Katholiken in Vietnam

Überall werden Kirchen gebaut

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In Vietnam leben nach den Philippinen die meisten Katholiken in Südostasien. Sie nutzen engagiert ihre Möglichkeiten in dem kommunistisch regierten Land. Eine Gruppe aus Leipzig konnte sich im April einen kleinen Einblick verschaffen.

Kinder und Jugendliche des katholischen Kinderheimes Vincente bei Ba Don präsentieren den Gästen aus Deutschland ein buntes Programm. | Fotos: Eckhard Pohl
 
„Es war schon interessant, etwas von der Situation zu erleben, aus der viele Vietnamesen kommen, die sich in unserer Gemeinde treffen. Mich haben besonders die ärmlichen Verhältnisse beeindruckt, die wir immer wieder gesehen haben“, sagt Sabine Rohner (74). Mit einer 20-köpfigen Reisegruppe konnte sie im April punktuell das Leben der Katholiken in Vietnam, das soziale Engagement der Kirche, aber auch Wallfahrts-
traditionen und etwas von der Geschichte der Kirche dort kennenlernen. Begleitet wurde die Gruppe von dem Jesuiten Pater Stefan Taeubner, der die katholischen Vietnamesen im Bistum Dresden-Meißen und im Raum Halle seelsorglich betreut und sich gut in dem südostasiatischen Land auskennt. Die Vietnamesen treffen sich in der Leipziger Pfarrei Heilige Familie, aus der auch die meisten Teilnehmer der Begegnungsfahrt, unter ihnen Pfarrer Michael Teubner, stammten.
Zu den ersten Eindrücken der Gruppe im Norden des Landes gehörte es, vielerorts im Bau befindliche neue katholische Kirchen zu sehen. „Die Kirche ist überall im Aufbruch, so ist unser Eindruck“, sagt Rafal Ryszka (43), der ebenfalls dabei war. Unterstützt durch einst geflohene Vietnamesen in Australien, Kanada, aber auch Deutschland bauen sich die entsprechend der Gesamtbevölkerung wachsenden Gemeinden neue Gotteshäuser. In katholisch geprägten Städten und Dörfern, etwa in Phat Diem, wo die Gruppe die alte landestypisch errichtete Kathedrale besuchte, haben die Bewohner an kirchlichen Gebäuden, aber auch ihren Wohnhäusern die gelb-weiße Kirchenfahne aufgehängt. Sonst sind im Land in den Straßen rote Fahnen und Plakate zu sehen.
 
Sonntagvorabendmesse in einer im Bau befindlichen neuen Kirche in der Nähe von Cua Lo. Der Sonntag ist nicht arbeitsfrei.

 

Karitatives Engagement in der Gesellschaft
In der Hauptstadt Hanoi besuchte die Gruppe die Kathedrale und das Priesterseminar und konnte auch mit Caritas-Verantwortlichen sprechen. Schwerpunkte der Caritas-Arbeit seien Hilfen für die vielen vom Land in die Städte drängenden Wanderarbeiter. Zudem kümmere man sich etwa um HIV-Infizierte und Aids-Kranke.
Auf ihrer Reise wurde die Gruppe von Schwester Maria Ngoc Lan, Oberin der Kongregation der Schwestern von der Liebe zum Heiligen Kreuz in der Diözese Vinh, und einer ihrer Mitschwestern begleitet. Die Gemeinschaft wurde 1670 in Vietnam gegründet und ist seelsorglich und sozial-karitativ tätig. 1954 wurden die „Kreuzliebenden Schwestern“ in Nordvietnam verboten. Heute haben sie viele junge Schwestern und Novizinnen und sind in ganz Vietnam engagiert.
Zur Sache: Christen in Vietnam
Gut sieben Millionen Katholiken unter mehr als 95 Millionen Einwohnern. 26 Diözesen, zahlreiche Priester und Ordensleute, darunter Schwestern von der Liebe zum heiligen Kreuz, Jesuiten, Dominikanerinnen, Redemptoristen. Gut eine Million protestantische Christen. (Quelle: Kirche in Not u.a.)

In der Nähe von Ba Don unterhalten sie das Kinderheim Vincente. Hier leben 110 Mädchen und Jungen, unter ihnen Kinder mit Behinderungen, Waisen, aber auch Heranwachsende, die internatsähnlich bei den Schwestern wohnen und in die staatliche Schule gehen. Die Leipziger hatten für die Kinder Spielzeug und therapeutische Hilfsmittel mitgebracht. Bei einem Begegnungsabend präsentierten die Kinder und Jugendlichen den Gästen ein buntes Programm.
Auf der Fahrt wurden in weiteren Einrichtungen des Ordens Stops eingelegt, so in einer Krankenstation in einem Wohngebiet nahe einem Firmengelände des taiwanesischen Konzerns Formosa Plastics bei Ha Tinh. Formosa löste dort 2016 an der Küste des Südchinesischen Meeres ein großes Fischsterben aus, das vielen Einwohnern die Lebensgrundlage entzogen und zu Protesten der Bevölkerung einschließlich der Kirche geführt hat. Die Schwestern versuchen, den offenbar auch gesundheitlich betroffen Bewohnern medizinisch beizustehen und geben an Bedürftige auch kostenlos Medikamente ab. „Die aufopferungsvolle Arbeit der Schwestern unter schwierigsten Bedingungen hat uns tief berührt“, so Teilnehmerin Barbara Pilz (57).
Auf ihrer Reise lernte die Gruppe auch den südlich von Hanoi gelegenen Wallfahrts- und Begegnungsort So Kien kennen und erfuhr von den 117 Märtyrern, die wegen ihres Glaubens zwischen 1745 und 1862 im Kaiserreich Vietam hingerichtet wurden oder an den Folgen ihrer Gefangenschaft starben. Sie wurden 1988 von Papst Johannes-Paul II. heilig gesprochen.
An sie wird auch im nationalen Marienwallfahrtsort La Vang erinnert. Die Wallfahrtskirche wurde 1972 im Krieg zerstört, seit 2014 wird ein neues, sehr großes Gotteshaus errichtet. Aller drei Jahre findet hier am 15. August eine vietnamweite Wallfahrt mit über 500 000 Teilnehmern statt.

 
Gespräch mit dem Vorsitzenden der Vietnamesischen Bischofskonferenz, Erzbischof Joseph Nguyen Chí Linh.

 

Ausbildung von Priestern wieder möglich
In Hue, wo auch eine Besichtigung des Kaiserpalastes auf dem Programm stand, besuchte ein Teil der Gruppe Erzbischof Joseph Nguyen Chí Linh, der auch Vorsitzender der Bischofskonferenz ist. Er berichtete, dass seit 1993 in den Diözesen nach und nach wieder die Ausbildung von Priestern möglich ist und ein Teil auch im Ausland studieren kann. 1954 waren in Nordvietnam, 1975 auch im Südteil alle Seminare geschlossen worden. Allerdings gibt es in den letzten Jahren immer wieder in Grundstücksfragen Konflikte zwischen Kirche und Staat. Der Erzbischof setzt im Blick auf eine weitere Normalisierung des Verhältnisses zwischen den politisch Verantwortlichen und der katholischen Kirche auf den Dialog. Angesichts der auch in Vietnam angekommenen westlichen Lebensatmosphäre wünscht sich der Erzbischof gerade von den jungen Katholiken, die zahlreich zu Jugendtreffen kämen, ein stärkeres Bemühen um die Vertiefung ihres Glaubens.
Die Reise der Leipziger Gruppe endete in Saigon/Ho Chi Minh Stadt.
 
Von Eckhard Pohl