Priesterausbildung in Deutschland soll neu geordnet werden
Pläne stoßen auf geteiltes Echo
Das Priesterseminar in Erfurt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Dom und St. Severi-Kirche. Seit 1952 wurden hier fast alle im Osten Deutschland tätigen Priester ausgebildet. Foto: imago images/Bild13 |
Bei den ostdeutschen Bischöfen stoßen die Vorschläge zur Reform der Priesterausbildung in Deutschland auf ein unterschiedliches Echo. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige kritisiert die Vorschläge als zu einseitig. Er bemängelt eine Konzentration der möglichen Ausbildungsstandorte im Westen. Zweifellos lebten im Osten Deutschlands nur wenige Katholiken und die Gesellschaft erscheine „ziemlich religionsresistent“, sagte Feige. „Gerade in einer solchen Situation aber könnte man sich hautnah mit Entwicklungen auseinandersetzen, die der katholischen Kirche in anderen Regionen Deutschlands in dieser Radikalität so wohl noch nicht beschieden sind.“ Dies täte nicht nur denjenigen gut, die später im Osten Deutschlands „evangelisieren und missionieren“ sollten, so der Magdeburger Bischof weiter. Es wäre auch hilfreich für jene, „die bislang noch keine oder kaum eine Vorstellung davon haben, was es heißt, in nicht so üppigen Verhältnissen wie in mancher noch volkskirchlich geprägten Region dennoch lebendig Kirche zu sein und die christliche Botschaft möglichst verständlich anderen nahezubringen“.
Feige: Kein ermutigendes und solidarisches Signal
Feige, der vor seiner Bischofsweihe selbst als Kirchengeschichtler in der Priesterausbildung in Erfurt tätig war, und seine Amtsbrüder in Berlin, Dresden, Erfurt und Görlitz sind Träger des dortigen Priesterseminars. Hier wurden seit 1952 fast alle in Ostdeutschland tätigen Priester ausgebildet. Im jetzigen Vorschlag der Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz zur Reform der Priesterausbildung ist das Erfurter Seminar nur noch als ein Partner für die dritte Ausbildungsphase der Priester, den sogenannten Pastoralkurs, vorgesehen.
Feige meinte dazu: „Erfurt als ehemaliges Zentrum der Priesterausbildung für die gesamte DDR und als auch heute kompetente katholische Forschungs- und Ausbildungsstätte völlig zu übergehen, erscheint mir und anderen Katholiken im Osten Deutschlands 30 Jahre nach der Wiedervereinigung als kein ermutigendes und solidarisches Signal.“ Darum solle noch einmal „gut überlegt werden, auf welche Weise die katholische Kirche in Deutschland auch ihren Osten in die Priesterausbildung konstruktiv mit einbezieht“.
Neymeyr: In säkularem gesellschaftlichen Umfeld
Zuvor hatte bereits der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr „sehr enttäuscht“ über die Nicht-Berücksichtigung Erfurts in dem Konzept gezeigt. Die Ausbildung in Thüringens Landeshauptstadt stehe „wie keine andere unter dem Zeichen der kirchlichen Präsenz in einem säkularen gesellschaftlichen Umfeld“. Diese Perspektive sei für Priester notwendiger denn je. Er werde sich dafür einsetzen, dass es in der Mitte Deutschlands auch weiter einen Schwerpunkt der Priesterausbildung geben werde, kündigte der Bischof des Bistums Erfurt an.
Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt biete eine exzellente theologische Ausbildung und sei national und international bestens vernetzt, betonte Neymeyr. Studierende aus ganz Deutschland schätzten die zentrale Lage der Stadt und die hervorragenden Bedingungen.
Unabhängig von den Überlegungen der Bischofskonferenz werde er am Erfurter Priesterseminar festhalten, weil ihn das Ausbildungskonzept überzeuge, so Neymeyr. Dort lebe zur Zeit eine kleine Gruppe von Priesteramtskandidaten zusammen mit einer Gruppe junger Menschen, die verschiedene Fächer studieren. Die Priesteramtskandidaten wohnten, beteten und studierten gemeinsam, begegneten aber auch den anderen Studierenden im Haus bei Gesprächen, Gottesdiensten und Mahlzeiten. Beide Gruppen bereicherten sich gegenseitig. Dieses Konzept sei auch mit einer kleinen Gruppe von Priesteramtskandidaten gut zu verwirklichen. „Daher steht der Fortbestand des Erfurter Priesterseminars zurzeit nicht in Frage“, so Neymeyr.
Der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers hat das von ihm mitentwickelte Konzept einer Konzentration der Priesterausbildung auf weniger Standorte verteidigt. Der Rückgang der Kandidatenzahlen mache einen neuen Ansatz unumgänglich, sagte Timmerevers der Katholischen Nachrichten-Agentur. Er verwies darauf, dass die Zahl der katholischen Priesteramtskandidaten von 594 im Jahr 2010 auf derzeit 211 zurückgegangen sei.
Der Bischof des Bistums Dresden-Meißen gehört mit dem Münsteraner Bischof Felix Genn und dem Fuldaer Bischof Michael Gerber zu der Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz, die das Konzept erarbeitete. Die damit gemachte Empfehlung stieß vor allem bei Bischöfen, deren Ausbildungsstätten verkleinert oder geschlossen würden, auf Kritik.
Timmerevers räumte ein, dass durch das Reformkonzept „lange Zeit bewährte Strukturen“ der Priesterausbildung wegfallen würden. Auch bedeute es „schwerwiegende Einschnitte“ im Verhältnis zu den Katholisch-Theologischen Fakultäten und die sie tragenden Bundesländer.
Timmerevers: Neue Ansätze für neue Herausforderungen
Nun seien aber neue Ansätze erforderlich, um die künftigen Priester auf ihre beruflichen Herausforderungen vorzubereiten, sagte Timmerevers. Als Beispiel nannte er die zunehmende Kooperation mit nichtgeweihten pastoralen Mitarbeitern. Vor diesem Hintergrund habe die Arbeitsgruppe „aufgelistet, wo dies am ehesten realisiert ist oder zu realisieren wäre“. Das seien aus Sicht der Arbeitsgruppe die genannten Standorte. Der Bischof räumte ein, dass die theologischen Fakultäten zuvor nicht um eine Stellungnahme angefragt worden seien. „Wir werden nicht alle zufriedenstellen können“, so der Dresdner Bischof.
Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, der vor seiner Bischofsweihe Regens des Erfurter Priesterseminars war, hat für eine Zusammenlegung der Ausbildungsstätten katholischer Priester in Deutschland Verständnis geäußert. „Es geht bei dem Vorschlag, der dem Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz nach inzwischen jahrelangen Überlegungen und Gesprächen vorgestellt wurde, vor allem um eine Qualitätssicherung der künftigen Priesterausbildung“, erklärte Ipolt. „Es sollten aus meiner Sicht wieder anziehende geistliche Lern- und Lebensgemeinschaften entstehen, die junge Männer verlocken, in einer Priesterseminar einzutreten.“
Es dürfe nicht verwundern, dass die Vorschläge, die für weitere Überlegungen die Grundlage bilden, auch Enttäuschungen hervorriefen. „Auch ich hätte mir gewünscht, dass Erfurt als Ausbildungsort in den neuen Bundesländern stärker ins Spiel gebracht wird“, so Ipolt. „Dennoch gilt: Wir müssen um der künftigen Kandidaten willen jetzt auf größere Kooperation setzen.“
Der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, Jörg Seiler, sieht die theologischen Fakultäten durch eine Reduzierung der Ausbildungsorte für Priester nicht gefährdet. „Ich interpretiere den Vorschlag der Bischöfe so, dass binnenkirchliche Entwicklungen uns gewissermaßen einen Dienst leisten: Es ist Aufgabe der Theologie, kreativ und im je regionalen Kontext, das ureigene und nicht von binnenkirchlichen Klärungsprozessen abhängige Potenzial ihres eigenen Tuns zu formulieren“, sagte Seiler in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. (kna/tdh)
Jörg Seiler: „Das Problem des kleinen Seminars in Erfurt ist durch einige ostdeutsche Bistümer produziert worden.“ Foto: Universität Erfurt |
Die Ausbildung der katholischen Priester in Deutschland steht vor einschneidenden Änderungen. Der Vorschlag einer Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz sieht nur noch drei Standorte für die Hauptphase der Ausbildung mit dem vierjährigen Theologiestudium vor: München, Münster und Mainz. Was bedeutet das für die anderen Theologischen Fakultäten? Die Katholische Nachrichten-Agentur sprach darüber mit Jörg Seiler, dem Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Es ist die einzige katholische Fakultät in Ostdeutschland.
Hieraus erwächst implizit die Verpflichtung, in einem säkularen Umfeld, das sich seit einigen Generationen in die Kultur und in das Selbstverständnis der Menschen eingepflanzt hat, den Input und die Auseinandersetzung mit Theologie präsent zu halten und dadurch diskursiv Gesellschaft weiterzuentwickeln. Dies ist eine sehr weitsichtige, hochmoderne Perspektive. Und es stellt eine in der Bundesrepublik einmalige konkordatsrechtliche Situation da.