Gottesdienst zum Jubiläum der Seligsprechung Hildegard Burjans
Unmögliches möglich machen
Die Görlitzer Caritas Socialis-Schwestern Martina Theiner und Maria Zemmer neben der Reliquie der seligen Hildegard Burjan. Fotos: Joachim Rudolph |
Am 29. Januar 2012 wurde die 1883 in Görlitz als Jüdin geborene, später zum Christentum konvertierte Ehefrau, Mutter, Politikerin und Sozialreformerin sowie Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, die später in Wien lebte und wirkte, selig gesprochen. Zehn Jahre ist dieses große kirchliche Ereignis her, das im Wiener Stephansdom stattfand. Eine Schar Görlitzer Christen und Priester unter Leitung von Bischof Ipolt nahmen damals an dem feierlichen Gottesdienst teil. An die Lebensgeschichte von Hildegard Burjan erinnert ein Gemälde des Görlitzer Malers Andreas Neumann-Nochten. Dieses Bild wurde im Gottesdienst als Görlitz-Geschenk an die Wiener Schwesternschaft mit ihrer Generalleiterin Sr. Maria Judith Tappeiner übergeben.
Das Bild zeigt die Selige im Vordergrund mit zwei sie kennzeichnenden Merkmalen: einer Dokumentenmappe in der einen Hand, vielleicht gefüllt mit Texten für Sitzungen des Parlamentes, in dem sie die erste demokratisch gewählte Politikerin war. In der anderen Hand trägt sie eine Tasche, die einem Arztköfferchen ähnelt, vermutlich gefüllt mit Not wendenden lebenswichtigen Dingen für ihre Wege zu kranken und in Bedrängnis geratenen Menschen. Der Hintergrund des Gemäldes stellt Görlitzer Stadtgeschichte dar mit Bezügen zu Hildegard Burjans Lebensweg: die jüdische Synagoge, daneben die katholische Kirche, dann eine Häuserzeile, in deren Mitte sich ihr Geburtshaus befindet und davor die grünen Bäume des Elisabethplatzes.
Im Pontifikalamt mit Bischof Wolfgang Ipolt und vielen Gläubigen, genau zehn Jahre später, wird an die Seligsprechung gedacht. Vor dem Altar steht eine Reliquie der Seligen, rechts und links daneben zwei liebevoll gestaltete Kerzen der beiden Schwestern von Caritas socialis, Maria und Martina. In den Eröffnungsworten sagt der Bischof: „Wir wollen danken für das Lebenszeugnis von Hildegard Burjan und danken, dass wir sie in unserer Stadt gehabt haben.“
Schutz, Förderung und die Rechte der Frauen
Wenig später beschreibt er drei Aspekte dieses Lebenszeugnisses: Er erinnert erstens daran, dass eine der Glocken im Turm der Görlitzer Kathedrale den Namen von Hildegard Burjan trägt mit dem die Selige prägenden Ausspruch: „Ganz für Gott – ganz für die Menschen“. Dieser Satz weist auf ihr Engagement, ihren Einsatz für Gott und die Menschen hin. In einem zweiten Gedanken geht Bischof Ipolt auf das öffentliche und politische Wirken von Hildegard Burjan ein, wie sie sich einsetzte für den Schutz, die Förderung und die Rechte von Frauen. Sie erwarb sich rasch Achtung und Aufmerksamkeit und man nannt sie „das Gewissen des Parlamentes“.
Im Jahr 1919 gründete sie die geistliche Gemeinschaft „Caritas socialis“. Bemerkenswert dabei ist – und nach Bischof Ipolts Worten für ihn einziger Fall – dass eine verheiratete Frau einer Gemeinschaft Unverheirateter vorstand.
Ihr Mut drang über Grenzen des Landes
Der Zustrom zu dieser neuen Gemeinschaft war sofort groß. Die Schwestern lebten „verantwortliches Christsein“, ihr Ruf und ihre Arbeitsweise und ihr Mut drangen rasch über die Grenzen des Landes hinaus.
Gebetszettel mit Gemälde. |
In einem dritten Gedanken erinnert der Bischof an das Wunder der Heilung von Hildegard Burjan am Ostermorgen des Jahres 1909. Diese unerklärliche Gesundung führte zur Entscheidung, sich taufen zu lassen. Mit diesem Entschluss verändert sich ihr Leben. Sie sagt selbst: „Dieses neu geschenkte Leben muss ganz Gott und den Menschen gehören.“ Können wir, so der Bischof, wie Hildegard Burjan die „heutigen Leiderfahrungen auch aus Sicht des Glaubens sehen“? Er ermutigt dazu. Zum Motto der Schwesterngemeinschaft wird der Satz „Die Liebe Christi drängt uns“. (2 Kor 5,14) Hildegard Burjan hat der Anruf Gottes getroffen – und verändert. Der Bischofs endet mit den Worten: „Ganz für Gott und ganz für die Menschen da sein! Besser kann man das Leben eines Christen nicht zusammenfassen.“
Am Ende segnet der Bischof die beiden Görlitzer Schwestern von Caritas socialis mit dem Reliquiengefäß und dann die gesamte Gemeinde. Am Ende erklingt noch einmal das Orgelpräludium,
das bereits vor zehn Jahren im Wiener Stephansdom gespielt worden war. Inzwischen gibt es mehrere Erinnerungsorte in Görlitz: ein öffentlicher Platz trägt ihren Namen, eine Pflegeeinrichtung der Caritas ist nach ihr benannt, eine Seitenkapelle in der Jakobus-Kathedrale ist zum Gedenkort geworden und die kleine Schwesternschaft lebt im früheren Geburtshaus von Hildegard Burjan.
Ein im Gottesdienst ausgeteiltes kleines Faltblatt zeigt auf der Titelseite die Selige, beschreibt im Innenteil kurz ihr Leben und ist zugleich Einladung, sie zu ehren und als Fürsprecherin anzurufen und mit ihr zu beten: „Gott, dein Segen macht auch das Unmögliche möglich.“
Von Joachim Rudolph