Besuch bei den Schwestern von der heiligen Elisabeth in Russland

Schwestern tragen Gemeinden

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Seit 25 Jahren wirken Schwestern von der heiligen Elisabeth im Bereich der früheren Sowjetunion. Die Provinzoberin der Schwestern in Deutschland, Dominika Kinder, besuchte sie in Russland und schildert ihre Eindrücke.

Zum 25-jährigen Jubiläum der Grauen Schwestern in Russland fand in Nowosibirsk ein Festgottesdienst statt. | Foto: Schwester Dominika Kinder
 
„Menschenwerke müssen all’ vergeh’n! Ewig, ewig bleibt das Kreuz besteh’n und die Kirche Gottes wird nicht untergeh’n!“ Wenn wir in der Pfarrjugend meiner Heimatgemeinde in Karl-Marx-Stadt/Chemnitz diesen Kanon gesungen haben, war das nicht nur Ausdruck unseres Glaubens, sondern immer auch unseres Widerstandes gegen die Rede vom Sieg des Kommunismus und die Lehre vom „wissenschaftlichen“ Atheismus, die wir Tag für Tag in der Schule zu hören bekamen.
Wenn man dann, Jahrzehnte später, im sibirischen Novosibirsk und in der russischen Hauptstadt Moskau in der katholischen Kathedrale die heilige Messe mitfeiert, dann geht einem das schon sehr unter die Haut. Man hat das Gefühl, ein Wunder zu erleben. Jedenfalls erging es mir so, als ich vor wenigen Wochen in Russland das 25-jährige Ortsjubiläum unserer Schwestern in diesem Land mitfeiern durfte.
 
Graue Schwestern fassen mit ihrem Ordenscharisma Fuß
Nicht nur die Tatsache, dass die Schwestern von der heiligen Elisabeth dazu beitragen, dass die katholische Kirche dort wieder auflebt, wo sie mehr als 70 Jahre unterdrückt und verfolgt wurde, war der Grund unserer Festfreude, sondern auch die Erfahrung, dass unser Ordenscharisma offenbar in diesem Land  „angekommen“ ist und Wurzeln geschlagen hat. Denn zu den 28 Elisabeth-Schwestern, die jetzt auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion leben und arbeiten, gehören inzwischen acht einheimische Schwestern. 
Der Anfang der ersten drei Schwestern vor 25 Jahren war mehr als armselig und es gehörte viel Mut dazu, nicht aufzugeben. Auch heute sind Arbeit und Leben dort nicht leicht. Vielen Menschen ist auch in Russland alles, was mit Religion zusammenhängt, irgendwie suspekt, die katholische Kirche wird als Vertreterin der westlichen Welt mit doppeltem Argwohn betrachtet, und Ausländer, die im Lande bleiben wollen, sind nirgendwo beliebt, auch nicht, wenn sie Gutes tun.
 
Die Sorgen und Nöte der Menschen unterscheiden sich nicht so sehr
Die Menschen aber, denen der Dienst der Schwestern in den inzwischen zehn Niederlassungen im Bereich der ehemaligen Sowjetunion gilt, schätzen die Ordensfrauen und sind dankbar für ihr Dasein.  Die Gruppen der Notleidenden, um die sich die Schwestern in den Niederlassungen in Russland (5), in der Ukraine (2), in Kasachstan (2) und in Georgien (1) sorgen, unterscheiden sich nicht von denen hierzulande und die Hilfe, die die Schwestern gemeinsam mit vielen Mitarbeitern der Caritas und in den Pfarrgemeinden anbieten, ist immer unzureichend. Das wird sich wohl auch kaum ändern.
Die Anwesenheit von Erzbischof Paolo Pezzi aus Moskau und des Apostolischen Nuntius in Russland, Erzbischof Antonio Mennini, beim Festgottesdienst in Moskau und von Bischof Clemens Pickel aus Saratov beim Gottesdienst in Novosibirsk (Bischof Joseph Werth war leider verhindert) und der vielen Priester, die mitgefeiert haben, zeigten, dass auch die Kirche den Dienst der Schwestern vor Ort sehr schätzt. Nach Aussagen von Bischof Pickel sind in den russischen Bistümern in fast allen Gemeinden Schwestern tätig, aber – so sagte er – ohne die Schwestern gäbe es an vielen Orten auch keine Gemeinde. Sie sind es, die die Gemeinde „zusammenhalten“ und Ansprechpartner in vielen Nöten sind. Sie halten Katechesen für Kinder und Erwachsene, Tauf-, Erstkommunion- und Ehevorbereitung, sind Initiatorinnen und Organisatorinnen der Pfarrcaritas, zuständig für Senioren- und Jugendarbeit, Sakristeidienste, Kirchenwäsche und Blumenschmuck. Es gibt nichts, was die Schwestern nicht können müssen, damit ein lebendiges Gemeindeleben nach innen möglich ist und ein lebendiges Zeugnis christlicher Barmherzigkeit nach außen wachsen kann. Das gilt nicht nur für die Elisabeth-Schwestern, sondern auch für die Frauen aus den zirka zwölf anderen (meist ausländischen) Ordensgemeinschaften. Je nach Begabung und Fähigkeiten setzen sich die Schwestern überall ein, wo es nottut. Eine unserer jungen russischen Schwestern hat Bischof Werth zur Caritasdirektorin in seinem Bistum ernannt. Eine ihrer Hauptaufgaben ist es, gemeinsam mit den zirka 25 hauptamtlichen Caritasmitarbeitern, die in der Riesenfläche des Bistums (von Westsibirien bis in den Fernen Osten) verstreut sind, die Not zu sehen, dafür vernünftige und möglichst nachhaltige Hilfsprojekte zu initiieren und das dafür nötige Geld bei den Spenderorganisationen in Europa „locker“ zu machen.
 
Hilfe aus dem Westen wird bis auf weiteres nötig bleiben
Diese Hilfe von außen für die Kirche im Osten wird wohl noch lange Jahre nötig sein. Damit das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ zum Erfolg führt, bedarf es eines Mindestmaßes an personellen und materiellen Voraussetzungen vor Ort. Und auch fast 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gibt es keine Anzeichen dafür, dass unsere römisch-katholische Kirche in Russland in absehbarer Zeit aus dem Status einer kleinen und armen Kirche herauskommt.
Dennoch, ja vielleicht gerade deshalb, waren die Tage in Russ-land für mich eine große Ermutigung, weil ich viele Zeichen dafür gesehen habe, dass Gott auch heute noch „den Fels zum Wasserteich wandeln und Kieselgestein zu quellendem Wasser machen kann“ (Psalm 114).