Krippenaufbau in Herz Jesu, Bremerhaven-Lehe
Und zuletzt das Christkind
Ohne Muskelkraft geht es in Herz-Jesu in Bremerhaven Lehe nicht. Jedes Jahr nach dem vierten Advent wird hier wie in vielen anderen Gemeinden die Krippe aufgebaut. Der Unterschied: Die alten Gipsfiguren sind kindsgroß und entsprechend schwer.
Noch ist der Hirte mit dem Lamm auf der Schulter mit einem alten Tuch sorgfältig verpackt. Doch die Ruhezeit hat jetzt ein Ende. „Schon wieder ein Jahr rum“, sagt Paul-Elmar Hagedorn und zieht dem Hirten den Stoff von der Schulter. Zusammen mit Küster Paul Kinzel ist der 75-Jährige in den Keller im Pfarrhaus der Herz-Jesu-Gemeinde in Bremerhaven Lehe gekommen, um Bestandsaufnahme zu machen und zu schauen, ob die Figuren das Jahr gut überstanden haben. Hier, in einem kleinen Raum ganz am Ende des Kellers, stehen sie eng zusammengedrängt, rund 20 kindsgroße Krippenfiguren der Pfarrgemeinde. Rund 80 Zentimeter messen die knienden Figuren, die Stehenden sind gute 120 Zentimeter hoch.
Seit mehr als 100 Jahren wird diese Krippe jedes Jahr zur Weihnachtszeit in der Kirche aufgebaut. Sehr zur Freude von Kindern und Erwachsenen, die insbesondere am Heiligen Abend stets staunend nach den Krippenandachten und der Christmette das Ensemble bewundern. Höhepunkt für die Kinder ist das riesige Kamel. Es ist so schwer, dass es zwei Erwachsene braucht, um es die schmale Kellertreppe hinauf und rüber in die Kirche zu tragen. Einzig der Kamelkopf kann gut allein bewältigt werden. Er wird erst vor Ort in der Kirche aufgesteckt. Paul-Elmar Hagedorn deckt ihn gerade auf. Er lag gleich neben dem Engel, der nach dem Aufbau über dem hölzernen Stall seine Flügel ausbreiten wird, auf dem Tisch an der Wand.
Paul Kinzel erinnert sich: Als Messdiener hat er 1956 das erste Mal beim Aufbau der Krippe geholfen. Seitdem hat der Bremerhavener kein Jahr ausgelassen. Selbst als er bei der Bundeswehr war, hat er damals freibekommen, um in seiner Heimatgemeinde mit anzupacken. Das gehört für ihn zur Weihnachtsvorbereitung einfach dazu – ebenso wie für viele andere Helfer, die jedes Jahr beim Aufbau der Krippe helfen. „Als ich jung war, habe ich das Kamel auch noch alleine geschleppt, habe es mir einfach über die Schulter gelegt; heute geht das nicht mehr“, sagt der 75-Jährige und lacht.
Die Krippenfiguren haben eine lange Tradition in der Gemeinde. Paul-Elmar Hagedorn, der seit 1999 das Pfarrarchiv aufgebaut und sortiert hat, hat einiges über ihren Ursprung herausgefunden. 1915 ist im Vermeldebuch der Gemeinde vermerkt, dass für eine Krippe gesammelt wird. Alles deutet darauf hin, dass es sich dabei um die bis heute existierende Krippe handelt, sagt Hagedorn. 1929 sei die Krippe von einem Malermeister restauriert worden. Der Ursprung der Krippe liegt vermutlich in Kevelaer, denn dort war ein Zentrum für die Herstellung von Gipsfiguren mit sehr vielen dort ansässigen Firmen. Gipsfiguren hatten ihre Blütezeit von Beginn des 20. Jahrhunderts bis Ende der 1930er Jahre, hat Paul-Elmar Hagedorn herausgefunden.
Zwei der Könige – Balthasar und Melchior – tragen eine Prägung mit der Jahreszahl 1902, dürften also zu den ältesten Figuren gehören. Doch nicht alle Figuren sind schon so früh angeschafft worden. Belege zeigen, dass 1962 ein Hirte und drei Schafe für die Krippe angeschafft wurden. Die Verkündigungsgruppe kam ein paar Jahre später dazu, erinnert sich Paul Kinzel. Für die beiden Bremerhavener ist die Krippe etwas ganz Besonderes – „weil sie bei allem Wandel der Zeit eine Konstante ist, selbst beim Aufbau gibt es jedes Jahr die gleiche Reihenfolge“.
„Es ist zwar immer ein gutes Stück Arbeit, aber es macht auch viel Spaß und jeder weiß, was zu tun ist“, sagt Paul Kinzel. Erst wird der Unterbau aufgebaut, dann kommen nach und nach Stall, Figuren, Brunnen und Lagerfeuer. Nicht fehlen darf auch echtes Stroh. Den Hintergrund bilden die Weihnachtsbäume mit Lichterketten. Früher seien zur Weihnachtszeit in der ganzen Kirche fast 30 Tannenbäume aufgestellt worden, erinnert sich Paul Kinzel, der schon seit über 60 Jahren Küster in der Leher Kirche ist. Heute sind es deutlich weniger, nämlich sechs, sagt er.
Zum Schluss ihrer Inspektion gehen die beiden Aufbau-Helfer noch in die Sakristei, denn dort lagert das Wichtigste der Krippe: das Jesuskind. Gut verpackt in einem Karton wartet es im Schrank über den Messutensilien auf seinen diesjährigen Einsatz. Als einzige Figur ist das Jesuskind nicht aus Gips, sondern aus Wachs. Anders als die anderen Figuren ist es auch nicht mehr das Original, zweimal wurde das Jesuskind im Lauf der Jahrzehnte gestohlen. Der letzte Diebstahl liege aber schon Jahrzehnte zurück, sagt Paul Kinzel, während er die Figur auf mögliche Schäden untersucht.
Zum Heiligen Abend ist es wieder soweit und die Traditionskrippe in Bremerhaven ist aufgebaut und sorgt für leuchtende Augen bei Groß und Klein.
Von Martina Albert