Bischof Joseph Godehard Machens
Streiter für Gott und die Menschen
Erstmals beleuchtet eine umfassende historische Arbeit das Leben und Wirken des früheren Hildesheimer Bischofs Joseph Godehard Machens (1886–1956). Sie erschließt zahlreiche, bisher unbekannte Dokumente und Aussagen von Zeitzeugen. Am 6. Februar stellt die Hildesheimer Historikerin Dr. Gabriele Vogt in der Universität Hildesheim ihr Buch über den streitbaren Hildesheimer Bischof vor.
Gabriele Vogt ist von der Widersprüchlichkeit der Person Machens auch nach vielen Forschungsjahren immer noch fasziniert: „Er schrieb seine Hirtenbriefe eigenhändig auf der Schreibmaschine, während Reichspropagandaminister Goebbels ihn überwachen ließ. Er half Juden und traktierte anscheinend gefühllos seine engsten Mitarbeiter. Er integrierte die katholischen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in sein Bistum und beleidigte politische Gegner im niedersächsischen Schulkampf der jungen Bundesrepublik.“
Als großer Nazi-Gegner bekannt ist heute der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen. Ein wahrscheinlich noch größerer Nazi-Gegner jedoch war der Hildesheimer Bischof Joseph Godehard Machens — und ist bis heute fast unbekannt. Galen, der „Löwe von Münster“, war ein Angehöriger des deutschen Uradels, auf einem Schloss aufgewachsen, versehen mit einem Stammbaum voller Generale, Diplomaten und Bischöfe, den Umgang mit Dienern und Hauspersonal gewöhnt, mit seiner Körpergröße alle in seiner Umgebung überragend und ein dominantes Auftreten gewöhnt. Ganz anders war der Hildesheimer Bischof: Bischof Machens war ein kleines Männlein von 1,67 Metern, als Kind oft getriezt, emsig, aber auch misstrauisch, pedantisch, unsicher.
Weihbischof Heinrich Pachowiak, der von 1946 bis 1952 bischöflicher Sekretär unter Joseph Godehard Machens war, nannte der Autorin Beispiele: So musste Pachowiak sich immer unten vor die Kanzel stellen, wenn der Bischof predigte. Denn Machens hatte Angst vor Menschenmassen. Jede Kopie eines seiner Briefe musste absolut tippfehlerfrei ohne Korrekturen vorgelegt werden. Nur dann wurde sie akzeptiert. Wenn ihm etwas nicht passte, stampfte Bischof Godehard Machens wie ein kleines Kind mit dem Fuß auf.
Nazis drohten dem Bischof mit schärfsten Strafen
Während des Dritten Reiches wurde Machens zu einem erklärten und scharfen Gegner der Nazis. Der Hildesheimer Gauleiter drohte ihm auf dem Hildesheimer Marktplatz schärfste Strafen an, wenn er seine „Hetzpredigten“ nicht einstelle. Die Berliner Gestapo-Führung, von den Hildesheimer Nazis immer wieder um Einschreiten gegen den Bischof gebeten, antwortete: Man müsse aufgrund eines Führerbefehls noch warten und beobachten. Nach dem Sieg werde man sich den Bischof dann vornehmen. Zu Machens Tod im Jahr 1956 schreibt der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Niedersachsens, Norbert Prager, in seinem Kondolenzbrief: „Er hat uns geschützt und viel für uns getan. Er war ein Freund und großer katholischer Bischof.“ Aus diesem Grund unterstützt im Jahr 1958 der Landesverband der Jüdischen Gemeinden Niedersachsens den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Hildesheimer Priesterseminars mit einer Geldspende.
Die Gründe hierfür lassen sich nur teilweise aus den jetzt erschlossenen Gestapo-Akten und Briefen des Bischofs herauslesen. Zu viel ist verloren gegangen. Zuviel wurde auch nie aufgeschrieben, um keine Menschen zu belasten. Aber einige Dokumentenreste gibt es: So schreibt der Bischof am 23. Dezember 1941 an einen aus dem Bistum Hildesheim stammenden getauften Juden namens Dr. Bernhard Cohen. Dieser stand in Potenza (Italien) unter Hausarrest und bat den Bischof, seinen jüdischen Eltern zu helfen. Diese waren im jüdischen Krankenhaus in Hannover untergebracht und wollten in die Schweiz auswandern. Bischof Machens besuchte sie mehrfach persönlich im jüdischen Krankenhaus. Er brachte auch das für die Emigration erforderliche Geld. Aber dann klappte es doch nicht mit der Ausreise. Die Mutter starb, der Vater wurde ins KZ Theresienstadt deportiert. Bischof Machens bat brieflich seinen Amtsbruder Weber, den Bischof von Leitmeritz, dem Deportierten zu helfen. Er starb in Theresienstadt im Krankenhaus.
Machens forderte Schutz für Juden, Zigeuner und Krüppel
Seit der Veröffentlichung der päpstlichen Enzyklika „Mit brennender Sorge“ am 17. März 1937 hatten viele Bischöfe keine Kirchenzeitungen mehr. Kirchliche Verleger saßen in Gestapohaft. Auch Machens‘ Möglichkeiten waren eingeschränkt. Er konnte sich nur noch in seinen Hirtenbriefen und in seinen Predigten äußern. Das tat er auch. Im Hildesheimer Dom und auf Prozessionen rief er zu Ehrfurcht vor dem Leben, zur Rückkehr zu den zehn Geboten, Schutz für Juden, Zigeuner und Krüppel auf. Seine Predigten wurden von drei Spitzeln mitstenographiert. Er wurde von der Gestapo verhört, die auch einen Spitzel in seinem Vikariat platziert hatte. Bischof Machens sah die fürchterlichen Schäden und Menschenopfer des Bombenkrieges als göttliche Strafe für sich selbst und das ganze deutsche Volk an.
Tenor der Dissertation von Gabriele Vogt ist: Bischof Machens war sicher kein Demokrat, sondern ein autoritätsgläubiger Mensch, der erhebliche persönliche Beschränkungen aufwies. Und doch wuchs er über sich hinaus und entwickelte enormen persönlichen Mut.
Tillo Nestmann
Buchvorstellung in der Uni Hildesheim
Am Dienstag, 6. Februar, präsentiert Dr. Gabriele Vogt um 10 Uhr im Audimax der Universität Hildesheim ihr Buch „Streiter für Gott – Das bewegte Leben des Hildesheimer Bischofs Joseph Godehard Machens (1886–1956)“. Vorher wird Dr. Thomas Scharf-Wrede, Direktor des Bistumsarchivs, die Situation der Bischofsviten im 20. Jahrhundert beleuchten. Und Hildesheims ehemaliger Oberbürgermeister Kurt Machens wird im Rahmen der Präsentation einen Blick auf den Bischof aus Sicht der Familie werfen.
„Streiter für Gott“ von Dr. Gabriele Vogt ist als Band 6 der Veröffentlichungen des Hildesheimer Heimat- und Geschichtsvereins erschienen.
ISBN 978-3-8067-8814-3