Prälat Roland Steinke
Unter Berlins geteiltem Himmel
Prälat Roland Steinke in seiner Berliner Wohnung im Jahr 2017. Foto: Walter Wetzler |
Prälat Roland Steinke gilt als Kenner der Geschichte des Bistums Berlin. Von 1995 bis 2014 war er Mitglied der Kommission für Zeitgeschichte, einer Einrichtung zur Erforschung deutschen Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert. Als Generalvikar wurde er in dieses Amt berufen. Steinke hat einen Teil dieser Geschichte des Bistums Berlin mitgeschrieben.
„Weißensee ist meine Heimat“
Geboren wurde er am 21. Januar 1936 in der Berliner Charité. Einen großen Teil seiner Kindheit verbrachte er in der Staßburgstraße, heute Meyerbeerstraße in Weißensee. Dieses Viertel ist für Roland Steinke nicht nur ein Stadtbezirk, sondern seine Heimat. Seine Eltern zogen 1938 in die Gartenstadt Frohnau, am nordwestlichen Rand Berlins. Steinke hatte fünf Geschwister. Drei Schwestern und zwei Brüder. Die große Familie gab ihm Rückhalt im Glauben und in den schweren Kriegszeiten. 1942 wurde er in Berlin eingeschult. Ab 1943 wurde in Berlins Schulen nicht mehr unterrichtet. Im Rahmen der Verschickung der Kinder kam er mit einem jüngeren Bruder zum Cousin seines Vaters. Dieser war Propst im Kreis Deutsch-Krone (heute: Wałcz) in Pommern. Einem „relativ geschlossenen katholischen Gebiet“, wie Steinke in einem Interview sagt. Dort besuchte er die Schule. Er erinnert sich an die gute Versorgung durch die Schwester des Onkels. Sein Onkel war ihm ein Vorbild im Glauben.
Roland Steinke (links) mit vier seiner fünf Geschwister nach der Rückkehr 1946 nach Berlin. Foto: Privat |
Nach kurzer Rückkehr nach Berlin zog Steinkes Mutter Ende März 1945 mit den Kindern nach Braunlage im Harz. Dort besuchte der Vater die Familie im Juli 1945. Mit dem Fahrrad kam er über die grüne Grenze nach Braunlage und überrascht so die Familie. Ab 12. August 1945 gehörte Frohnau zum französischen Sektor. Franzosen beschlagnahmten das Haus der Eltern.
Im Frühjahr 1946 kehrten Mutter und Kinder zurück nach Berlin-Frohnau. Er besuchte eine Oberschule in Hermsdorf. 1948 wurde Steinke Schüler im Berliner Canisius-Kolleg. Dort reift seine Entscheidung Priester zu werden. Seine Motivation dazu speist sich aus mehreren Quellen: Zum einen lebte er in einer praktizierenden katholischen Familie, zum anderen in der aktiven Gemeinde St. Hildegard in Frohnau mit Pfarrer Felix Krajewski. Steinke engagierte sich im, den Jesuiten nahestehenden, Jugendbund Neudeutschland.
Zum Theologiestudium ging Steinke 1955 nach Erfurt. Auf Wunsch des Bischofs gingen die Priesteranwärter aus Westberlin zum Studium dorthin. Sie sollten im Osten ausgebildet werden. Schon im Studium war Kirchengeschichte seine Leidenschaft.
Seminaristen auf dem Weg zum „Vincenzsingen“ am 6. Mai 1956; vorne links Roland Steinke, rechts Semestersenior Adolf Laminski. Foto: DAB BN 157,13 |
Am 17. Dezember 1960 weiht Kardinal Döpfner Roland Steinke zum Priester. Die erste Stelle als Kaplan trat er kurz vor seinem 25. Geburtstag, am 15. Januar 1961, in St. Mauritius in Berlin-Lichtenberg an. Hier erlebte er den Mauerbau und gleichzeitig die Veränderungen durch das Zweite Vatikanum. „Jetzt kommt Schwung in die Kirche“, so Steinke. Hier erlebte er die Stimmung des Ausgesperrt seins und des Aufbruchs. „Nach dem 13.August 1961 waren die Deutsche Reichsbahn und das Erzbistum Berlin die Klammern im geteilten Deutschland“, sagt Steinke im oben genannten Interview. Die zweite Stelle führte ihn drei Jahre später nach Ludwigsfelde. Hier war er am Bau der Kirche beteiligt.
Erst Caritas, dann mit Wehmut ins Ordinariat?
Die Stelle als Caritasdirektor für den Ostteil des Bistums Berlin folgte im August 1967. Diese Arbeit bereitete ihm Freude und lag ihm sehr. So warb er unter anderem in den katholischen Gemeinden, auf Grund des Pflegenotstands, für karitative Berufe. Die Caritas bildete Krankenschwestern in Potsdam und Berlin, Kindergärtnerinnen in Michendorf, Altenpflegerinnen und Fürsorgerinnen (Sozialarbeiterinnen) in Magdeburg aus. Wesentlicher Teil der Caritas war die sozialpädagogische Arbeit.
Als weitere wichtige Aufgabe sah er ab April 1970 seine Tätigkeit als Akademikerseelsorger für Hochschulabsolventen in der DDR an. Er lud viele Referenten aus dem Westen ins Bischöfliche Bildungshaus in die Pappelallee im Prenzlauer Berg ein, das als Nahtstelle zwischen Ost und West galt.
Danach war Steinke von 1982 bis 1990 Generalvikar für den Ostteil des Bistums. Die „Dopplungen“ der Ämter wurden nach der Wende aufgehoben. Ab 1993 für das gesamte Erzbistum. Als spannend erlebt er die Zeit der Zusammenführung der Caritas Ost und West nach 1989.
So waren die Aufgaben nach dem Umbruch, konfessionelle Schulen im neu strukturierten Bistum zu gründen, Presse- und Rundfunkarbeit aufzubauen, die Zusammenarbeit mit Parteien und der Regierung zu etablieren. Als stets positiv nahm der die Mannigfaltigkeit des Katholizismus als „Weltkirche im Kleinen“, im wiedervereinigten Bistum wahr. Im Alter von 65 Jahren gab er im März 2001 dieses Amt ab.
Nach seiner Emeritierung engagierte er sich seit Juni 2006 als Referent für Orden und geistliche Gemeinschaften, hielt Messen in St. Hedwig und St. Michael in Berlin, in Gemeinden in Brandenburg und zu manchem Weihnachtsfest auf Rügen.
Gesundheitsbedingt ist Roland Steinke in den letzten Jahren nicht mehr aktiv engagiert tätig. Er lebt im Caritas-Seniorenzentrum Kardinal Bengsch in Charlottenburg, in dem ihn seine Geschwister besuchen, wenn nicht Corona-Lockdown ist.
Interview unter: www.gesichter-und-geschichten.de
Von Constanze Wandt