Drei Fragen an …
Peter Meinke
Foto: privat
Sie waren lange Zeit als Notfall- und Polizeiseelsorger aktiv, was hat es mit Ihrem Glauben gemacht, Leid auf diese Weise mitzuerleben?
In meiner fast 11-jährigen Zeit als Polizeiseelsorger habe ich beide Seiten des Lebens erfahren. Die gute Seite in vielen menschlichen Begegnungen, die mir immer wieder deutlich machten, unter der Uniform stecken Menschen wie du und ich. Auf der anderen Seite ist es ja so, dass die Polizei immer dann gerufen wird, wenn etwas Unangenehmes bis hin zum Tod geschehen ist. Ich habe mich immer einfach auf die Menschen eingelassen, ohne zu überlegen, was macht das mit mir. Ich bin dankbar dafür, dass ich die Geschehnisse immer gut „wegstecken“ konnte. Manches Mal habe ich mir gedacht, dass ist der Platz, an dem Gott mich haben wollte. Ein Erlebnis, welches mich „aus den Puschen“ gehauen hat, hat mich und meinen Glauben sehr stark geprägt. Es ging um einen tödlichen Unfall eines 15-jährigen Mädchen. Ich kannte das Kind und die betroffene Familie. Ich erfuhr bei der Betreuung meine ganze Hilflosigkeit. Man erwartete von mir möglicherweise eine professionelle Hilfe um den Eltern zu helfen, aber ich konnte nicht. Während der anschließenden Autofahrt habe ich mit Gott geschimpft und gepöbelt, weil mir der Tod des jungen Mädchen so sinnlos erschien. Am Ende der Fahrt wurde mir klar, was ich da getan hatte. Dann geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte; ich wurde ganz ruhig. Da wusste ich, Gott hat verstanden, wie mir zumute war. Seitdem habe ich, bei den meist nächtlichen Alarmierungen, immer den Blick nach oben zu meinem „Chef“ gerichtet und gesagt: „Du kommst jetzt mit, Du hast mich darein geritten, jetzt holst Du mich da auch bitte wieder raus!“ So habe ich bei den Einsätzen immer einen guten „Mitarbeiter“ gehabt. Ich habe getan, was ich konnte und gelernt hatte, den Rest erledigt dann mein „Mitarbeiter“. Diese Einstellung gab mir Ruhe und Sicherheit und ich ging ohne Angst in die Einsätze.
Wie sieht Selbstfürsorge bei Ihnen aus - können Sie konkrete Tipps geben?
Bei der Arbeit in diesem Bereich ist es ganz wichtig, auf sich selbst zu achten und die eigene Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) im Auge zu behalten. Ich finde es ganz wichtig, über das Geschehene zu sprechen, aber darauf zu achten, es nur mit denen zu tun, die zuhören können. Diese Vorrausetzung gilt ebenfalls bei der Tätigkeit als Notfall- und Polizeiseelsorger. Wie will ich sonst erfahren, wie jemandem zu Mute ist, wenn ich das Gespräch ständig mit Tipps und Ratschlägen unterbreche. Um zuhören zu können muss ich keine besondere Ausbildung haben. Der liebe Gott hat das ja ganz praktisch eingerichtet; er gab uns zwei Ohren und einen Mund, damit wir mehr zuhören als reden sollen!
Stichwort Gottesbegegnung - hatten Sie in Ihrem Leben Momente, in denen Gott für Sie sehr präsent war?
Die Dag Hammarskjöld zugeschriebene Aussage: „Zufall ist das Pseudonym Gottes, wenn er nicht selbst unterschreiben will“, hat mich in meinem Glaubensleben immer begleitet. Nur habe ich auch erst lernen müssen, dass es dabei auf meine ganz persönlich Einstellung ankommt. Zuerst bin ich davon überzeugt, dass die „Idee Mensch“ so einmalig ist, dass sie kein Zufallsprodukt der Evolution sein kann, sondern dass dort etwas am Werk ist, was nachmeiner Glaubensüberzeugung GOTT ist. Die Zusage dieses Gottes, ich bin bei euch alle Tage eures Lebens gibt mir Ruhe und Sicherheit, auch schwere Situationen auszuhalten. Sei es beim Tod meiner jüngeren Brüder, dem Verlust guter Freunde, oder dem bereits beschriebenen Einsatz während meiner beruflichen Tätigkeit. Vielleicht hat Gott mir deshalb meinen Humor gegeben, damit ich auch die schönen Seiten des Lebens sichtbar machen kann.
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Peter Meinke ist Diakon in der Gemeinde St. Maria in Harburg (Pfarrei Hl. Maximilian-Kolbe), war lange Jahre Diözesanbeauftragter für die Polizei- und Notfallseelsorge, Flughafenseelsorger und Gründer des Hospizvereins Hamburger Süden.
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Die bisherigen Drei Fragen an … finden Sie hier. Der Benediktiner Lukas Boving wird etwa gefragt, ob er schon mal über sein Gewand gestolpert ist, Schwester Myrta aus Reinbek muss ihr liebstes Kochrezept herausrücken und Erzbischof Stefan Heße darf mal fühlen, ob er Kirchenbänke ungemütlich findet. „Drei Fragen an…“ öffnet die Augen für Menschen hinter der Kirchenmauer. Es darf offene Ohren, lustige Anekdoten und ehrliche Glaubenszeugnisse geben.