Ökumenischer Verein für Integration und Bildung in Leipzig
Perspektiven geben
Geflüchtete bekommen in Leipzig schulische Nachhilfe, berufliche Perspektiven und ein offenes Ohr, hier von Daniel Fickenscher. Foto: Silvia Funke |
Für Melanya ist die deutsche Geschichte eine Herausforderung. Die Armenierin ist seit vier Jahren in Leipzig. Im Geschichtsunterricht in ihrer Heimat wurden andere Schwerpunkte gesetzt. Nach einem Jahr Deutsch als Zweitsprache ging es für sie in die zehnte Klasse ans Gymnasium. Da stand gleich eine große Hausarbeit an: „Ich wusste noch nicht, wie man so etwas schreibt. Unterstützung habe ich beim Ökumenischen Verein für Integration und Bildung bekommen“, so die Abiturientin.
Der Verein ging 2020 aus einem bereits 2015 vom Bistum über drei Jahre geförderten Pastoralprojekt hervor. Daniel Fickenscher ist hauptamtlich im Verein tätig: „Wir betreuen derzeit etwa 30 Schüler vom Grundschulalter bis zur 50-jährigen Umschülerin. Wir gleichen Defizite der allgemeinbildenden Schulen aus und kümmern uns um Menschen mit speziellem Förderbedarf aufgrund der Sprachbarriere“. Dafür stehen Räumlichkeiten der Gemeinde St. Laurentius im Leipziger Osten zur Verfügung. Melanya schätzt das Angebot und die Ansprechpartner: „Ohne Deutschkenntnisse ist es schwer, Freunde zu finden. Im Verein wird für Ankommende ein wichtiger Grundstein gelegt.“ Der anschauliche Unterricht von Historiker Fickenscher mit Ausflügen zu mitteldeutschen Schauplätzen der Geschichte hat es Melanya ermöglicht, in diesem Fach sogar die Abiturprüfung abzulegen.
Pläne schmieden, Perspektiven eröffnen
Nazira kommt aus Afghanistan. Die 22-Jährige ist vor vier Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Sie besucht das Leipzig-Kolleg und holt ihren Schulabschluss nach. Pläne für ihre berufliche Zukunft hat sie noch nicht. Das Ankommen ist für sie Herausforderung genug. „Ein zentraler Ansatz unserer Arbeit liegt in der Integration“, betont Hubert Späth, der sich ehrenamtlich im Verein engagiert. Er schafft Räume, wo Firmen auf der Suche nach Fachkräften und Arbeitssuchende mit Migrationshintergrund zusammenkommen. „Wir besuchen mit den jungen Leuten zum Beispiel Jobmessen und zeigen ihnen so berufliche Perspektiven auf.“ Dabei bietet der Verein auch Unterstützung im Bewerbungsprozess. So konnte man auch der 15-jährigen Milia einen Praktikumsplatz bei einer Schneiderin verschaffen: „Meine Mutter war Schneiderin in Syrien. Im Verein bekomme ich nun auch Unterstützung bei der Erstellung meines Praktikumsberichts.“ Etwa 30 Ehrenamtliche unterstützen die Arbeit: Vom pensionierten Religionslehrer, der den überwiegend muslimischen Schülern im Pflichtfach Religion an der Berufsschule weiterhilft, über den Physikprofessor bis hin zu Lehrern, die sich in ihrer Freizeit einbringen. „Lange konnten wir aufgrund der Pandemie nur online unterrichten“, berichtet Daniel Fickenscher. „Da ist es schwer, Sprache zu vermitteln und Ehrenamtliche und Schüler bei der Stange zu halten.“ Vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich sei man auf der Suche nach weiteren Engagierten.
Derzeit bereitet man sich auf die Ankunft ukrainischer Geflüchteter vor: „Wir setzen uns mit den Neuankömmlingen zusammen und schauen, was gebraucht wird. Dann spannen wir unser Netzwerk und helfen ganz unbürokratisch,“ so Fickenscher. Dabei frage man nicht nach dem Aufenthaltsstatus: Bildung und Sprache seien das Tor, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Das erschwert die Beantragung von staatlichen Fördergeldern, denn dabei sind Informationen, zum Beispiel zum Aufenthaltsstatus, Voraussetzung.
Der Verein finanziert sich aktuell aus Spenden und der Förderung durch die Pfarrei Heilige Maria Magdalena Leipzig-Ost sowie die evangelisch-lutherische Erlöserkirchgemeinde Thonberg. Daniel Fickenscher hofft auf ein Ende der Pandemie: Dann kann er bei Stadt- und Gemeindefesten wieder persönlich um Unterstützung werben. Und mit seinen jugendlichen Schützlingen vielleicht auch mal eine Party feiern.
Im April starten neue Deutschkurse. Anmeldung: vorstand@integration-leipzig.de; 01 76 / 45 67 45 16 Weitere Informationen: www.integration-leipzig.de
Von Silvia Funke