Anstoß 08/22

Unverschuldet Faschingsmuffel

Image
SYMBOL_Anstossbild_0.jpg

Für Guido Erbrich, Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim MDR, gehören Fasching und andere Feiern einfach mit zum Gemeindeleben dazu. In den letzten Jahren – schon vor Ausbruch der Pandemie – ist es ihm deutlich zu ruhig geworden...


Es war irgendwann Ende der sechziger Jahre. Meine Großeltern hatten schon ein TV-Gerät. So schauten wir Kinder den Rosenmontagsumzug im Westfernsehen. Bonbons wurden aus dem Fernseher geschmissen und wir krabbelten über den Teppich, um sie einzusammeln. Am nächsten Tag waren wir bei zwei Tanten, die hatten auch eine Glotze, und auch da kam wieder ein Faschingsumzug. Aber Bonbons wurden keine geschmissen. Ich war mir sicher, die hatten die bösen DDR-Zöllner aus dem Verkehr gezogen. Dass mein Opa hinter der Gardine gestanden haben könnte, kam mir damals nicht in den Sinn.

Mit Faschingsfeiern bin ich großgeworden und diese Erinnerung macht mich richtig nostalgisch. Fasching gab es zu Hause, in der Schule, als Kinder, Jugend, Erwachsenenfasching in Pfarrgemeinde und Dekanat. Er gehörte genauso selbstverständlich zum kirchlichen Leben wie Ostertanz, Weinfest und Martinsumzug. Heute dagegen sieht es mit solcherlei Gemeindevergnügen vielerorts ziemlich mau aus. Und daran ist nicht nur Corona schuld. Es scheint, dass in den letzten Jahrzehnten das Feierleben aus vielen Gemeinden ausgezogen ist. Während meiner Kindheit und Jugend war die Pfarrgemeinde auch ein Lebensort, wo wir uns mehrmals in der Woche trafen. Beim Religionsunterricht, zu Ministrantenstunde, Kinderchor, Fußball, Jugendgruppe, zu Arbeitseinsätzen, zum Besuchen alter Leute.  Und ebenso selbstverständlich wurden die verschiedensten Anlässen miteinander gefeiert. Heute dagegen erlebe ich Pfarrgemeinden fast nur als Liturgieorte. Leben, neben den Gottesdiensten, findet darin jedenfalls weit weniger statt, als ich es in meiner Erinnerung erlebt habe.

Dieses Feiern in Gemeinde war immer ein großes Begegnen von Jung und Alt. In der Küche wurde genauso selbstverständlich miteinander etwas vorbereitet, wie danach zusammen abgewaschen. Dabei kam man mit vielen ins Gespräch, mit denen man sonst recht wenig zu tun hatte. Für mich ist es ein Alarmzeichen, wenn wir als Gemeinden nicht mehr miteinander feiern können. Und wenn das Leben und Feiern aus immer mehr Pfarreien auszieht, können wir das heute leider nicht den DDR-Westpaketzollräubern in die Schuhe schieben. Das verbocken wir selbst.

Guido Erbrich, Biederitz