Forschungsstudie zur sexualisierten Gewalt im Bistum Osnabrück

Unangenehme Wahrheiten

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Am 2. Oktober wird in Osnabrück das Endergebnis der Studie präsentiert, in der Wissenschaftler ermittelt haben, wie mit sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück umgegangen wurde. Aus diesem Anlass erinnern wir an die Ergebnisse des Zwischenberichts der Studie, der vor zwei Jahren veröffentlicht wurde und einige Vorwürfe enthielt, mit denen niemand gerechnet hatte.

Auch im Bistum Osnabrück wurden Missbrauchstäter versetzt und Betroffene nicht richtig behandelt. Das geht aus dem Zwischenbericht der Studie zum sexuellen Missbrauch hervor, den die Uni vorgelegt hat. Er spricht Versäumnisse an und enthält eine bittere Nachricht. 

Pressekonferenz zur Studie in der Universität Osnabrück. Foto: Matthias Petersen

Alles andere wäre eine Überraschung gewesen: Wie in anderen Bistümern auch, haben Bischöfe und Verantwortliche im Bistum Osnabrück nicht angemessen auf Vorwürfe sexuellen Missbrauchs durch Kleriker reagiert. Sie versetzten Täter und versuchten, Skandale zu vermeiden. Das Leid der Betroffenen wurde kaum gesehen. „Es ging aus Sicht der Kirchenleitung darum, das Ansehen der Institution und der Kleriker zu schützen“, sagte die Historikerin Siegrid Westphal bei der Vorstellung des ersten Teils der Studie (im September 2022) „Betroffene – Beschuldigte – Kirchenleitung: Sexualisierte Gewalt an Minderjährigen sowie schutz- und hilfebedürftigen Erwachsenen im Bistum Osnabrück“ seit 1945. 

Vor allem unter den Bischöfen Helmut Hermann Wittler und Ludwig Averkamp sei dies so gewesen. Der 600 Seiten umfassende Zwischenbericht sieht aber auch bei Bischof Franz-Josef Bode Pflichtverletzungen. So seien Auflagen zum Einsatz von Beschuldigten nicht kontrolliert, mithin weitere Kinder und Jugendliche gefährdet worden. Allerdings ist den Forschern bisher kein Übergriff nach einer solchen Pflichtverletzung bekanntgeworden. Spätestens seit etwa 2010 sei beim Umgang mit Beschuldigten ein „Wandel feststellbar“, sagte der Jurist Hans Schulte-Nölke. 

Betroffenen gegenüber nicht großzügig

Anders im Umgang mit den Rechten Betroffener: Bis in die jüngste Vergangenheit hinein seien Betroffene auf eine „sehr, sehr störrische Verwaltung“ getroffen. Sie habe eher abweisend reagiert, keine Therapien vermittelt und die Spielräume im Sinne der Betroffenen nicht genutzt. Die Studie vermittelt ein schlechtes Bild der kirchlichen Verwaltung: Wie in anderen Bistümern wird die Aktenführung der Vergangenheit als unprofessionell beschrieben, ebenso herrschten unklare Zuständigkeiten.

Es sei nicht erkennbar, dass die Rechte der Betroffenen im Mittelpunkt stünden. Schulte-Nölke erinnerte an die Geste von Bischof Bode im Jahr 2010: Damals hatte sich der Bischof vor den Altar im Dom gelegt und Schuld im Umgang mit sexuellem Missbrauch bekannt. Allerdings: „Es ist danach kein Ruck durch sein Bistum gegangen.“ Für den Juristen ist das Führungsversagen, weil „die Bistumsspitze nicht unmissverständlich Weisung gegeben hat, den Betroffenen gegenüber großzügig zu sein“. 

Eine bittere Nachricht erwähnten die Forscher in ihrer Pressekonferenz nicht. Sie steht aber in der Studie: Dem langjährigen Generalvikar Heinrich Heitmeyer werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Nicht gegen Minderjährige, sondern gegen zwei erwachsene Frauen im Zusammenhang mit seelsorgerischer Begleitung. Heitmeyer, der 2019 gestorben ist, „gab die beschriebenen Verhaltensweisen grundsätzlich zu“, so die Studie. 

Nach diesem Zwischenbericht zur Verantwortung der Bistumsleitung soll in zwei Jahren die Endfassung der Studie vorgelegt werden. Mit Zahlen von Beschuldigten und Opfern sowie Aussagen über das Umfeld der Taten. Bischof Bode zeigte sich in einer ersten Stellungnahme betroffen ob seiner „Blindheit“. Er wollte sich zwei Tage später, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, zu den Konsequenzen äußern. 

Ulrich Waschki