125 Jahre Kirchenchor Sankt Aegidien Heiligenstadt
Singen zur größeren Ehre Gottes
Auf eine ungewöhnliche Jubiläumsfeier zum 125. Geburtstag blicken die Sängerinnen und Sänger des Kirchenchores der Sankt Aegidien-Gemeinde unter Leitung von Kantor Siegfried Ihme zurück. Optimistisch hoffen sie nun darauf, im nächsten Jahr zu einem großen Festkonzert einladen zu können.
Die letzten Feierlichkeiten anlässlich der Gründung fanden 1995 statt, zum 100-jährigen Bestehen. „Ad maiorem Dei gloriam“. Zur größeren Ehre Gottes wollten sie an einem Juli-Sonntag 2020 singen, im Festgottesdienst mit Weihbischof Reinhard Hauke. Doch dieser Gottesdienst musste, bedingt durch die Covid-19-Pandemie, auf andere Art stattfinden. Hierfür hatte der Vorstand unter Vorsitz von Professor Dieter Beckmann ein Hygienekonzept erarbeitet und folgende Entscheidungen getroffen: Singen konnten die Chormitglieder nicht. Wie sollten 35 Sängerinnen und Sänger bei Einhaltung des geforderten Mindestabstandes von drei Metern nach allen vier Seiten ihre Lieder darbieten? Deshalb wurde der Gottesdienst live im Internet übertragen, mehrere Lieder des Chores wurden eingespielt und es wurden historische Fotos aus dem Archiv des Kirchenchores gezeigt.
Chronistin Ruth Huschenbett bewahrt in dicken Bänden die Geschichte des Chores auf, der in den Dokumenten auch unter dem Namen „Neustädter Kirchenchor“ genannt wird, und hält die gegenwärtigen Ereignisse fest. Sie ist die Urenkelin eines der Gründungsmitglieder, zu denen eine Frau und neun Männer gehörten. Bis zur Gründung 1895 hatte der Heiligenstädter Gymnasialchor kirchenmusikalische Höhepunkte umrahmt, meist Muttergottesfeste. Der Nachteil: An den Hauptfesten des Kirchenjahres, zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten hatten die Gymnasiasten Ferien. Für die Umrahmung besonderer Anlässe blieb nur das Quartett des in Heiligenstadt ansässigen Gesellenvereins. Das erklärt, warum sich bei Chorgründung überwiegend Handwerker des Gesellenvereins zur Aufnahme meldeten.
Erster Auftritt im Oktober 1901
Da noch kein Notenmaterial zur Verfügung stand, schrieb Lehrer Josef Heinemann, erster Chorleiter, die Noten an eine Wandtafel. Zu den Übungsstunden brachte er seine Geige mit. Dank seiner Werbung in den Reihen der Schüler meldeten sich sehr bald auch junge sangesfreudige Frauen und Männer. Die Lieder erklangen bei freudigen und bei traurigen Ereignissen. Als ersten öffentlichen Auftritt nennt die Chronik die Beisetzung des Bischöflichen Kommissarius Herold am 25. Oktober 1901. Die Aufführung einer fünfstimmigen Messe mit Orchesterbegleitung zum 1150-jährigen Bonifatius-Jubiläum fand 1904 auf dem Hülfensberg statt, der bekannten Eichsfelder Wallfahrtsstätte. Da die Wende im Herbst 1989 der Chorarbeit neue Perspektiven eröffnete, gestalteten am 24. Mai 1992 in der Heiligenstädter Lindenallee rund 700 Sängerinnen und Sänger aus 21 Chören des Obereichsfeldes (Thüringen), des Untereichsfeldes (Niedersachsen) sowie aus Bleicherode im Landkreis Nordhausen den Festgottesdienst mit Weihbischof Hans-Reinhard Koch aus Erfurt. Er sprach vom „größten Kirchenchor Deutschlands“. Am Nachmittag erfreuten sie mit einem Volksliedersingen im Heinrich-Heine-Kurpark. Zu den Ereignissen aus jüngster Zeit zählen der 23. September 2011, als Papst Benedikt XVI. Etzelsbach besuchte und außerdem der Fronleichnamsgottesdienst 2014 auf dem Heiligenstädter Marktplatz im Beisein des Fernsehens.
So wie zahlreiche andere Sangesvereinigungen hat auch der Aegidien-Chor Nachwuchssorgen. Viele Menschen, die Freude am Singen haben – so war im Vorstand zu erfahren – entscheiden sich gern für einen Projektchor, ist doch diese Mitgliedschaft zeitlich eng begrenzt.
Statistiker im Vorstand haben ermittelt: Wer im Sankt Aegidien-Chor singt, widmet der Chorarbeit etwa 150 Stunden pro Jahr. Zu den wöchentlichen Proben kommen die zahlreichen musikalischen Aufgaben im Kirchenjahr – und nicht zu vergessen: die sogenannten geselligen Termine wie beispielsweise musikalische Grüße für Geburtstagskinder. Die Chormitglieder heben das Miteinander aller drei katholischen Kirchenchöre der Stadt hervor, die ökumenische Gemeinschaft mit dem evangelischen Kirchenchor und die ebenfalls gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung.
Von Christine Bose