet er gut, als Signal, dass ein friedliches Zusammenleben mit allen möglich ist. Ein Rentner hingegen hält die Parallel-Veranstaltung schlichtweg für überflüssig. „Die machen doch nichts Schlechtes“, sagt er im Blick auf die NPD-Aktivisten. „Sie wollen doch nur, dass wieder Recht und Ordnung herrscht.“ Einer der Standbetreuer ringt um Fassung, als dieser Mann sich nach längerer Diskussion wieder verabschiedet. „Ich kenne ihn von jeher als freundlich und hilfsbereit. Eine solche Einstellung hätte ich bei ihm niemals erwartet!“ Die Altenpflegerin Friederike Schneider kam mit großen Ängsten an den Stand. „Ich habe ständig mit Menschen zu tun, die noch heute unter den Nachwirkungen des Naziregimes leiden. Wenn ich an dieses Wochenende denke, wird es mir richtig schlecht.“ Nach einem Gespräch mit der Stadträtin Melanie Kottek ist sie zuversichtlicher: „Sie hat mir Mut gemacht. Es ist wirklich wichtig, hier Gesicht zu zeigen. Die Veranstalter tun alles dafür, damit es friedlich bleibt. Und der da oben“, sagt sie mit einer ausladenden Kopfbewegung gen Himmel „wird uns hoffentlich auch beschützen“.

Ein kraftvolles Signal des Friedens geben
Von vielen Seiten haben die Ostritzer in den vergangenen Wochen Unterstützung zugesagt bekommen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretzschmer übernimmt die Schirmherrschaft für das Friedensfest. Das B3-Institut schult die Veranstalter unter anderem für den Umgang mit Ängsten und populistischen Meinungsbekundungen in der Bevölkerung. Vereine und Kulturschaffende haben sich mit Ständen, Mitmachaktionen und Kulturprogramm angesagt. Bürgermeisterin Marion Prange und die Stadtverwaltung unterstützen das Fest nach Kräften. Dennoch bitten die Ostritzer Christen weiter um Hilfe. Damit das Friedensfest zu einem kraftvollen Signal des Friedens wird, ist es wichtig, dass viele friedlich gesinnte Teilnehmer nach Ostritz kommen. In einem Brief an den Katholikenrat werden alle Katholiken des Bistums vom 20. bis 22. April nach Ostritz eingeladen. „Wir können noch Unterstützer gebrauchen, die uns an ihrer Erfahrung mit größeren Veranstaltungen teilhaben lassen“, sagt Gemeindereferent Stephan Kupka. „Und nicht zuletzt freuen wir uns, wenn Sie für uns beten.“

Von Dorothee Wanzek


Brief: An die Glaubensgeschwister im Bistum Dresden-Meißen (Auszug)
Im Jahr 1984 fand anlässlich der 750-Jahr-Feier des Klosters St. Marienthal eine Wallfahrt nach Ostritz statt, an der 20 000 (!) Katholiken aus Nah und Fern teilnahmen. Es war (durchaus  zum Erstaunen der damaligen Behörden) ein friedliches Glaubensfest ohne jegliche Zwischenfälle. Wir Christen in Ostritz empfanden dieses Fest damals trotz aller zu bewältigender Aufgaben als wunderbare Stärkung unseres Glaubens. Viele denken noch heute mit freudigen Erinnerungen daran zurück. Wenige Jahre später, im Herbst 1989, waren es wiederum viele Christen, die vor allem in den großen Städten unseres Bistums durch ihren friedlichen Protest wesentlich zum Gelingen der Friedlichen Revolution beitrugen. Immer wieder zeigen auch heute Christen durch ihr Engagement, was ihnen wichtig ist. Das alles macht uns Mut, uns mit diesem Brief an alle Gläubigen des Bistums zu wenden.
Bitte lasst uns an diesem Aprilwochenende nicht allein, sondern unterstützt uns durch eure Anwesenheit in Ostritz, damit dieses Wochenende ein buntes, frohes, lebensbejahendes und letztlich ein Glaubenszeugnis vieler friedliebender Menschen werden kann. Bitte kommt so zahlreich wie möglich nach Ostritz! Wir sind fest davon überzeugt, dass das Fest um so friedlicher verlaufen wird, je mehr Menschen guten Willens dabei sind. Und nicht zuletzt können wir es damit schaffen, dass die Botschaft, die an diesem Wochenende aus Ostritz in die Welt getragen wird, eine positive ist.

Das Organisationsteam