Sammlung für mehr Durchblick
Erst hatte Sonja Dammeyer aus Kappeln nur eine Brille übrig, die sie nicht wegwerfen wollte. Dann machte sie sich kundig, was sich mit alten Brillen noch anfangen lässt. Und nun hat sie schon mehr als 1 800 Exemplare gesammelt.
Sonnenbrillen, Lesebrillen, Faltbrillen, Spezialbrillen und sogar Brillen mit Beleuchtung: Was Sonja Dammeyer in den vergangenen Wochen und Monaten an Sehhilfen gesammelt hat, reicht von topmodischen Modellen bis zu inzwischen verwegen anmutenden Gestellen, wie sie vor vielen Jahrzehnten einmal üblich waren. Sie habe quasi schon „die Brillenmode der letzten 70 bis 80 Jahre“ in der Hand gehabt, erzählt die Katholikin aus der Kirchengemeinde von Kappeln. „Die werden ja auch nicht schlecht“, meint sie fröhlich.
Dass Sonja Dammeyer mit dem Sammeln von Brillen angefangen hat, hat nichts mit einem Hobby oder Spleen zu tun, sondern dient einer guten Sache. Selbst Brillenträgerin, hatte sich die Lehrerin Anfang des Jahres eine neue Lesehilfe gekauft und nun das alte Exemplar übrig. Und da Brillen ja nicht unbedingt billig sind, hat sie recherchiert, ob sich mit der alten Brille nicht noch etwas anfangen ließe. Im Internet fand sie die Seite www.brillenweltweit.de,
eine Aktion, die unter dem Dach des Deutschen Katholischen Blindenwerks beheimatet ist und auf eine Initiative des inzwischen verstorbenen Koblenzer Apothekers Dr. Klaus Stephan Kiefer aus den 1970er Jahren zurückgeht. In fünf lokalen Projekten, die mit den örtlichen Jobcentern der Arbeitsagentur kooperieren (vier davon in und um Koblenz, eins in Berlin), werden die Brillen von Langzeitarbeitslosen gereinigt, aufgearbeitet, von einigen ehrenamtlichen Profis vermessen und dann beschriftet und verpackt. Sodann werden die Brillen an Partnerorganisationen in armen Ländern weltweit verschickt und kostenlos an Bedürftige abgegeben, wie auf der Internetseite nachzulesen ist. „Brillen spenden – Sehen schenken“, lautet das Motto der Aktion.
Einige Apothekenkunden kamen mit Plastiktüten
Da Sonja Dammeyer nun aber nicht wegen einer einzigen Brille ein Päckchen schnüren wollte und die nächste Sammelstelle erst in Eckernförde gewesen wäre, hat sie selbst das Sammeln angefangen. Und zwar im Freundes- und Bekanntenkreis und in ihrer Kirchengemeinde, in der die aus Bayern stammende Katholikin seit einigen Jahren aktiv ist.
Beim Sternsingen Anfang des Jahres hat sie nebenbei um gebrauchte Brillen gebeten und ratzfatz hatte sie die ersten 70 Stück zusammen. Sie setzte sich 150 Stück als nächstes Ziel. Doch das war viel zu knapp bemessen, denn aus den Kirchengemeinden von Kappeln, Süderbrarup und Damp kamen etliche Exemplare dazu und eine Apotheke klinkte sich mit ein. „Und dann rollte die Welle“, so Dammeyer. Allein in dem in der Apotheke aufgestellten Karton seien anfangs rund 350 Brillen binnen 14 Tagen gelandet. Einige Kunden seien mit gefüllten Plastiktüten gekommen, hieß es. Bis Ende April hat Dammeyer nun schon mehr als 1 800 Brillen gesammelt. „Ich habe eigentlich schon das Ziel, die 2 000 noch zu schaffen vor den Sommerferien“, sagt sie. Mittlerweile können die Brillen in zwei Apotheken, einem Nähstübchen und in den Kirchen von Kappeln, Süderbrarup und Damp abgegeben werden.
Inzwischen herrscht aber wohl schon einigermaßen Ordnung in den Schubladen rund um Kappeln. Doch ein bisschen was geht immer noch, glaubt Dammeyer. Neulich erst habe ihre Nachbarin 25 Brillen bei ihr abgegeben. Und warum dieses Engagement? „Ich finde, es ist ein ganz tolles Gefühl zu wissen, dass man mit so einer kleinen Aktion, die nicht viel Arbeit für mich selber bedeutet, so viel Gutes und Sinnvolles tun kann und so viele wertvolle Materialien noch einer wertvollen Bestimmung zuführen kann“, erläutert sie.
„Es verändert auch den Blickwinkel“
Und dieses gute Gefühl habe ja nicht nur sie selbst, sondern sicher auch diejenigen, die sich durch die Abgabe ihrer Brillen an dem weltweiten Projekt beteiligen. Für die Lehrerin ist das Ganze auch ein „Dienst am Nächsten“, den die Wohlstandsgesellschaft für Menschen in ärmeren Gegenden der Welt leisten kann, wo die Menschen nicht mal eben zum Optiker gehen können, um sich eine Brille anpassen zu lassen. „Wir beschweren uns hier über Dinge – die werden auf einmal auch kleiner. Es verändert auch den Blickwinkel.“ Mal an andere denken, das komme bei uns oft zu kurz, ist Sonja Dammeyer überzeugt. Wie gesagt, die 2 000 Exemplare will sie noch schaffen. „Dann bin ich schon megastolz auf das, was Kappeln, Schwansen und Angeln hier zusammen geschafft haben.“
Wer Brillen abgeben will, kann sie auch direkt nach Koblenz schicken. Infos dazu können unter www.brillenweltweit.de nachgelesen werden. Die Angaben zu den Sammelstellen finden sich – nicht ganz leicht zu entdecken – ganz unten auf der Seite.
Text: Marco Chwalek u. Marco Heinen