Erstes Frauen-Forum im Osnabrücker Diözesanmuseum
Unter Männern – Frauenbilder in Kirche und Geschichte

Foto: Lisa Discher
Das erste Treffen des Frauen-Forums begann im Osnabrücker Dom.
Unter dem Thema "Mutige Bekennerinnen – Märtyrerinnen der frühen Kirche" versammelten sich vergangenen Mittwoch etwa 15 Frauen vor dem Dom, um Frauen in Kirche und Kunst neu zu betrachten. Die Veranstaltung, organisiert von Farina Dierker (Seelsorgeamt), Gisela Püttker (Seelsorge am Dom) und Jessica Löscher (Diözesanmuseum), bot einen neuen Blick auf eine besondere Frau: die heilige Agnes.
Der Abend begann mit einem eindrucksvollen Impuls im Dom. In der Stille des sakralen Raums erinnerte Farina Dierker daran, dass auch Frauen in diesen uralten Mauern gebetet und gepredigt haben. "Unsere Würde ist unantastbar und ewig. Aber ist sie auch für alle erfahrbar? Auch in der Kirche?", fragte sie und lenkte den Blick auf die wenig erwähnten und selten gewürdigten weiblichen Figuren der Kirchengeschichte. Im Diözesanmuseum steht an diesem Abend Agnes im Mittelpunkt – eine Figur, deren Geschichte traditionell von Männern erzählt wurde. Doch an diesem Abend änderte sich die Perspektive. Die Gruppe hinterfragte, wie Frauenbilder entstanden sind und welche Relevanz sie heute noch haben.
Die heilige Agnes
Im Diözesanmuseum ist Agnes recht versteckt in einer Ecke des hintersten Raums des Museums zu finden, umgeben von fünf anderen Heiligen – allein unter Männern. Agnes wird mit etwas dargestellt, das sie an einer Leine hält. Es ist schwer zu erkennen: Eine Teilnehmerin interpretierte es als Maiskolben, eine andere als Gürteltier. Doch tatsächlich soll es ein Lamm sein. Denn Agnes wird oft mit einem Lamm dargestellt, was sowohl auf ihren Namen (lateinisch agnus bedeutet Lamm) als auch auf die Art ihres Todes anspielt. Agnes gilt als Symbol für Reinheit und Keuschheit und wird als Schutzpatronin der Jungfrauen verehrt.

(Foto: Lisa Discher)
Ihre Geschichte wurde erstmals vom heiligen Ambrosius aufgezeichnet, der ihre Schönheit und ihren unerschütterlichen Glauben hervorhob. Agnes wird als außergewöhnlich schönes Mädchen beschrieben, das bereits im Alter von zwölf Jahren Heiratsanträge vom Sohn des römischen Stadtpräfekten erhielt. Sie lehnte diese stets ab, da sie sich Jesus Christus versprochen hatte und ein Leben in Keuschheit führen wollte. Daraufhin wurde Agnes als Christin denunziert und vor Gericht gestellt. Zur Strafe sollte sie in ein Freudenhaus gezwungen werden. Das war zu dieser Zeit geltendes Recht. Doch Gott ließ ihr Haar wachsen, das hell leuchtete und auf wundersame Weise ihren Körper wie einen Schutzmantel bedeckte, so die Legende. Trotz mehrerer Versuche, Agnes zu töten oder ihren Glauben zu brechen, blieb sie standhaft. Sogar das Feuer des Scheiterhaufens, auf dem sie verbrannt werden sollte, wich vor ihr zurück. Schließlich wurde sie jedoch mit dem Schwert enthauptet – auf dieselbe Weise, wie damals Lämmer geschlachtet wurden.
Erstaunlich aktuell
Die Geschichte der heiligen Agnes, die im 4. Jahrhundert lebte, bietet erstaunliche Parallelen zu aktuellen Debatten. Agnes' Schicksal, sich gegen unerwünschte Annäherungen wehren zu müssen, wirft Fragen auf, die auch heute noch aktuell sind: Wann ist ein Nein ein Nein? Wie wird weibliche Würde definiert und respektiert? Besonders bewegend war die Erkenntnis, wie sehr diese historischen Narrative noch in unserer heutigen Gesellschaft nachwirken. Jessica Löscher brachte es auf den Punkt: "Was mich bewegt hat in der Vorbereitung, ist, wie das bis heute nachwirkt." So sei die richterliche Strafe an Agnes erschreckend, doch die Nachwehen männlicher Gerichtsbarkeit seien noch immer im Rechtssystem zu spüren. Die Vergewaltigung in der Ehe wurde erst 1997 unter Strafe gestellt, und dennoch wirkt es sich noch immer strafmildernd für den Täter aus, wenn er der Ehemann des Opfers ist. Oder: Frauen, die Gewalt erfahren, müssen sich immer noch fragen lassen, wie sie den bekleidet waren. "Man hört es oft, dass dann gesagt wird: Wenn sie halt so einen kurzen Rock anhatte – selber schuld", sagt eine der Teilnehmerinnen. Alle Frauen nicken zustimmend. Die Frau müsste sich, wie Agnes, auch heute noch so bedecken, dass sie vor Übergriffen sicher ist.
Die anschließende Gesprächsrunde im Forum am Dom bot einen sicheren Raum für persönliche Erfahrungen. Frauen teilten ihre Erlebnisse mit Grenzverletzungen durch Männer und betonten die Notwendigkeit solcher Zusammenkünfte. Der Austausch, das Sprechen über Frauenbilder und der respektvolle Dialog – auch mit Männern - wurden als zentrale Elemente für Veränderung identifiziert. Dieser Abend war nicht nur ein Blick in die Vergangenheit. Er war eine Einladung, Geschichten neu zu erzählen, Perspektiven zu wechseln, zu erweitern und Raum für bisher übersehene Stimmen zu schaffen. Es ist an der Zeit, dass wir als Kirche und Gesellschaft lernen, andere Perspektiven und Frauen in ihrer gottgegebenen Würde zu sehen und zu respektieren.
Ein königlicher Segen
Der Abend endete mit einem kraftvollen Segen: "Du bist eine Königin, von Gott gesandt und mit unantastbarer Würde versehen. Deshalb kannst du aufrecht stehen und gehen." Diese Worte unterstrichen noch einmal die Botschaft des Abends: Jede Frau trägt eine unantastbare Würde in sich, die es zu erkennen, zu schützen und zu feiern gilt. Frauen dürfen das Bild über sich in der Gesellschaft erzählen.
Geschichten von Frauen sollen von Frauen erzählt werden, nicht von Männern. Dieses erste Frauen-Forum ist der Beginn einer neuen Tradition im Forum am Dom. Weitere Veranstaltungen folgen. Sie sind der Versuch, einen Ort des Zuhörens zu etablieren, des Umdenkens und des mutigen Voranschreitens in eine gerechtere Zukunft. Denn nur wenn Frauen ihre eigenen Geschichten aus eigener Perspektive erzählen können – nur dann können wir eine Kirche und Gesellschaft gestalten, in der die Würde aller Menschen tatsächlich unantastbar ist.
Informationen zur Veranstaltung
Weitere Termine
- Maria – Mutter Gottes und Mutter Mythos
18. Juni, 18 - 20.30 Uhr
Dom St. Petrus, Osnabrück
- Unsichtbare Frauen? Warum wir immer nur die Hälfte wissen
8. Oktober, 18 - 20.30 Uhr
Dom St. Petrus, Osnabrück
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Um Anmeldung über Telefon oder E-Mail wird gebeten. Die Veranstaltungen sind kostenlos. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass der Abend denen vorbehalten ist, die sich als Frau identifizieren.