Patronatsfest Albertus Magnus der Katholischen Fakultät Erfurt
Theologie hilft über-zu-setzen
Studiendekanin Professorin Julia Knop übereicht neuen Studenten an der Katholisch-Theologischen Fakultät Erfurt zur Begrüßung eine Rose. Foto: Eckhard Pohl |
„Theologinnen und Theologen setzen wie in einem Boot von dort nach hier über.“ Sie bewegen sich zwischen den Ufern. „Dort geht die uralte heilige Schrift und gehen Traditionen auf Gott, Schöpfung, Tod, Leben und Auferstehung und etliches mehr ein. Hier im 21. Jahrhundert mutet vieles davon für viele wie ein Märchen und sehr rätselhaft an.“ Wie aber können Theologen „einen betretbaren Boden“ finden, auf dem „Altes plausibel klingt, und sich am Alten einsichtig Neues zeigt“? Mit diesen Überlegungen beschrieb der Erfurter Alttestamentler Norbert Baumgart anhand einer Lesung aus dem Buch Jesus Sirach (Sir 14,20-15,10) Auftrag und Anliegen von theologischer Arbeit, wie sie auch an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt gut zu leisten versucht wird. Und führte so in seiner Predigt im Festgottesdienst in das Patronatsfest Albertus Magnus der Fakultät ein, das am 15. November begangen wurde. Wegen der Abwesenheit der Bischöfe zum Ad-limina-Besuch beim Papst in Rom leitete der Erfurter Generalvikar Raimund Beck die Eucharistiefeier.
Tradition ist ein Sich-Räume-Erschließen
Auch dem Dekan der Fakultät, Professor Jörg Seiler, ging es in seiner Begrüßung bei der akademischen Feier um das Übersetzen ins Heute. Er erinnerte an eine Aussage des Konzils von Trient (1545-1563), wonach es „Tradition“ nicht im Singular gebe. Mit dieser Feststellung habe das Konzil ein „feines Gespür“ für die Komplexität von Traditionen bewiesen. „Tradition beschreibt nicht nur Inhalte, sie ist ein Prozess, ein Voranschreiten, ein Sich-Räume-Erschließen, die zuvor nicht in der eigenen Tradition gegeben waren“, erklärte der Kirchenhistoriker. „Tradition ist kein Paket, das man einfach weitergibt. Tradition gelingt nie in einer Eins-zu-Eins-Übersetzung.“
Einige Zahlen |
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80 reguläre Studenten und sieben Gasthörer studieren aktuell an der Katholisch-Theologischen Fakultät Erfurt. Darunter sind 18 Erstsemester sowie vier neue Studenten im Magister-Studiengang Theologie aus Fulda, wo das Angebot nicht mehr besteht. 31 Promotionen werden betreut. Von den Erstsemestern sind neun für den Bachelor „Katholische Religion“ eingeschrieben, einer für das Staatsexamen Lehramt Gymnasium in Religion, fünf für den Master of Education Grundschule Religion, einer für den Master of Education Regelschule Religion und zwei im Magister-Studiengang Theologie. Zehn Studenten an der Fakultät leben in der Hausgemeinschaft Regional-Priesterseminar, die zur Zeit aus 30 Personen besteht. Davon sind 21 Studentinnen und Studenten, darunter je ein Priesterkandidat aus den Bistümern Magdeburg und Erfurt. Elf der 21 jungen Leute gehen anderen Studiengängen nach. |
Dass überkommene Auffassungen ins Heute übersetzt, ja korrigiert werden müssen, machte Dogmatikerin Julia Knop in ihrem Festvortrag „Diskriminierung im Namen der Religion – Herausforderung für die Theologie“ deutlich. Sie beklagte die Diskriminierung von Frauen und von queeren Menschen (Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten) in der katholischen Kirche. Die Theologie sei gefordert, diese zu hinterfragen und aufzuzeigen, „welche Funktion geschlechtsbezogene Diskriminierung im Lehrsystem der Kirche hat“ (siehe Beitrag unten).
Traditionell wurden zum Patronatsfest wieder die Studenten des Ersten Semesters begrüßt. Dogmatikerin Knop, hier in ihrer Funktion als Studiendekanin, überreichte elf der 18 jungen Neuanfänger eine Rose. Der vom Freundeskreis der Fakultät gestiftete und mit 500 Euro dotierte Förderpreis ging diesmal an Annika Heberling aus Greifswald für ihre Magisterarbeit zum Thema „Hohepriester der künftigen Güter und Mittler des neuen Bundes. Kultische Vorstellungen und Traditionen in Hebr 9,11-28“. In der Laudatio wurde besonders Heberlings Fähigkeit zu interdisziplinärer Arbeit hervorgehoben. Sie habe in ihrer Arbeit biblische Exegese und den aktuellen Stand der historischen Forschung auf besonders interessante Weise miteinander verbunden, ihre Arbeit stelle dadurch eine neue Perspektive für die Exegese des Hebräerbriefs dar.
Generalvikar Beck, verwies darauf, dass es dem Fakultäts-Patron und Theologen Albertus Magnus (+1280) ein großes Anliegen war, mit den Menschen in Dialog über ihre Sorgen und Anliegen zu treten. „So nehme ich auch unsere Fakultät wahr. Dafür bin ich sehr dankbar“, betonte der Generalvikar. „Hier ist der Mut da, die Dinge beim Namen zu nennen. Solch ein Klima der Offenheit ist nicht überall und nicht selbstverständlich.“
Ihrem Auftrag entsprechend könne die Theologie „zeigen, welche Funktion geschlechtsbezogene Diskriminierung im Lehrsystem der Kirche hat: für die Anthropologie, die Sexualethik, aber sehr deutlich auch für die Theologie des Amtes und die kirchliche Machtordnung im Ganzen“. Legt man diesen Zusammenhang offen, so Knop weiter, „wird unmittelbar deutlich, warum man(n) so entschlossen und unerbittlich an der behaupteten Geschlechterordnung festhält“.
Die Kirche leugne nicht einmal, dass in ihrer Lehre und Praxis Ungleichbehandlung, also Diskriminierung, aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Identität und Orientierung stattfindet, stellte die Dogmatikerin in ihrem Festvortrag fest. Zugleich aber weise die Kirche zurück, dass dies ungerecht sei und eine Benachteiligung bedeute. „Im Gegenteil sei sie aus religiösen Gründen geboten und nebenbei durch die eigene Religionsfreiheit gedeckt. Indem sie die Geschlechter ungleich behandle, folge die Kirche dem Plan Gottes für Männer und Frauen“. Dies aber, so die Dogmatikerin, hat „diskriminierende Folgen im kirchlichen Arbeitsrecht, in der Sakramentenpraxis, im Umgang miteinander und nicht zuletzt im Inneren von Frauen und queeren Personen, die auch im Jahr 2022 noch glauben sollen, dass ihre Schlechterstellung gottgewollt sei“.
Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit würden teils als Extrempositionen diffamiert: „Oder man reklamiert Meinungsvielfalt: Es gebe halt in Geschlechterfragen verschiedene Positionen, die man tolerieren und nebeneinander stehenlassen müsse. Das verharmlost nicht nur den ambitionierten eigenen Wahrheitsanspruch. Das verharmlost vor allem die gravierenden Folgen, die diejenigen tragen, die kirchliche Diskriminierung erleiden.“
„Es geht um Gerechtigkeit, Respekt und Würde“, so Professorin Knop. Katholische Frauenverachtung und -feindlichkeit sei keine Meinungsfrage, „sie ist ein Ärgernis und muss als solche benannt werden. Bei unvermittelbaren Positionen
muss man Positon beziehen und darf sich nicht wegducken“, betonte Knop.