Neuer ukrainischer Seelsorger
Priester mit sechs Kindern
Sabine Moser
„Ich freue mich, dass in unserer Stadt intensiver ein Seelsorger für die Menschen aus der Ukraine da sein kann“, sagt Propst Reinhard Heine. Heine ist Pfarrer der Gemeinde St. Aegidien zu der auch die Kirche St. Joseph gehört, in der der ukrainische Seelsorger Gottesdienste feiert.
Terletskyy ist ein Priester der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. „Vom Prinzip her haben wir einen byzantinischen östlichen Ritus wie die orthodoxen Kirchen, dennoch sind wir in Union mit Rom in Fragen von Dogmatik und Moral“, erläutert der Geistliche in ausgezeichnetem Deutsch. So gelte das Kirchenrecht der Ostkirche. Hier dürfen die Diözesanpriester im Gegensatz zu ihren römisch-katholischen Glaubensbrüdern vor der Diakonweihe heiraten. „Zölibat und Mönchtum sind dennoch hoch angesehen bei uns“, berichtet der Geistliche.
In Österreich hat er Deutsch gelernt
In Sowjetzeiten war die griechisch-katholische Kirche verboten, so kam der 1977 in Lemberg geboren Terletskyy erst zum Ende dieser Weltmacht Anfang der 1990er-Jahre mit Religion in Berührung. Besonders prägend war für ihn ein Seelsorger, der sich in Sowjetzeiten als Untergrundpriester engagierte. „Ich würde sagen, ein heiliger Mensch.“ So begann er nach dem Abitur ein Theologiestudium am Priesterseminar seiner Heimatstadt.
Während seiner dreijährigen Promotionszeit an der Universität in Innsbruck lernte der heute 45-Jährige Deutsch. In Tirol war er auch als Gefängnisseelsorger tätig und wurde 2008 zum Diakon geweiht. Die russischsprachigen Insassen im Gefängnis zu betreuen, war seine Aufgabe im ökumenischen Seelsorgeteam: „Hier habe ich keine einfache, aber sehr prägende und aufbauende Erfahrungen bekommen.“ Außerdem lernte er den römisch-katholischen Ritus kennen. Mit Genehmigung aus Rom dürfte er auch Messen in diesem Ritus feiern. Zurück in der Ukraine begann er seine Arbeit als Dozent am Bibelinstitut an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lemberg, und war parallel dazu in der Gefängnisseelsorge tätig. Im vergangenen Jahr wurde der Bibelwissenschaftler Leiter des Instituts.
Im Oktober 2013 zum Priester geweiht, erlebte er den Beginn des Maidans hautnah. „Das war der Aufstand gegen die Willkür unseres damaligen Präsidenten. Unsere Studenten aus der katholischen Universität sind nur ganz knapp der Prügelei der Sonderpolizei entgangen“, berichtet der Zeitzeuge, als sei es gestern gewesen. „Mein Priesterdienst war immer im Ausnahmezustand.“
Momentan hat er viel mit dem Umzug mit seiner großen Familie von Großburgwedel nach Göttingen zu tun. In den Norden Deutschlands kam Terletskyy über seine Kontakte zu Ukrainern in Hannover.
„Sie haben vor über einem Jahr meine Frau und meine Kinder eingeladen, als sie von unseren Nöten wegen dem gesundheitlichen Zustand meiner Frau erfahren haben“, berichtet der Familienvater. Aus gesundheitlichen Gründen war es seiner Frau schier unmöglich mit den sechs Kindern – heute zwischen zwei und 15 Jahre alt – bei Luftalarm zügig in den Luftschutzkeller zu gelangen. Terletskyy kam nach dem Sommersemester im vergangenes Jahr nach und lehrte im folgenden Wintersemester online von Deutschland aus, bevor er mit seinem Dienst im Bistum Hildesheim begann.
Ostkirchen schon lange in Braunschweig vertreten
In Braunschweig besteht bereits seit dem Zweiten Weltkrieg eine griechisch-katholische sowie eine orthodoxe Gemeinde, anfangs für die ehemaligen ukrainischen Zwangsarbeiter, die dem Krieg in Braunschweig blieben. In den mehr als 70 Jahren feierten beide Konfessionen zeitweise getrennt, zeitweise gemeinsam Gottesdienst in der evangelischen Chemnitz-Kirche. Terletskyys erste Amtshandlung war es, mit Propst Heine St. Joseph als neuen Gottesdienstort zur finden. „Wir sind sehr freundlich aufgenommen worden“, sagt er.
Bei den Treffen nach dem Gottesdienst im Gemeindesaal plant Terletskky eine Sonntagsschule für Groß und Klein, will seinen Landsleuten Deutsch lehren, mit den Kindern und Jugendlichen Ausflüge machen und spielen. Außerdem versucht er, für alle ein offenes Ohr zu haben und Hilfe für die Ukraine zu organisieren. Vor allem Medikamente und Krankenbetten würden gebraucht. „Man sieht immer noch kein Ende in diesem Krieg“, sagt er traurig.
Der Pfarrer lädt auch die Orthodoxen ein
Bei den zahlreichen Flüchtlingen in der Löwenstadt hat sich die Neuigkeit von Gottesdiensten in ukrainischer Sprache schnell herumgesprochen. Kürzlich kamen über 200 Landsleute zu seiner Messe nach St. Joseph, freut sich der Pfarrer. „Ich lade auch die orthodoxen Christen zum Gebet, zur Beichte und zur gemeinsamen Kommunion ein, weil sie keine anderen Möglichkeiten haben.“
Zur Sache:
Gottesdienst an zwei Standorten
Pfarrer Terletzkyy feiert regelmäßig in der katholischen Kirche St. Joseph, Goslarsche Straße 6, in Braunschweig heilige Messen. Am 1., 2. und 4. Sonntag sowie jeden 3. Samstag im Monat beginnen die Gottesdienste jeweils um 11 Uhr. Der Name dieser Seelsorgestelle lautet „Einzug in den Tempel unserer Herrin Maria“.
In Göttingen-Geismar feiert der Geistliche regelmäßig in der katholischen Kirche Maria Frieden, Sandersbeek 1, Gottesdienste. Die Messen in dieser Seelsorgestelle mit dem Namen „Zum Seligen Mykolyi Tscharnetskyi“ beginnen jeden 1., 3. und 5. Sonntag im Monat um 16 Uhr sowie jeden 2. und 4. Samstag des Monats um 11 Uhr.