Maria Tetzel aus Thale
Sie hilft, begleitet, motiviert
Für ihre Arbeit als Caritas-Flüchtlingshelferin wurde Maria Tetzel aus Thale im Dezember von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff geehrt. Foto: Uwe Kraus |
Es gibt Bücher wie „Insel der blauen Delphine“, die kennt Maria Tetzel unterdessen so gut wie auswendig, und Balladen, die sie wohl schon hundertfach vorgetragen hat. Sie unterstützt seit 2015 in Thale Familien mit Migrationshintergrund. „Zur Integration gehört im ersten Schritt das Erlernen der deutschen Sprache“, findet die 72-Jährige.
„Frau Tetzel hilft, begleitet, motiviert“, hebt Caritas-Regionalstellenleiterin Cathleen Brand hervor. Maria Tetzel liegt das große Drumherum nicht. Sie erzählt aus ihrer Familiengeschichte. „Meine Mutter kam aus Schlesien und musste damit leben, dass uns hier niemand wollte. Es war eine schwere Zeit. Ich wollte nicht, dass dies den neuen Flüchtlingen hier passiert.“
In der katholischen Gemeinde Herz-Jesu in Thale engagiert, erreichte sie die Frage, ob sie nicht mit den Neuankömmlingen Konversation üben wolle. „Schnell stellte sich heraus, es geht nicht nur um das, was im täglichen Umgang in Ämtern und bei Ärzten nötig ist.“ Sie betreut Schülerinnen bei den Hausaufgaben, lernt mit ihnen Gedichte und hilft bei der Suche nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz. So vergeht wohl kein Wochentag, an dem ihr nicht junge Menschen gegenüber sitzen. „Jetzt natürlich auch mit gebührendem Abstand und Hygieneregeln.“
Längst dreht es sich nicht mehr allein um die deutsche Sprache – die können ihre jungen Besucher durchaus auch verbessern –, wenn es um Themen aus dem Geografie- oder Biologie-Unterricht geht. „Letztens erhielt ein Mädchen in Geschichte eine Sonderaufgabe, die Note dafür war ihr sehr wichtig. Wir fanden gemeinsam einen Weg, auf dem ich sie führte. Sie wurde mit einer guten Note bedacht und ich spürte, ihr Danke kam ganz ehrlich aus tiefstem Herzen.“
Es geht um die Liebe zum Nächsten
Die Mädchen wissen, sie können „Maria“ alle Fragen stellen. „Ich bin katholische Christin, die Schülerinnen Muslima. Ich habe den Koran in den 1990ern gelesen, da dachte niemand an die Flüchtlingskrise. Aber egal, welche der Weltregionen, es geht um die Liebe zum Nächsten.“
Als Mitglied des Pfarrgemeinderates engagiert sie sich in der Gemeinde. So sorgte sie zum Beispiel zu Weihnachten dafür, dass die Stühle richtig stehen, die Hygieneregeln beachtet werden und die nötige Distanz gewahrt ist. Viele Menschen kennen sie aus dem Eisenhüttenwerk, später hat sie im Möbelwerk und in einem Fuhrunternehmen gearbeitet. Nach dem Tod ihres Mannes – ihre beiden Töchter leben auch „nicht mal so um die Ecke“ – habe ihr das Engagement für die Mädchen und Jungen vornehmlich aus Syrien geholfen, die entstandene Lücke zu füllen. Allein 1700 Auto-Kilometer brachte ihr Einsatz als ehrenamtliche Flüchtlingshelferin des Caritasverbandes 2019 „auf den Tacho“.
„Wichtig ist mir, dass aus all den Kindern etwas wird“, sagt die Thalenserin. „Sie müssen zugeben, selbst uns fordert Schillers ,Kabale und Liebe‘ ziemlich. Und stellen Sie sich das mal in einer neu zu lernenden Sprache vor.“
Von Uwe Kraus