Cortona: Familienbund im Bistum Magdeburg in Existenz bedroht
Sorge um Angebot für Familien
Trotz wieder laufender Angebote in der Familienferienstätte Kirchmöser und der Familienbildungsstätte Naumburg sieht sich der Familienbund im Bistum Magdeburg und im Land Sachsen-Anhalt in seiner Existenz bedroht.
Leiter Markus Kriesel (Bildmitte links) im Gespräch mit Teilnehmern einer 14-tägigen Familienfreizeit im Innenhof der Familienferienstätte St. Ursula in Brandenburg-Kirchmöser. Foto: Eckhard Pohl |
Von Eckhard Pohl
Kinder malen mit Kreide auf dem Innenhof-Pflaster. Andere spielen Verstecken im Gelände. Unter einem Sonnenschirm liest eine Mutter ihrer kleinen Tochter eine Geschichte vor. Im Parkbereich genießen Mütter und Väter auf Gartenliegen den Blick auf den See. Die Teilnehmer einer der beiden 14-tägigen Familienfreizeiten in der Familienferienstätte St. Ursula (FFS) in Brandenburg-Kirchmöser sind begeistert: „Wir sind schon im achten Sommer hier“, sagt Stefan Schöppe (52) aus Baunatal bei Kassel. „Uns gefällt der familiäre Charakter des Hauses sehr. Es werden viele Angebote gemacht, die man frei auswählen kann.“ Josephine Amej (42) aus Halle lobt die „unglaublich liebevolle und aufmerksame Art von Leiter Markus Kriesel und seiner Frau Christel. Ich fühle mich mit meinen Kindern hier wirklich willkommen.“
Urlaubsatmosphäre bei herrlichem Sommerwetter also – man könnte meinen, völlig normale Zeiten. Doch der erste Blick trügt. „Sonst hatten wir bis zu 85 Teilnehmer pro Familienfreizeit“, sagt Leiter Markus Kriesel. „Wegen der Corona bedingten Abstandsregeln und Hygienevorschriften konnten wir jetzt nur 65 Personen aufnehmen“. Immerhin aber laufe der Betrieb wieder. Von April bis Mai musste das Haus wegen der Pandemie geschlossen bleiben. „Wirtschaftlich ist die gegenwärtige Zeit für eine Familienferienstätte wie unsere schwierig“, sagt Kriesel. Vom Katholischen Familienbund im Bistum Magdeburg und im Land Sachsen-Anhalt getragen, erhalte die Einrichtung zwar Mittel des Bundeslandes und für Bauangelegenheiten Zuschüsse des Bistums Magdeburg und Zuwendungen wie etwa vom Bonifatiuswerk. „Mit etwa 80 Prozent des Jahresetats sind wir aber vor allem auf unsere eigenen, unmittelbaren Einnahmen angewiesen“, betont Kriesel. Und die würden in normalen Zeiten eben mit Ferienzeiten, mit bis zu acht viertägigen Angeboten für Familien mit Förderbedarf, mit Kursen für behinderte Menschen und Selbsthilfegruppen, aber etwa auch mit Familienkreisen, die sich zu Wochenenden im Haus zusammenfinden, verdient.
„Diese Einnahmen aus Kursen und Beherbergung sind seit Mitte März weggebrochen“, sagt Kriesel. So würden jährlich rund 35 Kirchenchöre vor allem aus Berlin mit bis zu 60 Mitgliedern in der Einrichtung Wochenenden verbringen. „Hier haben wir dramatische Stornierungen zu verkraften. Wir verzeichnen von April bis Ende Juli aus dem ausgefallenen Gästebetrieb Mindereinnahmen von 300 000 Euro und rechnen bis Ende des Jahres mit insgesamt 400 000 Euro.“
Die Familienferienstätte (FFS) sei „aus einer stabilen wirtschaftlichen Situation mit 14 bis 15 000 Übernachtungsgästen pro Jahr durch Corona unverschuldet in Not geraten. Das tut schon weh“, sagt Kriesel, der seit 28 Jahren das Haus leitet. Es bleibe nur zu hoffen, dass die Pandemie bald bewältigt sei. Die Angebote in der FFS seien bisher gefragt gewesen, die Anmeldungsbücher bis 2022 gefüllt.
Kurzarbeitergeld und Bitte um Spenden
Nach Schließung des Hauses am 15. März habe er umgehend Kurzarbeitergeld beantragt, so Kriesel. „Diese Unterstützung ist sehr hilfreich, zumal derzeit auch die darauf anfallenden Sozialbeiträge übernommen werden. So mussten wir bisher keinen unserer insgesamt 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen.“ Allerdings seien die meisten Teilzeitkräfte. „Wenn sie bei Kurzarbeit nur 60 Prozent des Gehalts erhalten, was sie zum Beispiel bei einer Beschäftigung mit 30 Wochenstunden bekommen, ist das nicht genug, um weiter die Miete und den sonstigen Lebensunterhalt bestreiten zu können.“ Vom Land Brandenburg, auf dessen Gebiet die FFS liegt, habe die Einrichtung zur Teilfinanzierung der Fixkosten die Corona-Soforthilfe von 15 000 Euro erhalten.
„Den Sommer überstehen wir finanziell“, sagt Kriesel. „Aber im Blick auf den Herbst, wenn ohnehin weniger Gäste übernachten und die Corona-Einschränkungen hinzukommen, haben wir Angst vor einer Insolvenz. In normalen Jahren erwirtschaften wir im Sommer Mittel auch für die weniger stark frequentierten Monate. Das ist aber auch bei augenblicklich laufendem Betrieb angesichts der durch die Vorschriften begrenzten Gästezahlen nicht möglich. Wir sehen uns gezwungen, für die Familienferienstätte um Unterstützung durch Spenden zu bitten“, sagt Kriesel. 5000 Euro solcher Zuwendungen habe man schon erhalten, darunter von einer Person 3000 Euro.“
Sabina Lenow, Geschäftsführerin des in Magdeburg ansässigen Familienbundes im Bistum Magdeburg und im Land Sachsen-Anhalt, schätzt die Lage genauso ein. „Im Blick auf die Situation in der Corona-Pandemie gibt es neben der Gewährung des Kurzarbeitergeldes und der Soforthilfe verschiedenste weitere Bemühungen auf Landes-, Bundes- und Bistumsebene zur finanziellen Unterstützung der Einrichtungen“, sagt Lenow. „Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir allerdings noch keine wirklich verlässlichen Aussagen, ob und wie diese Unterstützungen gewährt werden“. Lenow: „Ohne ein deutliches Bekenntnis zu unserer Arbeit mit entsprechender finanzieller Unterstützung ist in jedem Fall die Familienferienstätte in Kirchmöser und damit der Familienbund Sachsen-Anhalt insgesamt in seiner Existenz bedroht.“
Dabei zeigten die Nachfragen von Familien gerade jetzt in und nach den Pandemie bedingten Schließungszeiten, wie wichtig die Angebote für Familien sind. Als Träger bietet der Familienbund mit der Familienferienstätte (FFS) Kirchmöser und der Familienbildungsstätte in Naumburg (FBS) vielfältige Formate der Familienbildung und Familienerholung an, die Familien in ihrem Alltag unterstützen und stärken sollen.
Wie Markus Kriesel hat auch die Leiterin der FBS, Barbara Lohfink, wirtschaftliche Sorgen. Dass die Pandemie mit einer zweiten Welle kommen könnte, daran will sie nicht denken. Allerdings ist die Situation der FBS nicht ganz so dramatisch, da die Einrichtung vor allem Tagesangebote macht und dabei in normalen Zeiten pro Woche etwa 400 Besucherinnen und Besucher zähle. „Auch wir haben am 13. März unser Haus schließen müssen. Im Mai kam dann die Verordnung, dass Einzelberatung und die Arbeit mit Kleinstgruppen wieder stattfinden darf. Jetzt dürfen maximal zehn Personen zusammenkommen. Und so finden unsere Angebote wie Hebammensprechstunde, Geburtsvorbereitungskurse, Eltern-Kind-Gruppen, Elternkurs „Kess erziehen“, aber auch Rückenschule oder Yoga unter Berücksichtigung der Corana-Vorschriften wieder statt. Wir dürfen keine Kurse mit Kindergartenkindern sowie alles, was mit Körperkontakt wie zum Beispiel Tanz zu tun hat, anbieten.“ Vieles wie etwa auch das mit 20 Teilnehmerinnen gut frequentiertes Angebot für Migrantinnen finde jetzt draußen im Hof unter Zeltdächern statt, derzeit in zwei getrennten Schichten. Und auch die Eltern-Kind-Gruppen treffen sich zur Zeit im Freien.
Kurse laufen mit weniger Teilnehmern
„Da zeitweise die Kurse ausfallen mussten und jetzt nur eine geringere Belegung möglich ist, hatten wir von März bis Mai 5000 Euro monatlich an Einbußen zu verkraften“, sagt Lohfink. Besonders die ausgefallenen Gesundheitsangebote, die von den Kassen mit getragen werden und mit denen die FBS sonst Einkünfte erzielt, seien ein finanzielles Problem. Außerdem sei kein Geld durch die Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten für Gemeindegruppen in die Kasse gekommen. „Etwaige Überschüsse werden als Eigenmittel für die Projekte dringend benötigt.“
Für Formate wie das bereits erwähnte Projekt „Frauenstärken“ für Migrantinnen gebe es Fördermittel vom Land. Außerdem komme vom Schmierstoffhersteller Addinol in Leuna regelmäßig eine Spende. Ihre eigene Stelle und die der Pädagoginnen werden vom Land Sachsen-Anhalt, vom Burgenlandkreis und vom Bistum gefördert, so Lohfink. Die Mittel für Verwaltungs- und Reinigungskraft und der größte Teil der Betriebskosten müssten dennoch selbst aufgebracht werden. Die FBS müsse zirka 25 Prozent des Jahreshaushalts von rund 260 000 Euro selbst erwirtschaften. Dies sei in den vergangenen Jahren dank „guter Belegung der Kursangebote, großer Akzeptanz in der Stadt und einer Super-Zusammenarbeit mit dem Jugendamt“ auch immer gelungen.
Nicht zuletzt auch im Blick auf die FFS in Kirchmöser hofft Lohfink sehr, dass es gelingt, die Arbeit des Familienbundes in Sachsen-Anhalt fortsetzen zu können.
Wer der Familienferienstätte St. Ursula Kirchmöser helfen kann: Familienbund im Bistum Magdeburg und im Land Sachsen-Anhalt e.V., Volksbank Magdeburg e.G., IBAN: DE89 8109 3274 0001 6641 90, BIC: GENODEF1MD1, Stichwort: Spende Kirchmöser.
Mehr Infos: www.familienbund-bistum-magdeburg.de