Caritas-Bündnis hilft Schulanfängern

Tornister sind richtig teuer

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Der erste Schultag ist etwas Besonderes. Aber Tornister, Federmappe und Tuschkasten kosten schnell mal über 200 Euro. Was machen Familien, die sich das nicht leisten können? In der Grafschaft Bentheim hilft ein Caritas-Bündnis.


Alles parat für den ersten Schultag: Uschi Leder (v.l.), Klara Dust, Elfriede Feldschnieders und Hermann-Josef Quaing schauen sich die Tornister samt Inhalt an. Foto: Petra Diek-Münchow

Elfriede Feldschnieders dreht den Schulranzen hin und her.  „Sieht gut aus. Da freut sich bestimmt ein Junge drüber“, sagt sie, deutet auf das Fußballmotiv und macht den Tornister auf. Innen liegen unter anderem eine Federmappe, ein Tuschkasten, ein Turnbeutel, Hefte und Blöcke  – eben alles, was ein Kind für den Schulstart so braucht.

Aber Elfriede Feldschnieders weiß auch, wie teuer diese Erstausstattung ist – sie hat über 40 Jahre in einem Nordhorner Lederwarengeschäft Ranzen und Zubehör verkauft. Und sich dabei oft gefragt, wer sich das leisten kann. „Heute kostet das oft über 200 Euro“, sagt sie. Da müssen Eltern, die nicht so viel verdienen, schon vor dem ersten Schultag richtig rechnen, ob ihr Geld reicht. Deshalb geht dieser Tornister an ein Kind aus einer bedürftigen Familie. „Auch in der Grafschaft Bentheim gibt es arme Menschen“, sagt die Nordhornerin.

Fix und fertig gefüllte Tornister für über 70 Kinder

Sie hatte gemeinsam mit Klara Dust 2014 als Vertreterinnen der ehrenamtlichen Caritas der Kirchengemeinde den Caritasausschuss der Stadtpfarrei St. Augustinus auf die Problematik aufmerksam gemacht. „Im Caritasausschuss haben wir dieses Anliegen gerne aufgegriffen“ berichtete Uschi Leder, Sprecherin des Caritasausschusses, und so wurde die „Schulranzen-Aktion“ mit der Caritas ins Leben gerufen (siehe auch „Zur Sache“). In diesen Tagen erhalten dadurch über 70 Kinder aus Familien, wo das Geld knapp ist, fix und fertig gefüllte Tornister. Sie müssen dafür keine komplizierten Anträge ausfüllen, sondern als Kunden zum Beispiel der Nordhorner „Tafel“ oder des Neuenhauser „Brotkorbs“ gelten. „Wir wollen kein Verwaltungsmonster schaffen“, sagt der Geschäftsführer des Caritasverbandes für den Landkreis Grafschaft Bentheim, Hermann-Josef Quaing.   

Zu Beginn der Aktion hatten die Initiatoren noch um gebrauchte Schulranzen gebeten. Seit vier Jahren sammelt das Bündnis aber Spenden, um neue Tornister zu kaufen. Eine Nordhorner Firma hilft dabei mit und stellt für jeweils 70 Euro Modelle aus dem Vorjahr samt Zubehör günstig zur Verfügung.

Quaing weiß um die Vorbehalte, die in diesem Zusammenhang auftauchen. Muss es wirklich ein neuer sein? Würde nicht auch der drei Jahre alte Tornister reichen? Er schüttelt den Kopf. „So ein Ranzen muss heute tipp-top in Ordnung und außerdem zeitgemäß sein.“ Denn wenn ein Junge oder ein Mädchen schon am ersten Tag mit einer abgetragenen Tasche auf dem Schulhof auftauchen, „haben sie schnell ihren Stempel weg. Das ist wie eine Stigmatisierung“, sagt er. Und dagegen tritt die Caritas ein, „wir wollen einen fairen Schulstart für alle Kinder.“

Aber diese Kosten zu stemmen, ist für manche Familien ein Kraftakt. Quaing will angesichts guter wirtschaftlicher Eckdaten nichts dramatisieren. „Bei uns muss keiner hungern“, sagt er. Aber es gibt in der Grafschaft Bentheim und anderen Regionen des Bistums eine relative, oft verdeckte Armut bei Familie mit niedrigem Einkommen oder alleinerziehenden Eltern. Denn die verdienen oft gerade so viel, dass sie knapp über Bemessungsgrenzen liegen und damit keinen Anspruch auf soziale Hilfen haben. „Nur zurücklegen können sie davon nichts und in bestimmten Zeiten wie am Schulanfang ist dann kein Geld übrig“, sagt Quaing. Und das staatliche „Bildungs- und Teilhabepaket“, das Familien mit niedrigem Einkommen zum Schulstart mit 150 Euro pro Jahr unterstützt, reicht nach seinen Worten „hinten und vorne nicht“. Das hat auch der örtliche Kinderschutzbund nach Durchsicht verschiedener Materiallisten schon mal durchgerechnet.

Kindertagesstätten und Schulen sollen zu „Fürsprechern“ werden

Deshalb hat das Bündnis die anfangs auf Nordhorn begrenzte Aktion seit 2018 auf die Grafschaft ausgeweitet und in diesem Jahr weiter ergänzt. Es geht nicht mehr nur um den Schulranzen, sondern um weitere finanzielle Hilfen, damit möglichst alle Kinder gerechte Chancen erhalten. Zum Beispiel, um einen Musikschul-Kurs belegen oder an der Klassenfahrt teilnehmen zu können.

Der Caritasverband hat dazu alle Grundschulen, Kindertagesstätten und Jugendhilfeeinrichtungen in der Grafschaft Bentheim angeschrieben. Sie sollen zu „Fürsprechern“ für Kinder werden. Lehrer oder Erzieher können der Caritas dabei anonym Einzelfälle schildern, in denen Familien vielleicht Unterstützung brauchen „und wir versuchen zu helfen“, sagt Geschäftsführer Quaing. „Kinder dürfen nicht die Leidtragenden sein.“

Petra Diek-Münchow

 

Zur Sache

Die Idee für die „Schulranzen-Aktion“ ist vor fünf Jahren in einer Projektgruppe zur Vorbereitung auf die Stadtpfarrei St. Augustinus in Nordhorn entstanden. Die Organisation liegt in Händen des Caritasverbandes für den Landkreis Grafschaft Bentheim und des Caritasausschusses der Stadtpfarrei.

Außerdem unterstützen die Firma Schulenberg in Nordhorn, die ehrenamtliche Caritas der Stadtpfarrei, die Nordhorner „Tafel“, das „Lädchen“ des Sozialdienstes katholischer Frauen, der „Brotkorb“ der reformierten Diakonie in Neuenhaus, die lutherische Kirche, die Caritas-Gemeinschaftsstiftung, der Lions-Club Nordhorn und Privatleute die Aktion. Im vergangenen Jahr konnte dieses Bündnis durch die eingegangenen Spenden für 4310 Euro Schulranzen kaufen sowie außerdem Familien zum Schulstart mit 2 355 Euro in besonderen Einzelfällen helfen. Für die Aktion werden weiter Spenden benötigt. Wer mehr dazu wissen möchte, kann die Caritas in Nordhorn anrufen: Telefon 0 59 21/81 11 10.