Rolle des Eichsfelds in der DDR
Rosenkranz-Kommunismus
Großveranstaltungen wie die Heiligenstädter Palmsonntagsprozession gewannen laut Christian Stöber für die Eichsfelder Katholiken in der DDR an Bedeutung als „Machtdemonstration“ und „sichtbare Gegenöffentlichkeit“. Foto: kna |
Der junge Historiker Christian Stöber (Jahrgang 1987) knüpft mit seiner Doktorarbeit an die kontrastreiche Berichterstattung über das Eichsfeld im Zuge des Papstbesuchs von 2011 an. Die Kurzvisite Benedikts XVI. hatte damals dazu geführt, dass sich das mediale Interesse deutschlandweit plötzlich auf eine Region richtete, von der viele nie zuvor gehört hatten. In vielen Berichten erschien die katholische Enklave wie eine schier uneinnehmbare Festung, die das DDR-Regime ohne nennenswerte Risse überstanden hat. Einige Journalisten – etwa Klaus Taubert, der ehemalige Chef der DDR-Nachrichtenagentur ADN – griffen dagegen die offizielle Sichtweise der DDR-Geschichtsschreibung wieder auf und stellten das Eichsfeld zwischen 1945 und 1989 als Modell für gute Zusammenarbeit zwischen Partei und Klerus heraus. Beispielsweise seien die einheimischen Christen „die vorbildlichsten Wähler im ganzen Land“ gewesen.
Christian Stöber, der seine Arbeit jüngst in leicht gekürzter und überarbeiteter Form unter dem Titel „Rosenkranz-Kommunismus“ veröffentlicht hat, entfaltet ein facettenreiches Bild der DDR-Realität im Eichsfeld. Dabei wird nicht nur deutlich, welche Akzente Kirche und Partei in verschiedenen historischen Phasen gesetzt haben, sondern auch, wie vielschichtig die Erfahrungen sein konnten, die Eichsfelder Katholiken zur selben Zeit machten.
Sein besonderes Interesse gilt dem Eichsfeldplan, den die Machthaber 1958 entwarfen, um einen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Aufschwung für das Eichsfeld auf den Weg zu bringen. Mit dem Umbau der mehrheitlich von privatbäuerlicher Landwirtschaft, industriellen Kleinbetrieben und einem konservativen katholischen Milieu geprägten Region verknüpfte sich die Absicht, die katholische Bevölkerung für den Sozialismus zu gewinnen.
Es gab nach der Gleichschaltung der CDU, die anfangs politisch einiges für Interessen der Christen erreichen konnte, kaum mehr offenen Widerstand, stellt Christian Stöber fest. Zwar seien viele Eichsfelder nicht bereit gewesen, Karriere-Nachteile in Kauf zu nehmen – etwa, wenn sie ihre Kinder zur Jugendweihe anmeldeten – trotzdem stellt er für das östliche Eichsfeld in seiner Gesamtheit fest: „Die katholische Kulturhohheit, Religiösität und Volkskirchlichkeit bestand trotz Diskriminierungen, Drangsalierungen und Repressionen fast unverändert fort.“ Trotz der administrativen Vormachtstellung sei die SED im Eichsfeld sowohl innerparteilich als auch herrschaftspolitisch hinter ihren Ansprüchen und Vorstellungen zurück geblieben. Dazu trug auch bei, dass die SED verantwortliche Positionen kaum mit Einheimischen besetzte. Die zeitweiligen Versuche, SED-Mitglieder zum Kirchenaustritt zu zwingen, hätten in der Bevölkerung das Misstrauen geschürt gegen die vorgebliche Kirchentoleranz des Regimes.
Stabilisierend auf das katholische Milieu hätte sich nicht zuletzt das Hierarchiesystem der Kirche ausgewirkt. Der Klerus übernahm dabei eine Schutzfunktion für bedrängte Katholiken. Bei kritischen Anfragen konnten Kirchenvertreter die Behörden wegen mangelnder Gesprächsbefugnis immer auf die Bischofsebene verweisen.
Christian Stöber: Die SED-Diktatur und das katholische Milieu im Eichsfeld 1945-1989; Ch. Links Verlag Berlin 2019; ISBN 9783962890643; 424 Seiten, Preis: 40 Euro
Von Dorothee Wanzek